Rechtlicher Hintergrund und Bedeutung des Schaumweinsteueraussetzungsverfahrens
Die Schaumweinsteuer ist eine spezielle Verbrauchsteuer, die auf die Herstellung und den Vertrieb von schäumenden Weinen erhoben wird. Ihre Erhebung erfolgt nach den Vorschriften des Verbrauchsteuerrechts, einem Teilbereich des Abgabenrechts, der den Umgang mit sogenannten verbrauchsteuerpflichtigen Waren wie Alkohol, Energieerzeugnissen oder Tabakwaren regelt. Unternehmen, die Schaumwein im europäischen Binnenmarkt befördern, können dies unter einer sogenannten Steueraussetzung durchführen. Dabei wird die Steuer nicht sofort fällig, sondern die Ware darf steuerfrei zwischen Steuerlagern in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union transportiert werden. Erst bei Entnahme aus dem Steuerlager oder unrechtmäßiger Verwendung entsteht die Steuerpflicht. Dieses Verfahren dient dem Schutz des europäischen Binnenmarktes und gewährleistet zugleich die ordnungsgemäße Erhebung der Steuern durch die Zollverwaltungen.
Um sicherzustellen, dass die Steuer im Falle von Unregelmäßigkeiten tatsächlich entrichtet wird, verlangen die Hauptzollämter von den beteiligten Unternehmen eine Sicherheitsleistung. Diese Sicherheit soll die potenzielle Steuerschuld absichern, falls beispielsweise der Transportweg unterbrochen oder die beförderte Ware verloren geht. Bislang wurde vielfach angenommen, dass die Sicherheitsleistung exakt in Höhe der möglichen Steuer festzusetzen und zu leisten sei, damit ein Steueraussetzungsverfahren wirksam eröffnet werden kann. Dieses Verständnis hat der Bundesfinanzhof in einer aktuellen Entscheidung nun korrigiert.
Entscheidung des Bundesfinanzhofs und Kernaussagen
Mit Urteil vom 24. Juni 2025 (Az. VII R 33/22) hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass eine Sicherheitsleistung, die nicht die volle Höhe der theoretisch entstehenden Schaumweinsteuer abdeckt, der Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens nicht entgegensteht. Im konkreten Fall hatte eine Versenderin Schaumwein aus ihrem Steuerlager in Deutschland in ein Steuerlager innerhalb eines anderen EU-Mitgliedstaates befördert. Sie hatte zuvor eine vom Hauptzollamt festgesetzte Barsicherheit erbracht, deren Höhe jedoch geringer war als die potenziell entstehende Steuer. Trotz dieser Differenz eröffnete die Versenderin das Steueraussetzungsverfahren elektronisch und führte die Beförderung durch. Das Hauptzollamt ging später davon aus, dass das Verfahren aufgrund der unvollständigen Sicherheitsleistung unwirksam sei und setzte daher Schaumweinsteuer in Höhe der Differenz fest.
Das Finanzgericht gab der Klage gegen diesen Steuerbescheid statt, und der Bundesfinanzhof bestätigte diese Entscheidung. Nach Auffassung des Gerichts ist die Erbringung einer Sicherheit in voller Höhe der möglichen Steuer nicht konstitutiv, also nicht zwingend erforderlich, um ein Steueraussetzungsverfahren wirksam zu eröffnen. Entscheidend sei vielmehr, dass überhaupt eine angemessene Sicherheitsleistung besteht, die als ausreichend betrachtet werden kann, um die Risiken des Transports abzusichern. Das Gericht betonte, dass der Gesetzgeber keine Verpflichtung normiert hat, wonach die Sicherheit exakt der möglichen Steuerforderung entsprechen muss. Dieses Urteil stärkt die Rechtssicherheit und reduziert die finanzielle Belastung von Unternehmen, die regelmäßig verbrauchsteuerpflichtige Waren innerhalb der Europäischen Union transportieren.
Auswirkungen für die Praxis von Unternehmen und Zollbeteiligten
Für Unternehmen, insbesondere für kleinere und mittelständische Betriebe im Bereich des Getränkehandels oder für Produzenten von Schaumwein, hat die Entscheidung erhebliche Bedeutung. Sie können künftig davon ausgehen, dass Steueraussetzungsverfahren nicht allein deshalb ungültig sind, weil die hinterlegte Sicherheitsleistung die theoretisch mögliche Steuerhöhe nicht vollständig abdeckt. Entscheidend ist, dass die vom Hauptzollamt akzeptierte Sicherheit angemessen ist und dass die übrigen Voraussetzungen für die Durchführung eines Steueraussetzungsverfahrens erfüllt sind. Dazu gehört insbesondere die elektronische Eröffnung des Verfahrens über das Excise Movement and Control System (EMCS), das die Beförderungen verbrauchsteuerpflichtiger Waren innerhalb der Europäischen Union dokumentiert und überwacht.
Gleichzeitig unterstreicht die Entscheidung die Notwendigkeit sorgfältiger Risikoabwägungen. Unternehmen sollten ihre logistischen Prozesse und internen Kontrollsysteme darauf ausrichten, dass alle Meldungen und Sicherheitsleistungen dokumentiert und nachvollziehbar sind. Ein unzureichendes Sicherheitskonzept kann in Einzelfällen weiterhin zu Steuerforderungen führen, wenn beispielsweise ein Fehlverhalten oder eine Pflichtverletzung vorliegt. Dennoch wird die bisherige Praxis vieler Hauptzollämter, Sicherheitsleistungen übervorsichtig und damit liquiditätsbelastend zu bemessen, durch das Urteil auf eine neue Grundlage gestellt. Finanzielle Spielräume, insbesondere für kleinere Betriebe mit geringer Kapitalbindung, können damit besser genutzt werden.
Fazit und Handlungsempfehlungen für den Mittelstand
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs schafft Klarheit in einem Bereich, der für viele exportorientierte Getränkebetriebe, aber auch für Logistikdienstleister im Bereich verbrauchsteuerpflichtiger Waren von hoher praktischer Relevanz ist. Eine vollständige Deckung der möglichen Steuer durch die Sicherheitsleistung ist nicht zwingend notwendig, um ein gültiges Steueraussetzungsverfahren zu eröffnen. Damit bekräftigt das höchste deutsche Finanzgericht, dass die gesetzlichen Anforderungen praxisgerecht auszulegen sind und nicht zu übermäßigen bürokratischen oder finanziellen Belastungen führen dürfen. Unternehmen, die regelmäßig Steueraussetzungsverfahren nutzen, sollten dennoch ihre Vereinbarungen mit den Zollbehörden überprüfen, um sicherzustellen, dass die Vorgehensweisen mit der neuen Rechtslage im Einklang stehen.
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