Die Frage, wann eine Gruppen- oder Teamleitung im Bereich kirchlicher und sozialer Einrichtungen Anspruch auf eine Zulage hat, beschäftigt seit Jahren sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte. Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 31. Juli 2025 (Az. 6 AZR 270/24) hierzu nun eine wegweisende Klärung vorgenommen, die für kleine und mittelständische Unternehmen in der Sozialwirtschaft, insbesondere für Einrichtungen im Bereich der Jugendhilfe und Pflege, von hoher praktischer Bedeutung ist.
Zulage im TV DN: Voraussetzungen und Streitpunkt
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war die tarifvertragliche Regelung im Tarifvertrag Diakonie Niedersachsen (TV DN), die eine Zulage in Höhe von 50 Prozent der Differenz zwischen den Entgeltgruppen 9 und 10 vorsieht. Anspruch haben danach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Arbeitsplätzen von Sozialpädagoginnen oder Sozialarbeitern, wenn deren Tätigkeit mit einer Team- oder Gruppenleitung und einer erheblichen Verantwortung für Personal oder Betriebsmittel verbunden ist.
Der Kläger war als staatlich anerkannter Erzieher in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung angestellt und als Gruppenleiter tätig. Ihm waren vier Mitarbeiter mit insgesamt 3,25 Vollzeitäquivalenten unterstellt. Er forderte die Zulage, da seiner Ansicht nach jede Form spürbarer Personalverantwortung ausreichend sei, um die tarifliche Voraussetzung „erheblich“ zu erfüllen. Die Beklagte hingegen sah die Personalverantwortung erst dann als erheblich an, wenn mehr als fünf Vollzeitkräfte unterstellt sind.
Auslegung des Begriffs „erheblich“ durch das Bundesarbeitsgericht
Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass dem Wort „erheblich“ eine eigenständige Bedeutung zukommt. Das Gericht betonte, dass es nicht ausreiche, wenn lediglich in kleinem Umfang Mitarbeiterverantwortung besteht. Vielmehr erfordere die Zulage ein gesteigertes Maß an Verantwortung, das eindeutig über das bei Teamleitungen übliche Maß hinausgeht. Orientiert am allgemeinen Sprachgebrauch bedeute „erheblich“ eine Verantwortung, die ins Gewicht fällt und quantitativ klar über dem Normalfall liegt.
Zur Bestimmung dieses Maßes griff das Gericht auf bereits bekannte Grundsätze anderer tariflicher Konstellationen zurück. Eine Gruppenleitung setzt nach gängiger Definition mindestens zwei Beschäftigte voraus. Für eine erhebliche Personalverantwortung sei jedoch eine signifikante Steigerung erforderlich, die etwa dem Dreifachen dieser Mindestanzahl entspricht. Damit legte das Gericht einen Richtwert von sechs Mitarbeitern als Schwelle fest, die erforderlich ist, um das Merkmal „erheblich“ im Sinne des TV DN zu erfüllen.
Im konkreten Fall blieb der Kläger mit vier Mitarbeitern unter dieser Schwelle und erhielt daher keine Zulage.
Bedeutung für Unternehmen und Einrichtungen
Für Träger der Jugendhilfe, Pflegeeinrichtungen und andere diakonische Organisationen schafft diese Entscheidung Rechtssicherheit im Hinblick auf die Anwendung des TV DN. Arbeitgeber können sich an einer klaren rechnerischen Grenze orientieren, wenn es um die Frage geht, ob eine Zulage für Gruppenleitungen zu gewähren ist. Dies erleichtert die Personalplanung und die Kalkulation der Personalkosten erheblich.
Für kleine und mittelständische Einrichtungen ist dies von besonderer Relevanz, da die Vergütungskosten oft knapp kalkuliert werden müssen. Durch die klare Definition werden mögliche Streitigkeiten mit Mitarbeitenden reduziert, und Unternehmen können frühzeitig Transparenz über die Vergütungsstruktur schaffen. Sozialträger, die wie Pflegeeinrichtungen häufig mit Klein- oder Teilzeit-Teams arbeiten, können anhand dieser Rechtsprechung prüfen, ob die Schwelle für zusätzliche Zulagen tatsächlich erreicht wird.
Auch für Steuerberatende, die Arbeitgeber aus der Sozialwirtschaft betreuen, ist die Entscheidung hilfreich. Sie können künftig leichter einschätzen, wann eine Zulage im Rahmen der Lohnabrechnung anzusetzen ist und wann nicht. Finanzinstitutionen wiederum, die Sozialträger finanzieren, erhalten durch diese Entscheidung ein besseres Verständnis für die Fixkostenstrukturen solcher Einrichtungen. Onlinehändler und mittelständische Betriebe außerhalb der Sozialwirtschaft profitieren von der Entscheidung, da sie Grundsätze verdeutlicht, wie unbestimmte Rechtsbegriffe wie „erheblich“ systematisch ausgelegt werden, was auch für andere arbeits- oder tarifrechtliche Fragen relevant ist.
Fazit: Orientierung für Personal- und Kostenplanung
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulagenregelung im TV DN stärkt die Rechtssicherheit im Arbeitsrecht von Sozial- und Pflegeeinrichtungen. Arbeitgeber müssen bei der Anwendung des Begriffs „erheblich“ künftig von einer klaren quantitativen Grenze ausgehen, die eine Leitung von mindestens sechs Mitarbeitenden erfordert. Dies erleichtert nicht nur die Kostenkalkulation, sondern auch die Auseinandersetzung mit Mitarbeitenden erheblich. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen in genau diesen Fragen, wobei wir uns auf die Prozessoptimierung in der Buchhaltung und die Digitalisierung spezialisiert haben. Dank dieser Expertise erzielen unsere Mandanten deutliche Kostenersparnisse und eine nachhaltige Verbesserung ihrer internen Abläufe – vom kleinen Unternehmen bis hin zum etablierten Mittelstandsunternehmen.
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