Neuregelungen der Unterhaltsleitlinien in Nordrhein-Westfalen ab 2026
Zum 1. Januar 2026 sind die überarbeiteten unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate der Oberlandesgerichte Düsseldorf, Hamm und Köln in Kraft getreten. Diese sogenannten Leitlinien dienen der Orientierung in Unterhaltssachen und sollen eine möglichst einheitliche Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen fördern. Während sie keine Gesetzeskraft besitzen, entfalten sie in der gerichtlichen Praxis eine erhebliche Bedeutung, da sie aufzeigen, nach welchen Maßstäben Einkommen, Selbstbehalt und Unterhaltsbedarf regelmäßig zu bestimmen sind. Grundlage bildet weiterhin die bundesweit abgestimmte Struktur, die auch der bekannten Düsseldorfer Tabelle zugrunde liegt. Diese wurde zuletzt im November 2025 an die aktuelle Rechtsentwicklung angepasst.
Besonderes Augenmerk der neuen Fassung liegt auf dem Verwandtenunterhalt – insbesondere auf Ansprüchen von Eltern gegenüber ihren Kindern sowie von Enkeln gegenüber Großeltern. Anlass der Änderungen war die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23. Oktober 2024 (Az. XII ZB 6/24), in dem der maßgebliche Selbstbehalt bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt nochmals konkretisiert wurde.
Selbstbehalt und Eigenbedarf in der neuen Systematik
Der sogenannte Selbstbehalt bezeichnet jenen Betrag, der dem Unterhaltspflichtigen zur Sicherung seiner eigenen Lebensführung verbleiben muss. Dieser Betrag stellt sicher, dass die Verpflichtung zur Unterhaltszahlung nicht zur eigenen Bedürftigkeit führt. Nach den neuen Leitlinien beträgt der angemessene Selbstbehalt bei Elternunterhalt mindestens 2.650 Euro. Darüber hinaus dürfen 70 Prozent des über diesen Betrag hinausgehenden Einkommens anrechnungsfrei bleiben. Damit wird eine deutliche Verbesserung der finanziellen Eigenverantwortung des Pflichtigen erreicht.
Auch bei den Unterhaltspflichten gegenüber Enkeln wurde eine Anpassung vorgenommen. Der Selbstbehalt für Großeltern liegt ebenfalls bei mindestens 2.650 Euro, wobei die Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens unberücksichtigt bleibt. Diese Regelung sorgt für mehr Berechenbarkeit und verhindert, dass ältere Generationen unangemessen stark in Anspruch genommen werden. Gleichzeitig wird damit eine Angleichung an die bundesweit geltende Linie erreicht, wie sie in der Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien anderer Oberlandesgerichte bereits etabliert ist.
Konsequenzen für Familien und soziale Träger
Besonders praxisrelevant sind die neuen Bestimmungen zum Übergang von Unterhaltsansprüchen auf den Sozialhilfeträger. Nach dem Sozialgesetzbuch kann der Anspruch eines bedürftigen Elternteils auf den zuständigen Träger übergehen, wenn dieser Sozialleistungen gewährt. Die neuen Erläuterungen in den Leitlinien schaffen hier Klarheit und geben Gerichten wie auch Verwaltungsträgern eine nachvollziehbare Grundlage für ihre Entscheidungen.
Für Familien bedeutet dies konkret, dass Vermögens- und Einkommensverhältnisse nun stärker systematisch zu prüfen sind, wenn der Sozialhilfeträger Regress nimmt. Insbesondere für pflegebedürftige Eltern, deren Kinder wirtschaftlich selbstständig sind, ergeben sich daraus klare Leitlinien über die Zumutbarkeit finanzieller Beteiligung. Für die Praxis in Pflegeeinrichtungen und bei privaten Pflegediensten, die zunehmend auch betriebswirtschaftlich beraten werden, schafft diese Neugestaltung mehr Sicherheit in der Kommunikation mit Angehörigen und Kostenträgern.
Ebenfalls präzisiert wurde der Mindestbedarf der Ehegatten des Unterhaltspflichtigen. Lebt der Ehepartner mit diesem zusammen, wird der Bedarf mit 2.120 Euro bemessen. Leben die Ehepartner getrennt oder geschieden, beträgt der Betrag 2.650 Euro. Diese Zahlen erhöhen die Transparenz und erleichtern auch Steuerberatenden und finanziell beratenden Kanzleien die Berechnung der verfügbaren Mittel bei Vermögens- und Einkommensplanungen.
Praktische Hinweise für die Umsetzung in der Beratungspraxis
Für Steuerberatende, Unternehmensjuristen und Finanzplanerinnen sind die neuen Leitlinien von großer Bedeutung. Zum einen verdeutlichen sie die Schnittstellen zwischen Zivilrecht und Sozialrecht, da im Falle einer Inanspruchnahme durch Sozialhilfeträger häufig auch steuerliche Auswirkungen berücksichtigt werden müssen. Zum anderen gewinnen die unterhaltsrechtlichen Selbstbehaltsgrenzen in der Beratung von Familienunternehmen an Relevanz, wenn es um die Gestaltung von Vermögensübertragungen oder die Nachfolgeplanung geht.
Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen sollte die Geschäftsführung die familiären Haftungs- und Unterhaltsrisiken im Auge behalten. Wenn etwa Betriebsinhaber im Ruhestand auf Pflege angewiesen sind und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch beziehen, können Kinder unter Umständen herangezogen werden. In diesen Fällen ist eine saubere Dokumentation von Einkommensflüssen und Vermögensstruktur entscheidend. Hier entsteht eine Schnittstelle zwischen familiärer Verpflichtung und unternehmerischer Risikoabsicherung, die durch steuerliche Beratung effektiv gestaltet werden kann.
Die überarbeiteten Leitlinien ermöglichen zudem eine präzisere Einschätzung, wie Unterhaltszahlungen steuerlich einzuordnen und gegebenenfalls abzugsfähig sind. Durch die klaren Selbstbehaltsgrenzen wird der Nachweis einer möglichen unzumutbaren Belastung erleichtert, was insbesondere bei der Geltendmachung außergewöhnlicher Belastungen gegenüber den Finanzbehörden relevant wird.
Fazit: Mehr Orientierung und Planungssicherheit für Unternehmen und Familien
Die Neuregelungen der Unterhaltsleitlinien NRW 2026 schaffen einheitlichere Strukturen und reduzieren die Unsicherheiten in Unterhaltsverfahren deutlich. Für betroffene Familien, Unternehmen sowie deren beratende Institutionen entsteht dadurch eine verlässlichere Grundlage für die wirtschaftliche Planung. Besonders für pflegende Angehörige und selbstständige Kinder, die neben familiären Verpflichtungen auch betriebliche Verantwortung tragen, ist die verbesserte Berechnungsbasis ein wichtiger Schritt zu mehr Fairness und Transparenz.
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