Rechtlicher Hintergrund zu Sonderzahlungen im Arbeitsverhältnis
Sonderzahlungen wie das Weihnachtsgeld sind in vielen Unternehmen ein fester Bestandteil der Vergütungspolitik. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrachten sie häufig als gesicherte Zusatzleistung, während Arbeitgeber sie in aller Regel als freiwillige oder zumindest an Bedingungen geknüpfte Zahlungen auslegen. Rechtlich handelt es sich dabei um sogenannte übertarifliche Leistungen, also zusätzliche Vergütungen, die nicht zwingend auf Grundlage eines Tarifvertrages vorgesehen sind. Solche Zuschüsse können an bestimmte Kriterien wie die Anwesenheit im Betrieb oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit geknüpft werden.
Eine zentrale juristische Frage ist, inwieweit Arbeitgeber berechtigt sind, Sonderzahlungen bei Fehlzeiten zu kürzen. Während Krankheit oder Urlaub regelmäßig nicht zu einer Minderung führen dürfen, stellt sich die Lage beim Arbeitskampf, also insbesondere bei Streiktagen, anders dar. Der Grundsatz des Arbeitsrechts lautet hier, dass für Zeiten, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wird, kein Anspruch auf Vergütung besteht. Die spannende Frage war bislang, ob dieser Grundsatz auch indirekt auf Sonderzahlungen Anwendung finden darf, wenn diese nicht unmittelbar für die erbrachte Arbeitsleistung gezahlt werden, sondern als zusätzliche Zuwendung zu besonderen Anlässen wie Weihnachten.
Aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts Offenbach
Das Arbeitsgericht Offenbach am Main hat mit Urteil vom 28. August 2025 (Az.: 10 Ca 57/25) deutlich gemacht, dass Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen Sonderzahlungen wegen Streiktagen kürzen dürfen. Maßgeblich war im vorliegenden Fall, dass in einer bestehenden Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eine allgemein gültige Kürzungsregel für Fehlzeiten vorgesehen war. Diese sah vor, dass die übertarifliche Sonderzahlung pro Fehltag um einen anteiligen Bruchteil gekürzt wird. Der Arbeitgeber hatte die Kürzung in Höhe von 1/60 pro Streiktag vorgenommen.
Die 10. Kammer des Gerichts stellte klar, dass eine solche Kürzungsregel wirksam ist, solange sie neutral auf alle Arten von Fehlzeiten Anwendung findet und nicht speziell gegen Streikteilnehmer gerichtet ist. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot, das den Schutz der Arbeitnehmerrechte bei rechtmäßigen Arbeitskampfmaßnahmen gewährleisten soll, lag nach Auffassung der Richter nicht vor. Entscheidend war, dass die Kürzung nicht als Strafe für die Streikteilnahme zu verstehen ist, sondern als sachlich begründete Folge der in der Betriebsvereinbarung geregelten Abwesenheitsregelung.
Praktische Auswirkungen für Unternehmen und Arbeitnehmer
Für Arbeitgeber, insbesondere im Mittelstand oder in personalintensiven Branchen wie der Pflege oder im Einzelhandel, schafft die Entscheidung Rechtssicherheit. Wenn eine generelle Kürzungsregel für sämtliche Fehlzeiten verankert ist, kann diese auch auf Streiktage angewendet werden. Damit wird klargestellt, dass die Teilnahme an einem Streik durchaus finanzielle Auswirkungen über den unmittelbaren Lohnausfall hinaus haben kann, sofern die Rechtsgrundlage sauber geregelt ist.
Für Arbeitnehmer ergibt sich zugleich eine erhöhte Transparenz. Wer sich an einem Streik beteiligt, muss neben der entgangenen Arbeitsvergütung auch mit einer anteiligen Minderung von Sonderzahlungen rechnen. Wichtig ist jedoch, dass solche Kürzungen nur zulässig sind, wenn sie in einer eindeutigen Betriebsvereinbarung oder vergleichbaren Regelung festgelegt wurden. Fehlt es daran, besteht das Risiko, dass Kürzungen durch Gerichte als unzulässig gewertet werden.
Kleine und mittlere Unternehmen, die oft besonders stark von den Folgen von Streiks betroffen sind, sollten prüfen, ob ihre betrieblichen Vereinbarungen korrekt und eindeutig formuliert sind. Für Onlinehändler, Pflegeeinrichtungen und produzierende Unternehmen, die in Zeiten von Fachkräftemangel und hohen Kostenstrukturen wirtschaftlich stark belastet sind, bietet diese Rechtsprechung zusätzliche Handlungssicherheit. Gleichzeitig gilt es abzuwägen, welche Signale an die Belegschaft damit gesendet werden und wie stark sich solche Maßnahmen auf das Betriebsklima auswirken.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Offenbach zeigt, dass die rechtlichen Grundlagen für Sonderzahlungen differenziert betrachtet werden müssen. Arbeitgeber dürfen Streiktage dann anspruchsmindernd berücksichtigen, wenn eine neutrale und für alle Fehlzeiten geltende Regelung vorliegt. Damit eröffnet sich Unternehmen ein Instrument, um die finanzielle Belastung durch Arbeitskämpfe besser zu steuern. Arbeitnehmer wiederum erhalten einen klareren Einblick in die Konsequenzen ihrer Teilnahme an Streiks, was die Abwägung zwischen Solidarität im Arbeitskampf und individuellen finanziellen Einbußen transparenter macht.
Für kleine und mittelständische Unternehmen ist es besonders wichtig, Betriebsvereinbarungen regelmäßig überprüfen zu lassen, um rechtliche Sicherheit und Klarheit zu schaffen. Wir begleiten Unternehmen bei der Optimierung ihrer Prozesse und der Digitalisierung der Buchhaltung. Gerade bei der Einführung klarer, rechtssicherer Regelungen rund um Sonderzahlungen können wir auf unsere Erfahrung in der Prozessoptimierung zurückgreifen und so erhebliche Kostenersparnisse ermöglichen.
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