Neue Maßstäbe zur Steuerbefreiung von Zuwendungen nach §13 ErbStG
Mit Urteil vom 30. Juli 2025 (Az. II R 12/24) hat der Bundesfinanzhof wichtige Grundsätze zur Steuerbefreiung von Zuwendungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 15 und Nr. 17 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) formuliert. Die Entscheidung betrifft die steuerliche Behandlung von Schenkungen an Stiftungen, deren Zwecke teilweise öffentlich-rechtlich motiviert sind. Sie hat unmittelbare Relevanz für Unternehmen und Institutionen, die gemeinwohlorientierte Projekte unterstützen, insbesondere wenn sie Kooperationen mit staatlich initiierten Stiftungen planen. Im entschiedenen Fall erhielt eine vom Land Mecklenburg‑Vorpommern gegründete privatrechtliche Stiftung erhebliche Zuwendungen einer Aktiengesellschaft zur Förderung von Klima‑, Natur‑ und Gewässerschutzmaßnahmen. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer fest, da die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht erfüllt seien. Der BFH bestätigte diese Sichtweise und lehnte die Steuerfreiheit ab.
Damit bekräftigt der BFH eine strenge Auslegung der Ausschließlichkeitsanforderung des § 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG. Nur wenn eine Zuwendung uneingeschränkt Zwecken des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde dient, ist sie steuerbefreit. Ebenso setzt die Befreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG voraus, dass die empfangende Organisation ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolgt. Die Entscheidung verdeutlicht, dass sowohl der Wortlaut der Satzung als auch deren praktische Ausgestaltung maßgeblich sind und spätere tatsächliche Verwendungen der Mittel keine Heilung herbeiführen.
Rechtliche Bewertung und Argumentationslinie des BFH
Der Bundesfinanzhof stellt den Ausschließlichkeitsgrundsatz in den Mittelpunkt seiner Begründung. Danach reicht eine teilweise oder überwiegend gemeinwohlorientierte Zweckverfolgung nicht aus. Die Satzung der Stiftung müsse eine eindeutige, ausnahmslose Bindung der Mittel an öffentliche Aufgaben erkennen lassen. Bereits Öffnungsklauseln oder Formulierungen wie „insbesondere“ oder „nach Möglichkeit“ rechtfertigten den Ausschluss der Steuerfreiheit. Diese formale Betrachtungsweise folgt dem sogenannten Stichtagsprinzip des § 9 ErbStG, wonach allein der Zeitpunkt der Zuwendung maßgeblich ist. Eine nachträgliche Prüfung oder Korrektur aufgrund späterer tatsächlicher Verwendung der Mittel ist rechtlich ausgeschlossen.
Nach der Systematik des ErbStG sind Schenkungen grundsätzlich steuerpflichtig. Die Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 15 und Nr. 17 bilden eng begrenzte Ausnahmen. Der BFH betont, dass nur solche Organisationen in den Genuss steuerlicher Privilegien kommen, deren Satzung zweifelsfrei auf die ausschließliche Förderung öffentlicher oder steuerbegünstigter Zwecke ausgerichtet ist. Entscheidend ist nicht die Selbstwahrnehmung oder politische Einbindung der Stiftung, sondern die objektive Satzungslage.
Zur Verdeutlichung der dogmatischen Konsequenzen führt der BFH aus, dass Satzungsbestimmungen, die Zweckänderungen, Zusammenlegungen oder Vermögensübertragungen nach Auflösung offenlassen, eine steuerliche Begünstigung ausschließen. Hintergrund ist der Gedanke, dass der Fiskus im Zuwendungszeitpunkt eine objektiv überprüfbare Sicherung der Mittelverwendung verlangen darf. Dies dient der Missbrauchsvermeidung und der steuerlichen Gleichbehandlung privater und öffentlicher Stiftungen. Juristisch gesehen stützt sich diese Linie auf die anerkannten Grundsätze der Abgabenordnung, insbesondere auf den Rechtsgedanken der §§ 51 ff., die die materiellen Anforderungen an steuerbegünstigte Zwecke konkretisieren.
Die Entscheidung bringt damit eine klare Abgrenzung zwischen gemeinnützigen Körperschaften und gemischtwirtschaftlichen Stiftungen. Auch wenn die Stiftung im konkreten Fall unter staatlicher Mitwirkung errichtet und durch Regierungsorgane besetzt worden war, überwog der privatrechtliche Charakter. Für die Befreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG kommt es nach Ansicht des Gerichts gerade nicht darauf an, wer die Stiftung gegründet hat, sondern ob deren Zwecke vollständig mit den öffentlichen Aufgaben identisch sind.
