Neuer Vordruck zur Wegzugsbesteuerung – Hintergrund und Bedeutung
Mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. Dezember 2025 wurde ein überarbeiteter Vordruck zur Anwendung der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz eingeführt. Die Wegzugsbesteuerung betrifft natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus Deutschland in einen anderen Staat verlegen und dabei Anteile an Kapitalgesellschaften halten. Sie dient dazu, die bis zum Wegzug entstandenen, aber noch nicht realisierten Wertsteigerungen solcher Anteile steuerlich zu erfassen. Diese Regelung soll verhindern, dass durch die Verlagerung in Staaten mit niedrigerer Besteuerung eine dauerhafte Steuerflucht entsteht.
Der nun veröffentlichte Vordruck ersetzt die bisherige Form der Mitteilung und berücksichtigt die fortschreitende Digitalisierung der Steuerprozesse ebenso wie gesetzliche Anpassungen durch das Jahressteuergesetz 2024. Damit ist erstmals auch die Wegzugsbesteuerung auf bestimmte Investmentfondsanrechte einbezogen, insbesondere im Zusammenhang mit § 19 Absatz 3 Investmentsteuergesetz und § 49 Absatz 5 Investmentsteuergesetz. Unternehmen und Privatpersonen mit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften oder Fonds sollten diese Neuerung ernst nehmen, da sie unmittelbare Mitwirkungspflichten im Rahmen der Mitteilung und künftig auch der elektronischen Übermittlung mit sich bringt.
Rechtliche Grundlagen und systematische Einordnung
§ 6 Außensteuergesetz regelt die sogenannte Entstrickungsbesteuerung. Der Begriff bezeichnet den steuerpflichtigen Vorgang, bei dem das Besteuerungsrecht Deutschlands an den stillen Reserven eines Wirtschaftsguts – hier der Kapitalbeteiligungen – durch den Wohnsitzwechsel verloren geht. Der Steuerpflichtige wird so gestellt, als hätte er die betreffenden Anteile unmittelbar vor dem Wegzug veräußert. Die sich daraus ergebende Steuer kann nach der geltenden Rechtslage unter bestimmten Voraussetzungen gestundet werden, insbesondere bei Wegzügen innerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums. Dies gilt jedoch nur, wenn weiterhin eine ausreichende Mitwirkungspflicht und Sicherstellung der Durchsetzbarkeit der Steuerforderung gewährleistet sind.
Das neue Vordruckmuster knüpft an diese Grundsystematik an, erweitert die Mitteilungspflichten jedoch. Insbesondere werden Investmentanteile erstmals explizit in die Wegzugsbesteuerung einbezogen. Die Erweiterung bezieht sich auf Fälle, in denen Anteile an Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds gehalten werden und der Steuerpflichtige ins Ausland verzieht. Damit schließt die Finanzverwaltung eine Lücke, die durch die zunehmende Flexibilität von Kapitalanlagen entstanden war. Gleichzeitig folgt sie den durch das Jahressteuergesetz 2024 eingeführten Änderungen, welche eine kohärentere steuerliche Behandlung solcher Fondsanteile im internationalen Kontext sicherstellen sollen.
Praktische Auswirkungen für Unternehmen und Anleger
Für kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere solche mit internationaler Ausrichtung oder Beteiligungsstrukturen, ergeben sich praktische Herausforderungen. Unternehmerinnen und Unternehmer, die wesentliche Beteiligungen privat halten und über eine Internationalisierung oder einen zeitweisen Auslandsaufenthalt nachdenken, sollten den neuen Anforderungen besondere Aufmerksamkeit schenken. Auch Onlinehändler, die aus strategischen Gründen Standortverlagerungen innerhalb der EU planen, können betroffen sein, wenn sie Anteile an Gesellschaften halten. Gleiches gilt für leitende Angestellte und Gesellschafter im Pflege- oder Gesundheitswesen, die ihre Tätigkeit zunehmend grenzüberschreitend ausrichten.
Das Bundesministerium der Finanzen hat in seinem Schreiben zugleich darauf hingewiesen, dass die elektronische Abgabe über amtlich vorgeschriebene Datensätze künftig zwingend sein wird. Der Vordruck soll ab dem 1. Januar 2026 im Formular-Management-System bereitstehen. Bis dahin kann die Mitteilung nach dem veröffentlichten Muster in Papierform erfolgen. Für die Praxis bedeutet dies eine Übergangsphase, in der Steuerpflichtige und ihre Berater zweigleisig arbeiten müssen: Einerseits gilt es, die formgerechte Mitteilung nach dem neuen Muster abzugeben, andererseits sollten die technischen Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung frühzeitig geprüft und vorbereitet werden.
Steuerberaterinnen und Steuerberater übernehmen dabei eine zentrale Rolle, indem sie ihre Mandanten über Änderungen aufklären, die steuerlichen Konsequenzen prüfen und sicherstellen, dass eine sachgerechte Bewertung der Anteile zum Wegzugszeitpunkt erfolgt. Eine fehlerhafte oder verspätete Mitteilung kann erhebliche finanzielle Folgen haben, da § 6 Außensteuergesetz die Fiktion eines Veräußerungsgewinns vorsieht, der nach deutschen Maßstäben zu versteuern ist. Im Rahmen der erweiterten Mitteilungspflichten werden gegebenenfalls auch Angaben zu Fondsanteilen und weiteren Beteiligungen verlangt, die bislang nicht im Fokus standen.
Fazit und Handlungsempfehlung für die Praxis
Die überarbeitete Form zur Mitteilung nach § 6 Außensteuergesetz, in Verbindung mit den relevanten Bestimmungen des Investmentsteuergesetzes, steht exemplarisch für den Trend zur konsequenten Digitalisierung steuerlicher Meldeprozesse. Sie schafft eine verbindliche Datengrundlage, welche die Echtzeit-Kommunikation zwischen Unternehmen, Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung erleichtert. Für die Praxis ist entscheidend, dass der neue Vordruck nicht nur eine technische Anpassung darstellt, sondern materiell-rechtliche Folgen hat: Die Einbeziehung von Investmentanteilen erweitert den Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung deutlich. Betroffene sollten daher frühzeitig ihre Beteiligungsstruktur prüfen, die steuerlichen Konsequenzen modellieren und dokumentieren, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Im Lichte dieser Änderungen wird deutlich, wie eng das Zusammenspiel von steuerlicher Compliance, technischer Umsetzung und internationaler Steuerplanung künftig sein wird. Wer bereits heute seine Prozesse digitalisiert und Abstimmungen mit Beratern optimiert, wird in Zukunft rechtssicherer und effizienter agieren können. Unsere Kanzlei unterstützt insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung und sorgt so für erhebliche Kostenersparnisse und mehr Sicherheit bei grenzüberschreitenden Steuerfragen.
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