Rechtliche Neuordnung des Gymnasialzugangs
Mit einer aktuellen Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az. 9 S 1573/25) grundsätzliche Fragen zum Zugang von Schülerinnen und Schülern privater Grundschulen zu weiterführenden Gymnasien beleuchtet. Im Zentrum steht die seit Februar 2025 geltende Regelung des § 88 Absatz 3 Satz 2 Schulgesetz, wonach die Aufnahme am Gymnasium entweder eine Empfehlung der Grundschule oder den erfolgreichen Abschluss einer sogenannten Kompetenzmessung, dem Kompass-4-Test, voraussetzt. Schülerinnen und Schüler, die diese Nachweise nicht erbringen, können alternativ über einen Potenzialtest ihre Eignung belegen. Die Entscheidung des Gerichts gewinnt besondere Bedeutung, weil sie die Schnittstelle zwischen staatlicher Bildungslenkung und der verfassungsrechtlich geschützten Privatschulfreiheit betrifft.
Im konkreten Fall wurde ein Schüler einer privaten, jedoch noch nicht staatlich anerkannten Grundschule vom Kompetenztest ausgeschlossen, weil die entsprechenden Verwaltungsrichtlinien nur Schüler öffentlicher oder staatlich anerkannter Schulen zur Teilnahme zulassen. Nachdem das private Gymnasium die Aufnahme verweigert und den Schulvertrag gekündigt hatte, weil keine dem Schulgesetz entsprechende Empfehlung vorlag, begehrte der Schüler im Eilverfahren die vorläufige Zulassung zum Unterricht. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte diesen Antrag zunächst abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hingegen gewährte im Beschwerdeverfahren den vorläufigen Schulbesuch.
Begründung des Verwaltungsgerichtshofs
Der Senat stellte heraus, dass die derzeitige Gesetzeslage faktisch einen Ausschluss von Schülerinnen und Schülern privater, aber noch nicht staatlich anerkannter Grundschulen vom geordneten Übergangsverfahren vorsieht. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung ohne klar erkennbare gesetzliche Grundlage. Da das staatlich anerkannte Gymnasium sich nach Recht und Gesetz richten müsse, dürfe es zwar die Anforderungen aus § 88 Absatz 3 Satz 2 Schulgesetz beachten, gleichzeitig müsse jedoch geprüft werden, ob deren praktische Anwendung mit den Grundrechten vereinbar ist. Hieran knüpfte die zentrale Abwägung im Eilverfahren an. Das Gericht hob hervor, dass die betroffenen Kinder keine Möglichkeit hätten, die gesetzlich vorausgesetzten Nachweise rechtzeitig beizubringen, und dass die Folgen eines temporären Ausschlusses für die Schüler besonders gravierend wären. Daher gewährte es dem Antragsteller bis zur abschließenden Klärung eine vorläufige Teilnahme am Unterricht.
Bemerkenswert ist, dass der Verwaltungsgerichtshof zugleich Zweifel an der hinreichenden gesetzlichen Grundlage für den sogenannten Potenzialtest äußerte. Zwar konkretisiere die Aufnahmeverordnung die Durchführung des Tests, doch fehlen klare gesetzliche Vorgaben zur Festlegung, wann der Test als bestanden gilt. Eine bloße Handreichung des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg, die Schwellenwerte definiert, könnte nach Auffassung des Gerichts dafür nicht genügen. Diese Kritik macht deutlich, dass verwaltungsinterne Vorgaben ohne formell-gesetzliche Fundierung nicht ausreichen, um Rechte und Pflichten von Betroffenen verbindlich zu gestalten.
Verfassungsrechtliche und praktische Implikationen
Die Entscheidung beleuchtet eine Schnittstelle zwischen Bildungs- und Verfassungsrecht, die besonders für Träger privater Bildungseinrichtungen, aber auch für Eltern mit unternehmerischem Engagement in der Bildungsbranche von erheblicher Bedeutung ist. Artikel 7 des Grundgesetzes garantiert das Recht auf Errichtung privater Schulen, zugleich unterliegt deren Anerkennung und staatliche Einbindung engen rechtlichen Maßstäben. Kommt es zu neuen landesrechtlichen Aufnahmeregelungen, müssen diese so ausgestaltet sein, dass keine unzumutbaren Benachteiligungen entstehen. Der Verwaltungsgerichtshof deutet hier an, dass die aktuelle Ausgestaltung des Übergangsverfahrens an dieser Grenze kratzt. Sollte der Gesetzgeber keine ergänzende Klarstellung schaffen, drohen Folgekonflikte, etwa bei Schulverträgen, Haftungsfragen oder Rückabwicklungen geschlossener Verträge.
Für private Schulträger bedeutet dies, dass sie bestehende Aufnahmeregelungen sorgfältig prüfen und gegebenenfalls vertragliche Vorbehalte oder Übergangslösungen für Schüler aus nicht anerkannten Grundschulen vorsehen sollten. Auch für Eltern mit Kindern in solchen Einrichtungen ist es ratsam, frühzeitig abzuklären, ob die bisherige Schulform rechtzeitig die Anerkennungsvoraussetzungen erfüllen kann oder ob eine Umorientierung erforderlich wird. Gerade bei genehmigten, aber noch nicht anerkannten Schulen kann die Länge des Anerkennungsverfahrens zu unvorhersehbaren Übergangsproblemen führen. Solche Unsicherheiten lassen sich vermeiden, wenn frühzeitig juristischer und administrativer Rat eingeholt wird.
Fazit und Handlungsempfehlung für die Praxis
Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zeigt einmal mehr, dass gesetzliche Reformen im Bildungswesen sorgfältig austariert werden müssen, um den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Privatschulfreiheit gerecht zu werden. Für die Bildungsverwaltung eröffnet die Entscheidung den Handlungsauftrag, Aufnahmeverfahren so anzupassen, dass sie auch Übergänge zwischen Privatschulen und staatlichen Schulen praktikabel gestalten. Private Schulträger sollten ihre interne Dokumentation und Aufnahmeprozesse überprüfen, um auf künftige Landtagsinitiativen vorbereitet zu sein. Auch im Bereich der Unternehmensführung privater Bildungseinrichtungen empfiehlt sich eine genauere Beachtung von Verfahrensvorgaben, um Rechtsstreitigkeiten mit Eltern zu vermeiden.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen, darunter auch Träger privater Bildungseinrichtungen, bei der rechtssicheren Digitalisierung und Prozessoptimierung ihrer Verwaltungs- und Buchhaltungsstrukturen. Durch unsere Spezialisierung auf die digitale Abbildung von Verwaltungsprozessen erzielen unsere Mandanten nachhaltige Effizienzsteigerungen und deutliche Kosteneinsparungen. Wir unterstützen Unternehmen jeder Größe mit unserer Erfahrung und modernen Lösungen in der digitalen Prozessgestaltung.
Gerichtsentscheidung lesen