Hintergrund der Neuregelung zur Vaterschaftsanfechtung
Die Vaterschaftsanfechtung betrifft die rechtliche Möglichkeit, bestehende familiäre Strukturen zu hinterfragen und neu zu ordnen. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2024 (Az. 1 BvR 2017/21) wurde die damalige Regelung für verfassungswidrig erklärt. Im Kern stand der Vorwurf, dass leibliche Väter systematisch benachteiligt wurden. Sie konnten bislang eine rechtliche Vaterschaft nur äußerst eingeschränkt anfechten, insbesondere wenn bereits eine sogenannte sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und einem anderen rechtlichen Vater bestand. Als sozial-familiäre Beziehung gilt ein tatsächlich gelebtes Verhältnis, das vom Gesetz besonders geschützt ist. Das Gericht sah hierin jedoch einen Verstoß gegen das Grundrecht der Eltern aus Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Mit dieser Entscheidung öffnete sich der Gesetzgeber gezwungenermaßen der Aufgabe, das Ungleichgewicht zwischen biologischer und rechtlicher Vaterschaft auszugleichen. Im Mittelpunkt steht nun die verfassungsrechtliche Vorgabe, leiblichen Vätern unter bestimmten Umständen eine zweite Chance auf rechtliche Anerkennung zu geben.
Kerninhalte des neuen Gesetzentwurfs
Das Bundesministerium der Justiz reagierte im Sommer 2025 mit einem Referentenentwurf, der das bislang geltende System im Bürgerlichen Gesetzbuch anpassen soll. Ziel ist es, ein Abwägungssystem einzuführen, das sowohl die Interessen des Kindes als auch die des leiblichen Vaters berücksichtigt. Zentral ist dabei die Möglichkeit, eine bestehende Vaterschaft anzufechten, wenn die sozial-familiäre Bindung zum bisherigen rechtlichen Vater wegfällt. Damit wird der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer zweiten Chance des biologischen Vaters Rechnung getragen.
Darüber hinaus enthält der Entwurf mehrere begleitende Neuerungen: Während eines laufenden Verfahrens zur Feststellung der Vaterschaft eines Mannes soll eine Anerkennung durch einen weiteren Beteiligten gesperrt sein. Ebenso wird es erleichtert, dass der leibliche Vater die Vaterschaft anerkennen darf, wenn alle Beteiligten, also auch der bisherige rechtliche Vater, zustimmen. Zudem wird die Rolle des Kindes gestärkt, etwa durch Mitsprachemöglichkeiten bei Anerkennungserklärungen.
Schließlich will der Gesetzgeber sogenannte „Sperrvaterschaften“ unattraktiver machen. Darunter versteht man Konstellationen, in denen ein Mann allein zum Zwecke der Blockade eine Vaterschaft anerkennt, um den leiblichen Vater von seiner rechtlichen Anerkennung auszuschließen. Ziel ist es, ein Auseinanderfallen von leiblicher und rechtlicher Vaterschaft auf Dauer zu vermeiden und Verfahren deutlich zu entschlacken.
Praktische Auswirkungen und bestehende Kritikpunkte
Die Bundesrechtsanwaltskammer hat den Entwurf grundsätzlich positiv bewertet und insbesondere hervorgehoben, dass im Falle einer erfolgreichen Anfechtung die Vaterschaft des leiblichen Vaters unmittelbar festgestellt wird. Dies schafft Rechtssicherheit und verhindert weitere Verzögerungen, die für alle Beteiligten, insbesondere für Kinder, belastend sein könnten.
Dennoch äußerte die Kammer auch gewichtige Bedenken. Unklar sei bislang, unter welchen genauen Voraussetzungen eine sozial-familiäre Beziehung als weggefallen gilt. Hier bestehe die Gefahr erheblicher Auslegungsschwierigkeiten, die wiederum Rechtsunsicherheit und Missbrauchsrisiken erzeugen könnten. Auch die Frage, ob Verfahren gehemmt oder wieder aufgenommen werden, sei bisher nicht exakt definiert. Ein besonders praxisrelevanter Punkt ist die vorgesehene Ausweitung der sogenannten Dreier-Erklärung, bei der bisheriger rechtlicher Vater, leiblicher Vater und Mutter gemeinsam eine Anerkennung herbeiführen können. Ohne Fristbindung könnte dies zu Rückwirkungen und möglichen finanziellen Belastungen führen, etwa bei Unterhaltsansprüchen. Daher wird angeregt, diese Erklärung auf einen Zeitraum von zwei Jahren zu begrenzen.
Fazit und Bedeutung für die Praxis
Die Neuregelung der Vaterschaftsanfechtung markiert einen bedeutenden Schritt hin zu einer verfassungsgemäßen Ausgestaltung familiärer Rechtsverhältnisse. Für die Praxis eröffnet sie neue Möglichkeiten, birgt aber auch Unsicherheiten. Es bleibt abzuwarten, in welcher Form der Gesetzgeber die Kritikpunkte aufnimmt und wie sich dies in der gerichtlichen Praxis etablieren wird. Mit klareren Definitionen und engeren Fristen ließe sich das Risiko komplexer, langwieriger Verfahren deutlich verringern. Unternehmensunabhängig zeigt dieses Beispiel, wie wichtig rechtssichere Prozesse und eindeutige Regelungen für alle Beteiligten sind, um Planungssicherheit und Verlässlichkeit zu schaffen.
Als Kanzlei unterstützen wir kleine und mittelständische Unternehmen dabei, durch Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung erhebliche Kosten zu sparen. Unsere langjährige Erfahrung mit der Automatisierung von Abläufen macht uns zu einem starken Partner für Unternehmen, die ihre internen Strukturen modern und effizient gestalten möchten.
Gerichtsentscheidung lesen