Keine Sonderabschreibung bei Ersatzneubau – BFH-Präzisierung zur Wohnraumförderung
Mit seiner Entscheidung vom 12. August 2025, Aktenzeichen IX R 24/24, hat der Bundesfinanzhof eine wichtige Klarstellung zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus nach § 7b des Einkommensteuergesetzes getroffen. Das Gericht entschied, dass der Abriss eines bestehenden Wohngebäudes und der anschließende Neubau auf demselben Grundstück nicht zur Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung berechtigt, wenn durch die Maßnahme kein zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird. Diese Auslegung betrifft nicht nur private Vermieter, sondern auch zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen, insbesondere im Bereich der Wohnungswirtschaft, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser mit Personalwohnungen und gewerbliche Vermieter von Betriebswohnungen. Sie verdeutlicht, dass die steuerliche Begünstigung allein auf die tatsächliche Ausweitung des Wohnungsbestands abzielt, nicht jedoch auf dessen qualitative Erneuerung.
§ 7b Einkommensteuergesetz erlaubt Sonderabschreibungen bis zu 5% jährlich, wenn im Zuge des Bauvorhabens eine neue, bisher nicht vorhandene Wohnung geschaffen wird. Ziel dieser Vorschrift ist es, durch Steueranreize die Schaffung zusätzlichen Wohnraums zu fördern, insbesondere in angespannten Wohnungsmärkten. Nicht umfasst sind hingegen Sanierungen, Umbauten oder Ersetzungen bestehender Gebäude, auch wenn dabei moderne oder energieeffizientere Wohneinheiten entstehen. Dieses Verständnis stützt der Bundesfinanzhof nun ausdrücklich – und weist damit zahlreiche bisherige Auslegungsversuche der Praxis zurecht, die diese Grenze weiter gezogen sehen wollten.
Gesetzesauslegung und Begründung des Bundesfinanzhofs – rechtliche Tragweite
Die Entscheidung des IX. Senats ruht auf einer präzisen Auslegung des Tatbestandsmerkmals „neue, bisher nicht vorhandene Wohnung“ im Sinne von § 7b Absatz 2 Nummer 1 Einkommensteuergesetz. Nach Auffassung des Gerichts ist der Begriff nicht rein sprachlich, sondern teleologisch, also nach Sinn und Zweck der Norm auszulegen. Das bedeutet, dass die steuerliche Förderung nur dann gewährt werden darf, wenn die Baumaßnahme zu einer Vermehrung des Wohnungsbestands führt. In dem entschiedenen Fall wurde ein älteres Einfamilienhaus abgerissen und unmittelbar ein neues errichtet, das dieselbe Nutzung erfüllte. Die Wohnungsanzahl blieb gleich. Damit fehle der für den Förderzweck notwendige Zuwachs.
Der Bundesfinanzhof betonte, die steuerliche Vergünstigung nach § 7b Einkommensteuergesetz sei Teil der Wohnraumoffensive des Gesetzgebers, die gezielt darauf gerichtet sei, neue Mietwohnungen im unteren und mittleren Preissegment zu schaffen. Bei einem Ersatzbau ohne Nettoneuzugang könne dieser politische Zweck nicht erreicht werden. Zudem stellt das Gericht klar, dass technische oder qualitative Verbesserungen – etwa durch energetische Sanierungen, Schaffung barrierefreien Wohnraums oder Flächenerweiterungen im Bestand – nicht ausreichen, um die Begünstigung auszulösen. Diese Maßnahmen bleiben wirtschaftlich sinnvoll und steuerlich relevant, fallen aber nicht unter den Fördertatbestand.
Abgrenzung zu anderen Regelungen
Besonders bedeutsam ist die Abgrenzung zu den Vorschriften der Stadterneuerung und des Denkmalschutzes nach § 7h Einkommensteuergesetz. Während dort Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen in bestimmten Gebieten steuerlich gefördert werden, stellt § 7b ausschließlich auf die tatsächliche Neuerrichtung bislang fehlender Wohnungen ab. Auch der Abzug von Abrisskosten oder deren Zurechnung zu Herstellungskosten nach ständiger Rechtsprechung wird von dieser Entscheidung nicht tangiert. Die Entscheidung bekräftigt vielmehr die Selbstständigkeit und Eigenfunktion des § 7b Einkommensteuergesetz als Instrument der Wohnraumschaffung.
