Haftung des Vermieters bei Unfällen auf Gemeinschaftsgrundstücken
Die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit dem Aktenzeichen VIII ZR 250/23 bringt Klarheit in eine bislang umstrittene Frage des Wohnraummietrechts. Danach haftet der Vermieter einer Eigentumswohnung grundsätzlich für Schäden, die ein Mieter bei einem Sturz auf glatten Wegen des gemeinschaftlichen Grundstücks erleidet, wenn die Räum- und Streupflicht verletzt wurde. Dass das Grundstück in gemeinschaftlichem Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft steht, entbindet ihn nicht von dieser Verantwortung. Damit stärkt das Gericht die vertraglichen Pflichten aus dem Mietverhältnis und betont die Schutzinteressen der Mieterinnen und Mieter.
Für Vermieter bedeutet diese Entscheidung eine deutliche Konkretisierung ihrer Verkehrssicherungspflichten. Auch wenn der Winterdienst durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft oder ein extern beauftragtes Unternehmen organisiert wird, bleibt der Vermieter rechtlich in der Verantwortung, sicherzustellen, dass seine gesetzlichen und vertraglichen Pflichten gegenüber dem Mieter erfüllt werden.
Rechtliche Grundlagen und Pflichtenverteilung
Die Entscheidung beruht auf den Vorschriften der Paragraphen 241, 280, 278 und 535 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. § 241 verpflichtet die Vertragsparteien, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils zu nehmen. Aus § 535 ergibt sich die Pflicht des Vermieters, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Wird diese Pflicht verletzt, begründet § 280 die Möglichkeit des Schadensersatzes, sofern den Vermieter ein Verschulden trifft. § 278 erweitert die Verantwortlichkeit auf das Verhalten von Personen, deren sich der Vermieter zur Erfüllung seiner Pflichten bedient. Diese sogenannten Erfüllungsgehilfen sind all jene, die im Auftrag des Vermieters tätig werden, etwa Hausmeisterdienste oder externe Dienstleister, die den Winterdienst übernehmen.
Vor diesem Hintergrund betonte der Bundesgerichtshof, dass es keine Rolle spielt, ob der Vermieter alleiniger Eigentümer oder lediglich Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist. Seine Verpflichtung gegenüber dem Mieter bleibt bestehen. Eine vertragliche Abwälzung der Räum- und Streupflicht auf den Mieter selbst muss ausdrücklich und eindeutig im Mietvertrag geregelt sein. Fehlt eine solche Vereinbarung, bleibt der Vermieter in der Pflicht, die sichere Benutzbarkeit der Wege zu gewährleisten.
Praktische Bedeutung für Vermieter und Eigentümergemeinschaften
Für kleine und mittelständische Eigentümer, die einzelne Wohnungen in Mehrparteienhäusern vermieten, ist dieses Urteil von erheblicher praktischer Bedeutung. Es verdeutlicht, dass das Vertrauen auf die ordnungsgemäße Durchführung des Winterdienstes durch die Eigentümergemeinschaft oder ein beauftragtes Unternehmen nicht ausreicht. Der Vermieter muss vielmehr kontrollieren, ob die vereinbarten Pflichten auch tatsächlich erfüllt werden. Versäumnisse in der Kontrolle können ihm als Verletzung der Überwachungspflicht zugerechnet werden, was im Schadensfall zur Haftung führt.
Gerade für kleinere Vermietende, die oft nur ein oder zwei Wohneinheiten besitzen, ist die Organisation der Verkehrssicherungspflichten eine Herausforderung. Sie sollten prüfen, ob entsprechende Kontrollen des Winterdiensts dokumentiert werden, um im Streitfall Nachweise erbringen zu können. Für Unternehmen mit größeren Immobilienbeständen oder Wohnungsbaugesellschaften empfiehlt sich die Einrichtung eines standardisierten Prüf- und Berichtssystems. Hierdurch kann sichergestellt werden, dass Räum- und Streupflichten nicht nur formal übertragen, sondern auch tatsächlich überwacht und nachgehalten werden.
Diese Pflicht trifft auch gewerblich tätige Vermieter, etwa Gesundheits- oder Pflegeeinrichtungen, die Wohnraum an Mitarbeitende vermieten. Auch sie unterliegen der Haftung, wenn durch mangelnde Sicherung Wege gefährlich werden. Damit gewinnt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs weit über klassische private Mietverhältnisse hinaus Bedeutung, insbesondere für alle, die Räume im Rahmen von Unternehmensstrukturen vermieten.
Fazit und Handlungsempfehlung
Das Urteil des Bundesgerichtshofs führt zu einer Stärkung der mietvertraglichen Sorgfaltspflichten. Vermieterinnen und Vermieter sollten ihre bestehenden Verträge prüfen und darauf achten, welche Verpflichtungen ihnen im Rahmen der Verkehrssicherung zugewiesen sind. Wer seine Pflichten auf Dritte überträgt, muss sicherstellen, dass diese ihre Aufgaben zuverlässig erfüllen. Unterlässt der Vermieter die Kontrolle, kann er für Versäumnisse der beauftragten Dienstleister haften. Eine klare und nachvollziehbare Dokumentation von Überprüfungen und Kontrollmaßnahmen gewinnt somit erheblich an Bedeutung.
Die Entscheidung wirft ein Schlaglicht auf ein Grundprinzip des Zivilrechts: Pflichten aus einem Schuldverhältnis sind nicht allein formaler Natur, sondern dienen dem Schutz der Vertragspartner. Dass der Bundesgerichtshof hier einheitliche Maßstäbe für alle Mietverhältnisse setzt, trägt zu Rechtssicherheit und Fairness bei. Eigentümerinnen und Eigentümer sollten daher ihre Prozesse für Winterdienst und Verkehrssicherungspflichten überprüfen und im Zweifel rechtlich oder organisatorisch nachbessern, um Haftungsrisiken zu vermeiden.
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