Betriebliche Abfindung von Pensionszusagen – neue Maßstäbe für Unternehmen
Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 17. September 2025 (VIII R 17/23) eine für die Praxis bedeutende Klärung zur Abgrenzung zwischen betrieblicher Veranlassung und verdeckter Gewinnausschüttung getroffen. Im Zentrum stand die Frage, ob die Abfindung einer Pensionszusage an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne von § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes zu werten ist. Die Entscheidung konkretisiert die bisherige Rechtsprechung und bestätigt, dass eine Abfindung aus betrieblichen Gründen steuerlich unbedenklich sein kann, sofern sie der wirtschaftlichen Absicherung des Unternehmens dient. Für Kapitalgesellschaften aller Größen, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, ist diese Einordnung von hoher Relevanz, da sie unmittelbare Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung und Bilanzierung hat.
Im entschiedenen Fall hatte ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die sich in einer wirtschaftlichen Krise befand, auf seine Pensionsanwartschaft verzichtet und hierfür eine Abfindung erhalten. Die Finanzverwaltung sah darin eine verdeckte Gewinnausschüttung, da ein fremder Dritter einen solchen Vertrag nicht geschlossen hätte. Der Bundesfinanzhof bestätigte dagegen die Entscheidung des Finanzgerichts Münster, dass die Abfindung durch betriebliche Erwägungen veranlasst war. Sie diente der Liquiditätssicherung und stellte Teil eines Sanierungskonzepts dar, das geeignet war, die drohende Zahlungsunfähigkeit der GmbH abzuwenden. Entscheidend war letztlich die Feststellung, dass kein Vermögen von der Gesellschaft in das Privatvermögen des Gesellschafters verlagert wurde, sondern dass vielmehr eine Reduktion der laufenden Belastungen des Unternehmens erzielt wurde.
Abgrenzungskriterien zwischen betrieblicher Veranlassung und verdeckter Gewinnausschüttung
Der Bundesfinanzhof bekräftigte den doppelten Fremdvergleich als Prüfungsmaßstab. Danach muss sowohl aus der Sicht der Kapitalgesellschaft als auch aus der Perspektive des begünstigten Gesellschafters geprüft werden, ob die Abfindung einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter beziehungsweise einem unbeteiligten Dritten zugemutet worden wäre. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nur dann vor, wenn die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis begründet ist und ein fremder Dritter einer vergleichbaren Vereinbarung nicht zugestimmt hätte. Dieser doppelte Prüfungsmaßstab gewährleistet eine sachgerechte Abwägung zwischen unternehmerischer Entscheidungsfreiheit und steuerlicher Gleichbehandlung.
Im vorliegenden Fall sah der Bundesfinanzhof die Würdigung des Finanzgerichts als rechtlich zutreffend an. Die Abfindung der Pensionszusage war Teil eines Maßnahmenpakets zur finanziellen Stabilisierung des Unternehmens. Sie konnte daher nicht als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewertet werden. Der Gerichtshof wies ausdrücklich darauf hin, dass eine Abfindung auch dann betrieblich veranlasst sein kann, wenn alternative Maßnahmen theoretisch möglich gewesen wären. Maßgeblich sei, dass die gewählte Vorgehensweise wirtschaftlich sinnvoll und klar vertraglich geregelt war. Ein weiterer zentraler Punkt war die Einhaltung des sogenannten formellen Fremdvergleichs, also die eindeutige, im Voraus getroffene und tatsächlich umgesetzte Vereinbarung. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann ausgeschlossen werden, dass eine verdeckte Vermögenszuwendung vorliegt.
Konkrete Bedeutung für Unternehmen, Pflegeeinrichtungen und Onlinehändler
Für kleine und mittelständische Unternehmen, etwa GmbHs im Bereich Handel, Pflege oder Gesundheit, verdeutlicht die Entscheidung, dass eine betriebliche Abfindung von Versorgungszusagen steuerlich anerkannt werden kann, sofern sie auf nachvollziehbaren, wirtschaftlichen Gründen beruht. Gerade in Krisenzeiten, wenn Liquiditätssicherung Vorrang hat, können solche Gestaltungen ein wichtiges Sanierungsinstrument darstellen. Entscheidend ist, dass die Abfindung auf einer echten wirtschaftlichen Motivation beruht und nicht als Ersatz für eine Gewinnausschüttung dient. Unternehmen sollten dabei besondere Sorgfalt auf die Dokumentation der Entscheidungsprozesse legen, da diese im Rahmen einer Betriebsprüfung maßgeblich sind.