Praxisrelevanz für Unternehmen, Bauträger und Pflegeeinrichtungen
Für Eigentümer, die Bestandsobjekte durch Neubauten ersetzen, hat die Entscheidung erhebliche praktische Bedeutung. Unternehmerische Vermieter, Wohnungsgenossenschaften und insbesondere Träger von Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern, die für Personal oder Patienten zusätzliche Wohnungen errichten wollen, müssen künftig genau prüfen, ob ihre Baumaßnahmen wirklich zu einer Erhöhung des Wohnungsbestands führen. Wird lediglich ein Altbau ersetzt, entfällt die Möglichkeit, Sonderabschreibungen nach § 7b Einkommensteuergesetz geltend zu machen. Das gilt auch für Onlinehändler oder Dienstleistungsunternehmen, die Mietwohnungen für Mitarbeitende an stark nachgefragten Standorten erstellen.
Die Entscheidung schafft Rechtsklarheit, verlangt in der Praxis jedoch eine differenzierte Betrachtung jedes Projekts. Ein Ersatzbau kann nur dann begünstigt sein, wenn er zusätzlich neue Wohneinheiten schafft – etwa durch Aufstockung, Anbau oder Umnutzung bisher nicht zu Wohnzwecken genutzter Flächen. Maßgeblich ist der objektive Vergleich vor und nach der Baumaßnahme. Steuerberatende und Finanzverantwortliche in Unternehmen sollten deshalb frühzeitig prüfen, ob Planungen und Bauanträge bereits im zeitlichen Zusammenhang mit einem Abriss stehen. Ist dies der Fall, wird regelmäßig die Einheitlichkeit der Maßnahme angenommen, sodass kein selbstständiger Neubau entsteht. Relevant wird dies besonders in Fällen, in denen betriebliche oder soziale Verpflichtungen kurzfristige Ersatzbauten erfordern, etwa Pflegeeinrichtungen mit durchgehender Betriebspflicht.
Für mittelständische Unternehmen bedeutet das Urteil, dass wirtschaftlich sinnvolle Neubauprojekte steuerlich sorgfältig vorbereitet werden müssen. Wer Förderungen aus § 7b Einkommensteuergesetz beanspruchen will, sollte planerisch möglichst eine Wohnraumerweiterung – nicht lediglich eine Erneuerung – umsetzen. Gerade im Bereich betrieblich genutzter Immobilien und bei Investitionsentscheidungen in Personalwohnungen kann dieser Unterschied einen entscheidenden finanziellen Effekt haben. In der Praxis kann der zusätzliche Wohnungsbestand auch durch bauliche Verdichtung oder Aufteilung größerer Einheiten erreicht werden. Entscheidend ist, dass die Zahl der nach dem Bewertungsgesetz maßgeblichen Wohnungen tatsächlich steigt.
Ausblick und Handlungsempfehlung für die Steuerplanung
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs bietet klare Orientierung: Steuerliche Förderung nach § 7b Einkommensteuergesetz gibt es nur für echten, zusätzlichen Wohnraum. Für Unternehmen, die an einem Standort Ersatzbauten planen, bedeutet das eine frühzeitige Abklärung der Fördervoraussetzungen und eine enge Abstimmung mit Fachplanenden und Steuerberatenden. Zugleich unterstreicht das Urteil den politischen Charakter der Vorschrift: Ziel bleibt die Schaffung neuen, bezahlbaren Wohnraums – nicht die bloße Modernisierung. Für Unternehmen, Bauherren und institutionelle Vermieter empfiehlt sich eine strukturierte Projektplanung, um zu vermeiden, dass steuerliche Vorteile durch falsche Antrags- und Bauabfolgen verloren gehen.
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