Haftung und Schmerzensgeld im Lichte der aktuellen Rechtsprechung
Die zivilrechtliche Haftung beruht im Kern auf der Regelung des Paragrafen 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Danach ist jede Person, die vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem Geschädigten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Diese Norm bildet die Grundlage für Schmerzensgeldansprüche, die insbesondere den immateriellen Schaden, also die Verletzung körperlicher Unversehrtheit und seelisches Leid, ausgleichen sollen.
Im Juli 2023 hatte das Landgericht Flensburg in einem vielbeachteten Fall über einen Streit am Strand von Wyk auf Föhr zu entscheiden. Das Urteil vom 13.07.2023 (Az. 5 O 5/22) verdeutlicht die Abgrenzung zwischen einer gerechtfertigten Handlung zur Verteidigung und einer widerrechtlichen Körperverletzung. Ein Mann hatte im Zuge einer Auseinandersetzung um einen Volleyball eine 82-jährige Frau derart gestoßen, dass sie sich eine schwere Beckenringfraktur zuzog. Das Gericht sprach der Geschädigten ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro sowie die Erstattung der Behandlungskosten zu. Ausschlaggebend war, dass das Verhalten des Mannes nicht als erforderlich und auch nicht als Notwehr anerkannt wurde.
Die wesentlichen Begründungslinien des Gerichts
Die Entscheidung zeigt sehr klar, wie die Gerichte im Bereich der deliktischen Haftung argumentieren. Zunächst wurde geprüft, ob objektiv eine Körperverletzung vorlag. Hier war unstreitig eine erhebliche Verletzung eingetreten. Im zweiten Schritt war maßgeblich, ob der Handlung ein Rechtfertigungsgrund zukam, etwa die Notwehr gemäß Paragraf 227 Bürgerliches Gesetzbuch. Notwehr setzt voraus, dass ein gegenwärtiger Angriff abgewehrt und das Mittel der Verteidigung erforderlich sowie angemessen ist. Das Gericht stellte fest, dass weder ein Angriff durch die Frau vorlag, noch das Stoßen erforderlich war, um die Situation zu entschärfen oder den Ball an sich zu nehmen. Entscheidend war vielmehr, dass es mildere Mittel gegeben hätte, sodass das Verhalten als überschießend und rechtswidrig bewertet wurde.
Für Unternehmen und Institutionen wie Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser oder auch Hotels mit Freizeiteinrichtungen ist dieses Urteil von Bedeutung, da es aufzeigt, wie schnell aus einer alltäglichen Konfliktsituation ein erheblicher Haftungsfall entstehen kann. Der Fall unterstreicht, dass im Zivilrecht die Auslegung von Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit eine zentrale Rolle spielt. Juristisch spricht man hier vom Abwägungsgrundsatz, bei dem die Interessen der Beteiligten gegeneinander gestellt werden.
Praktische Relevanz für Unternehmen und Einrichtungen
Für Arbeitgeber, Betreiber von Freizeitanlagen oder Pflegeeinrichtungen ist die Frage der Haftung ein wesentlicher Risikofaktor. Konflikte zwischen Besuchern, Bewohnern oder Gästen können jederzeit eskalieren. Auch wenn es auf den ersten Blick um vermeintliche Bagatellen geht, können die Konsequenzen gravierend sein. Das Zivilrecht bietet Geschädigten weitreichende Ersatzansprüche, die neben den rein finanziellen Positionen wie Behandlungskosten auch immaterielle Schäden umfassen. Gerade ältere Personen oder Menschen mit Vorerkrankungen sind in Konfliktsituationen einem hohen Risiko von Verletzungen ausgesetzt, was potenziell sehr hohe Schmerzensgeldansprüche nach sich zieht.
Unternehmen und Träger von Einrichtungen sollten sich daher bewusst machen, dass eine präventive Organisation von Abläufen entscheidend ist. Dazu gehört ein professionelles Konfliktmanagement, geschultes Personal und klare Vorgaben, wie in kritischen Situationen deeskaliert wird. Versicherungsschutz über Haftpflichtpolicen kann das finanzielle Risiko zwar abfedern, entbindet aber nicht von der Verantwortung, für sichere Rahmenbedingungen zu sorgen. Für kleine und mittelständische Unternehmen bedeutet das, Datenschutzverpflichtungen und Haftungsfragen ebenso ernst zu nehmen wie ihre buchhalterischen Pflichten.
Fazit und Handlungsempfehlung
Das Urteil des Landgerichts Flensburg verdeutlicht, dass Schmerzensgeldansprüche nicht nur bei schwerwiegenden, geplanten Angriffen anfallen, sondern auch aus einer vermeintlich alltäglichen Situation entstehen können. Für Betreiber von Einrichtungen mit Publikumsverkehr oder für Arbeitgeber im Umgang mit potenziell konfliktträchtigen Situationen ergeben sich daraus klare Handlungsnotwendigkeiten. Eine sorgfältige Organisation, Prävention und Umsicht im betrieblichen Alltag sind nicht nur Fragen der Sicherheit, sondern auch ein Instrument der Risikominimierung.
Als Kanzlei, die kleine und mittelständische Unternehmen betreut, richten wir unser Augenmerk auf die Optimierung von Prozessen und die konsequente Nutzung digitaler Lösungen. Unsere Erfahrung zeigt, dass durch strukturierte Abläufe und die Digitalisierung der Buchhaltung nicht nur rechtliche Risiken beherrschbarer werden, sondern auch erhebliche Kostenersparnisse entstehen können. Wir begleiten Unternehmen verschiedenster Branchen bei diesen Schritten und schaffen so einen klaren Mehrwert in Effizienz und Rechtssicherheit.
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