Auch im Gesundheitswesen und bei Pflegeeinrichtungen, wo Pensionszusagen Teil langfristiger Personalpolitik sind, schafft das Urteil Klarheit. Wird eine Einrichtung durch wirtschaftliche Belastungen oder strukturelle Veränderungen gezwungen, bestehende Versorgungsverpflichtungen neu zu ordnen, kann eine Abfindung unter engen Voraussetzungen legitim sein. Onlinehändler oder technologieorientierte Betriebe wiederum sollten prüfen, ob die in der Vergangenheit gewährten Versorgungszusagen mit der aktuellen wirtschaftlichen Realität übereinstimmen. Eine geordnete Anpassung kann zur Stabilisierung der Kapitalstruktur beitragen, sofern sie fremdüblich vereinbart wird. Ebenso profitieren Steuerberatende, die für mittelständische Mandanten tätig sind, von der präzisierten Rechtsprechung, da sie Gestaltungsmöglichkeiten und Risiken nun besser einschätzen können.
Für Finanzinstitutionen, die Unternehmen begleiten, ergeben sich ebenfalls Konsequenzen. Die Beurteilung, ob eine Kapitalgesellschaft insolvenzgefährdet ist und ob Maßnahmen zur Liquiditätserhaltung steuerlich akzeptabel sind, wird künftig auch anhand dieser Grundsätze erfolgen. Das bedeutet, dass Kreditentscheidungen und Sanierungsbegleitungen juristisch wie steuerlich abgestimmter geplant werden müssen. Entscheidend bleibt, dass eine betriebliche Veranlassung — etwa zur Sicherung der Unternehmensfortführung — stets plausibel nachgewiesen werden kann. Gerade in komplexen Eigentümerstrukturen wird der Nachweis der Fremdüblichkeit ein zentrales Prüfkriterium, um spätere steuerliche Belastungen zu vermeiden.
Steuerliche Einordnung und Handlungsempfehlung
Die Entscheidung grenzt sich ausdrücklich von früheren Urteilen ab, die sogenannte Spontanabfindungen als gesellschaftsveranlasst eingestuft hatten. Anders als im Fall aus dem Jahr 2013 erkennt der Bundesfinanzhof nun an, dass der betriebliche Zweck – insbesondere eine drohende Insolvenz oder eine nachhaltige wirtschaftliche Schieflage – Vorrang haben kann. Maßgeblich ist die betriebliche Notwendigkeit und die klare vertragliche Dokumentation der Abfindung. Unternehmen sollten daher, bevor sie Pensionsverpflichtungen abfinden oder abändern, eine fundierte rechtliche und steuerliche Prüfung vornehmen und eine schriftliche Begründung dokumentieren. Dadurch lassen sich spätere Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung vermeiden und steuerliche Risiken minimieren. Ebenso empfiehlt es sich, Dritte in die Bewertung einzubeziehen, beispielsweise durch Gutachten oder beurkundete Gesellschafterbeschlüsse, welche die unternehmerische Motivation verdeutlichen.
Fazit: Die Entscheidung stärkt die Handlungsspielräume von Kapitalgesellschaften, die unternehmerische Maßnahmen zur Liquiditätssicherung ergreifen müssen. Sie schafft Rechtssicherheit in einem bisher umstrittenen Bereich und eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten, wenn betriebliche Erwägungen im Vordergrund stehen. Für kleine und mittlere Unternehmen, Pflegeeinrichtungen und Onlinehändler ist sie ein wichtiger Leitfaden, um Pensionszusagen steuerlich korrekt zu gestalten. Unsere Kanzlei unterstützt Unternehmen jeder Größe bei der digitalen Prozessoptimierung der Buchhaltung und bei der Einführung effizienter, rechtssicherer Abläufe, die zu deutlichen Kosteneinsparungen und einer nachhaltigen Steueroptimierung führen.
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