Auswirkungen auf Unternehmen, Stiftungen und institutionelle Spender
Für kleine und mittelständische Unternehmen ebenso wie für steuerberatende Kanzleien, Banken und Stiftungen eröffnet diese Entscheidung einen klaren Orientierungsrahmen. Corporate-Social-Responsibility-Programme, Kooperationen mit Umwelt‑ oder Sozialstiftungen und Zustiftungen an gemeinnützige Einrichtungen sollten künftig sorgfältig geprüft werden. Ein wesentliches Risiko liegt in der Annahme, dass die bloße Verbindung mit landes- oder kommunalnahen Einrichtungen automatisch zu einer Steuerbefreiung führt. Diese Annahme ist nach der neuen Rechtsprechung nicht mehr haltbar.
Gerade in Sektoren wie Gesundheitswesen, Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern, die häufig mit Stiftungen zur Förderung gemeinwohlbezogener Zwecke zusammenarbeiten, ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Erfolgt eine Zuwendung an eine Stiftung, deren Satzung eine wirtschaftliche Betätigung zulässt oder deren Mittelverwendung nicht eindeutig zweckgebunden ist, droht Schenkungsteuer. Ebenso sollten Onlinehändler und technologieorientierte Unternehmen, die Umwelt- oder Bildungsprojekte fördern, ihre Fördervereinbarungen prüfen. Bereits geringfügige Satzungsunsicherheiten oder Nachlassklauseln können den steuerlichen Status gefährden.
Für staatlich initiierte Stiftungen gilt künftig, dass sie bei Spendenakquise auf klar formulierte und restriktiv ausgelegte Zweckbestimmungen achten müssen. Auch die Verwaltungspraxis der Finanzämter wird sich an dieser engen BFH-Interpretation orientieren. In der Beratungspraxis ist daher zu empfehlen, Zuwendungsvereinbarungen exakt an den Satzungsinhalt zu knüpfen und eine ständige Kontrolle der formalen Gemeinnützigkeit sicherzustellen. Transparenz in der Mittelverwendung ersetzt keine eindeutige Satzung, bleibt aber aus haftungsrechtlicher Sicht erforderlich.
Unternehmen, die im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie öffentlich-rechtliche Stiftungen unterstützen, sollten interne Compliance-Strukturen erweitern. Steuerberatende sollten Mandantinnen und Mandanten frühzeitig auf die juristische Trennlinie zwischen tatsächlicher Mittelverwendung und satzungsmäßiger Zweckverfolgung hinweisen. Nur Letztere ist für die Steuerfreiheit relevant. Eine Anpassung bestehender Satzungen kann sinnvoll sein, um künftig Steuerpflichten zu vermeiden und gleichzeitig die gewünschte gesellschaftliche Wirkung zu sichern.
Bewertung und Handlungsempfehlung für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs setzt ein deutliches Signal für höhere formale Anforderungen an Zuwendungen mit Gemeinwohlbezug. Für Unternehmerinnen und Unternehmer bedeutet dies, dass der steuerliche Gestaltungsspielraum bei Spenden und Zustiftungen enger geworden ist. Wer in Umwelt-, Bildungs‑ oder Sozialprojekte investiert, muss prüfen, ob die Empfängerorganisation den Ausschließlichkeitsgrundsatz strukturell erfüllt. Bei Zweifeln ist die Steuerpflicht wahrscheinlich, selbst wenn die Verwendung der Mittel faktisch gemeinwohlkonform ist.
Empfehlenswert ist eine präventive juristische und steuerliche Prüfung der Satzungen potenzieller Empfänger. Hierbei geht es nicht nur um formale Kriterien, sondern auch um die Frage, ob Zweckänderungsklauseln oder wirtschaftliche Nebentätigkeiten die Ausschließlichkeit unterlaufen könnten. Eine enge Abstimmung zwischen Stiftern, Rechtsberatung und Steuerberatung ist erforderlich, um spätere Nachforderungen durch die Finanzverwaltung zu vermeiden.
Für Finanzinstitutionen, die treuhänderische Stiftungsmodelle betreuen, bietet das Urteil ebenfalls wichtige Impulse. Die Abgrenzung zwischen gemeinnütziger Zweckbindung und wirtschaftlicher Tätigkeit ist bei Fonds- oder Stiftungsstrukturen künftig klarer zu überwachen. Die Entscheidung erhöht damit auch die Anforderungen an die Compliance-Prüfung im Rahmen von Förderprojekten.
Abschließend lässt sich festhalten: Die neue BFH-Rechtsprechung betont die Bedeutung präziser Satzungsformulierungen und schafft mehr Rechtssicherheit durch klare Kriterien. Allerdings verlangt sie von Unternehmen und Non-Profit-Organisationen ein höheres Maß an rechtlicher Disziplin. Nur eine eindeutig zweckgebundene Satzung gewährleistet Steuerbefreiung.
Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser sowie Onlinehändler bei der rechtssicheren Gestaltung ihrer Prozesse, insbesondere in der digitalen Buchhaltung und bei der steueroptimierten Abwicklung von Zuwendungen. Durch unsere Spezialisierung auf Prozessoptimierung und Digitalisierung helfen wir Mandanten, Compliance-Anforderungen effizient zu erfüllen und nachhaltige Kostenersparnisse zu realisieren.
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