Einordnung von Fischöl im Zolltarif
Die korrekte Tarifierung von Waren im Zollrecht hat für Unternehmen, die im Im- und Export tätig sind, erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Ein aktuelles Verfahren vor dem Bundesfinanzhof verdeutlicht dies am Beispiel von Fischölprodukten. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und ab welchem Mindestgehalt an Triglyceriden ein Erzeugnis als „Fette und Öle“ im Sinne der Position 1516 der Kombinierten Nomenklatur einzustufen ist. Die Kombinierte Nomenklatur stellt das Warennomenklatursystem der Europäischen Union dar und regelt die Abgabenlast bei der Einfuhr. Bereits geringe Änderungen in der chemischen Zusammensetzung einer Ware können zu erheblich unterschiedlichen Zollabgaben führen.
Der konkrete Streitfall betrifft Fischöl, das zu einem überwiegenden Teil aus Mono- und Diglyceriden besteht, die als Nebenprodukte einer Wiederveresterung entstanden sind. Solche Prozesse sind im Lebensmittel- und Futtermittelbereich gängige Verfahren, die die Zusammensetzung von Fetten und Ölen beeinflussen können. Für Unternehmen, die mit Fischöl im europäischen Binnenmarkt handeln, ist deshalb entscheidend, wie die Zollbehörden die Einfuhr solcher Produkte künftig bewerten.
Rechtlicher Hintergrund und Begriffsbestimmungen
Für die Einordnung ist es notwendig, zunächst die begrifflichen Grundlagen darzustellen. Triglyceride sind chemische Verbindungen aus Glycerin und drei Fettsäuren, die natürlicherweise den Hauptbestandteil von pflanzlichen und tierischen Fetten bilden. Mono- und Diglyceride hingegen bestehen aus Glycerin und einer beziehungsweise zwei Fettsäuren, sie fallen häufig als Nebenprodukte in der industriellen Verarbeitung von Fetten an. Bereits aus diesen Definitionen wird ersichtlich, dass die chemische Zusammensetzung entscheidend ist, wenn es darum geht, eine Ware zolltariflich der richtigen Kategorie zuzuordnen.
Die Position 1516 der Kombinierten Nomenklatur erfasst „tierische oder pflanzliche Fette und Öle, teilweise oder ganz gehärtet, umgeestert, re- oder elaidinisiert, auch raffiniert, jedoch nicht weiter zubereitet“. Damit knüpft die Regelung an einen bestimmten Mindestgehalt der genannten Fette an. Strittig ist jedoch, ob lediglich das Vorhandensein von Triglyceriden genügt oder ob ein bestimmter Mindestanteil erforderlich ist, damit das Erzeugnis dieser Position zugeordnet werden darf.
Das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof und die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof
Im Verfahren mit dem Aktenzeichen VII R 18/22, entschieden am 19. Mai 2025, musste sich der Bundesfinanzhof mit genau dieser Fragestellung befassen. Da es sich um eine unionsrechtliche Frage handelt, legte er die Frage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem Europäischen Gerichtshof vor. Der Bundesfinanzhof sah die Klärung als notwendig an, um eine einheitliche Auslegung der Kombinierten Nomenklatur innerhalb der Europäischen Union sicherzustellen.
Dies ist für Unternehmen von großer Tragweite, da eine abweichende nationale Auslegung zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen führen könnte. Gelänge es etwa, ein Produkt mit hohem Anteil an Mono- und Diglyceriden als „anderes chemisches Erzeugnis“ einzustufen, so könnte dies den Zollsatz erhöhen oder senken, je nach Tarifposition. Gerade für Importeure, die große Mengen Fischöl oder vergleichbare Erzeugnisse aus Drittländern wie Chile einführen, kann bereits eine Tarifierungsänderung um wenige Prozentpunkte enorme finanzielle Auswirkungen haben.
Die entscheidende Frage lautet daher: Muss ein Fischölprodukt zwingend einen bestimmbaren Mindestgehalt an Triglyceriden enthalten, damit es als Fett- oder Ölprodukt gilt, oder genügt es, wenn Triglyceride lediglich nachweisbar sind? Die Beantwortung dieser Frage wird den weiteren Umgang der Zollverwaltung in allen Mitgliedsstaaten maßgeblich prägen.
Praktische Auswirkungen auf Unternehmen
Für betroffene Branchen, etwa Lebensmittelunternehmen, Futtermittelhersteller oder Importeure von Rohstoffen aus Drittstaaten, hängt von der Entscheidung viel ab. Die Höhe der Zollabgaben bestimmt unmittelbar die Kalkulation und die Wettbewerbsfähigkeit. Auch Händler, die Fischölprodukte in Europa vertreiben, müssen sich auf mögliche Rückforderungen oder Nachforderungen einstellen, sollte der Europäische Gerichtshof die bisherige Praxis ändern. Dazu kommt das Risiko, dass bereits erfolgte Einfuhren nachträglich neu bewertet werden, was unter Umständen zu Zollnachforderungen führt.
Eine sorgfältige Dokumentation der chemischen Zusammensetzung der eingeführten Waren gewinnt damit erheblich an Bedeutung. Unternehmen werden in der Praxis nicht umhinkommen, ausführliche Gutachten und Analysen vorzunehmen und diese den Zollbehörden vorzulegen, um die korrekte Tarifierung zu belegen. Nicht zuletzt ist auch eine enge Zusammenarbeit mit spezialisierten Beratern wichtig, um frühzeitig Risiken zu erkennen und betriebswirtschaftlich abzusichern.
Die Diskussion zeigt damit erneut, wie eng Zoll- und Steuerrecht miteinander verzahnt sind und wie stark juristische Definitionen mit wirtschaftlichen Ergebnissen verknüpft sein können. Unternehmen sollten insbesondere darauf achten, wie sich die unionsgerichtliche Rechtsprechung entwickelt, da sie unmittelbar ihre Planungssicherheit beeinflusst.
Fazit
Die Vorlage des Bundesfinanzhofs an den Europäischen Gerichtshof zur Frage des Mindestgehalts an Triglyceriden bei der Tarifierung von Fischöl ist weit mehr als ein rein akademischer Streit. Sie betrifft die wirtschaftliche Realität vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen, die auf die richtige zolltarifliche Einordnung von Erzeugnissen angewiesen sind. Für die Praxis bedeutet dies, dass gerade international handelnde Unternehmen ihre Prozesse für Warenanalyse, Dokumentation und Kommunikation mit den Zollbehörden weiter professionalisieren müssen. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen dabei seit Jahren und hat sich auf die Optimierung buchhalterischer Prozesse sowie die Digitalisierung spezialisiert. Dies ermöglicht nicht nur Rechtssicherheit, sondern schafft auch erhebliche Kostenersparnisse , von denen unsere Mandanten dauerhaft profitieren.
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