Haftungsrisiken durch verletzte Verkehrssicherungspflichten
Unternehmen, die auf Baustellen tätig sind oder mit der Einrichtung temporärer Verkehrseinrichtungen betraut werden, müssen ihre Verkehrssicherungspflichten sehr ernst nehmen. Der Begriff der Verkehrssicherungspflicht beschreibt die rechtliche Verpflichtung, im Rahmen des Zumutbaren dafür Sorge zu tragen, dass Dritte nicht durch eine vom eigenen Verantwortungsbereich ausgehende Gefahrenquelle geschädigt werden. Diese Pflicht trifft grundsätzlich denjenigen, der die Herrschaft über die Gefahrenquelle hat und die Möglichkeit besitzt, die notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Das Amtsgericht München bekräftigte dies mit einem Urteil vom 16. Januar 2025 (Az. 223 C 19279/24), in dem ein Baulogistikdienstleister wegen eines umgestürzten Verkehrsschilds zum Schadensersatz verurteilt wurde.
Die richterliche Begründung zeigt deutlich, welche praktischen Anforderungen an Unternehmen gestellt werden, die im öffentlichen Raum auf eigene Verantwortung handeln. Die Verkehrssicherungspflicht ist nicht nur eine abstrakte Pflicht, sondern ein konkreter Prüfauftrag, der insbesondere die Beachtung der technischen und organisatorischen Voraussetzungen umfasst. Insbesondere Bauunternehmen und Baulogistikdienstleister müssen sich bewusst sein, dass die Verantwortlichkeit nicht mit dem Aufstellen von Verkehrseinrichtungen endet, sondern deren Kontrolle und Wartung einschließt.
Was das Urteil für Unternehmen bedeutet
Im konkreten Fall hatte der Baulogistikdienstleister ein mobiles Verkehrsschild auf einem Grünstreifen an einer Münchener Straße aufgestellt. Als dieses umstürzte und ein geparktes Firmenfahrzeug beschädigte, stellte das Gericht fest, dass die Beklagte die alleinige Zuständigkeit für den Zustand des Schildes trug. Das Verkehrsschild war mit Aufklebern der Beklagten gekennzeichnet, weshalb es ihrem Verantwortungsbereich zweifelsfrei zugeordnet wurde. Die Beweisführung zeigte, dass die Standsicherheitsanforderungen bereits zum Zeitpunkt des Aufstellens nicht erfüllt worden waren oder aufgrund mangelnder Nachkontrolle im Verlauf aufgehoben wurden. Damit war die Gefahrenquelle beherrschbar und hätte durch einfache Überprüfung beseitigt werden können.
Die juristische Argumentation des Amtsgerichts stützt sich auf den allgemein anerkannten Grundsatz, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, auch dafür Sorge tragen muss, dass daraus keine Schäden entstehen. Die Pflicht zur Kontrolle besteht fortlaufend, denn äußere Einflüsse wie Witterung oder Fremdeinwirkungen können jederzeit zu einer Verschlechterung des Zustands führen. Für kleine und mittelständische Unternehmen, die ähnliche Aufgaben übernehmen, ist das Urteil ein deutlicher Hinweis darauf, dass fehlende organisatorische Routine in der Überwachung von Baustellensicherungssystemen zu haftungsrechtlich relevanten Versäumnissen führen kann.
Praktische Konsequenzen für Bauunternehmen und Logistikdienstleister
Für die Praxis bedeutet dieses Urteil, dass Unternehmen bereits bei der Planung ihrer Baustellenlogistik klare Verantwortlichkeiten definieren sollten. Es reicht nicht aus, Verkehrsschilder oder Absperrungen fachgerecht zu montieren – sie müssen regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Ein funktionierendes Kontrollsystem, dokumentierte Prüfintervalle sowie klare Zuständigkeiten bilden die Grundlage, um Haftungsfälle zu vermeiden. Dabei ist den Betrieben anzuraten, interne Checklisten zu führen, die jeweils den Zeitpunkt, die verantwortliche Person und das Ergebnis der Überprüfung festhalten. Werden diese Punkte konsequent umgesetzt, kann im Streitfall nachgewiesen werden, dass die erforderliche Sorgfalt eingehalten wurde.
Auch das Verhältnis zu Auftraggebern und Subunternehmen spielt eine entscheidende Rolle. In komplexen Baustellenstrukturen können Verantwortlichkeiten leicht verschwimmen. Umso wichtiger ist eine eindeutige vertragliche Regelung, wer welche Verkehrseinrichtungen aufstellt, kontrolliert und gegebenenfalls ersetzt. Gerade kleinere Unternehmen, die Aufträge im öffentlichen Raum ausführen, sollten sich ihrer rechtlichen Position bewusst sein: Enthält der Vertrag keine klaren Regelungen, kann im Schadensfall die rechtliche Verantwortung allein beim ausführenden Betrieb liegen. Ein weiterer Aspekt betrifft die Versicherung: Unternehmer sollten prüfen, ob ihre Betriebshaftpflichtversicherung Schadensfälle dieser Art abdeckt und welche Nachweise im Schadenfall vorzulegen sind.
Fazit: Rechtssicherheit durch klare Prozesse und regelmäßige Kontrolle
Das Urteil des Amtsgerichts München unterstreicht einmal mehr, dass die Verkehrssicherungspflicht keine bloße Formalität ist, sondern ein Kernbestandteil der betrieblichen Verantwortung. Wer Anlagen, Geräte oder Einrichtungen im öffentlichen Raum nutzt oder aufstellt, trägt eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Die Verantwortung endet nicht bei der Installation, sondern umfasst auch die fortlaufende Überwachung der Betriebssicherheit. Für Baulogistikdienstleister, Bauunternehmungen oder Handwerksbetriebe bedeutet dies, dass organisatorisch verankerte Prüfroutinen erhebliche rechtliche und finanzielle Risiken vermeiden können. Die Abläufe sollten so gestaltet sein, dass etwaige Gefahrenquellen zeitnah erkannt und beseitigt werden, bevor Schäden entstehen.
Unternehmen, die proaktiv ihre Prozesse im Bereich Arbeitssicherheit und Haftungsvermeidung digital unterstützen, profitieren nicht nur von rechtlicher Sicherheit, sondern auch von Effizienzgewinnen. Wir betreuen kleine und mittelständische Unternehmen bei der Optimierung ihrer Buchhaltungsprozesse und der digitalen Transformation. Durch die Einführung effizienter Kontroll- und Dokumentationssysteme lassen sich erhebliche Kosten senken und Haftungsrisiken nachhaltig minimieren. Unsere Erfahrung in der Prozessoptimierung und Digitalisierung zeigt, dass rechtssichere Dokumentation und modern strukturierte Prozesse Hand in Hand gehen.
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