Sanierungserträge richtig behandeln: Hintergrund und Bedeutung der neuen Rechtsprechung
Mit seinem Beschluss vom 26. August 2025 (Az. IV B 4/25) hat der Bundesfinanzhof eine praxisrelevante Entscheidung zur Aussetzung von Gewinnfeststellungsverfahren im Zusammenhang mit Sanierungserträgen getroffen. Kernpunkt ist die Frage, in welchem Verhältnis der Antrag auf Feststellung eines steuerfreien Sanierungsertrags nach § 3a Einkommensteuergesetz und die gesonderte Gewinnfeststellung stehen. Die Entscheidung konkretisiert die rechtliche Behandlung von Sanierungsgewinnen, die häufig bei finanzwirtschaftlich belasteten Betrieben entstehen – etwa durch Schuldenerlasse, Rangrücktritte oder Restrukturierungsvergleiche.
Für viele kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere aus dem Mittelstand, der Pflegebranche oder dem Einzelhandel, bildet diese Thematik ein wichtiges Element der steuerlichen Krisenbewältigung. Denn ein Sanierungsertrag entsteht dann, wenn Gläubiger auf Forderungen verzichten, um ein Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren. Nach § 3a Einkommensteuergesetz kann dieser Ertrag steuerfrei gestellt werden, sofern die Voraussetzungen einer nachhaltigen Sanierung erfüllt sind. Das Bundesfinanzgericht hatte in dem zugrunde liegenden Fall über die richtige zeitliche Reihenfolge solcher Verfahren zu entscheiden – also, ob ein Gewinnfeststellungsverfahren fortgeführt werden darf, bevor über die Höhe des steuerfreien Sanierungsertrags entschieden ist.
Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, dass ein Gewinnfeststellungsverfahren nach § 74 Finanzgerichtsordnung auszusetzen ist, bis über die Feststellung des steuerfreien Sanierungsertrags entschieden wurde. Diese Auslegung betont die Bedeutung der verfahrensrechtlichen Reihenfolge und stärkt damit die steuerliche Rechtssicherheit der betroffenen Betriebe.
Rechtliche Bewertung und Einordnung der Entscheidung
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs stützt sich auf eine präzise Auslegung der Finanzgerichtsordnung und der Abgabenordnung. Nach § 74 Finanzgerichtsordnung ist ein Verfahren auszusetzen, wenn das Ergebnis von einem anderen anhängigen Verfahren abhängig ist. In diesem Fall hing die Gewinnfeststellung von der Entscheidung über die Höhe des steuerfreien Sanierungsertrags ab, der wiederum in einem eigenständigen Verwaltungsakt nach § 3a Absatz 4 Einkommensteuergesetz festzustellen ist. Dieser Feststellungsbescheid bildet als sogenannter Grundlagenbescheid nach § 171 Absatz 10 Abgabenordnung die verbindliche Rechtsgrundlage für den späteren Gewinnfeststellungsbescheid, der die Einkünfte der Mitunternehmerschaft definiert.
Der Bundesfinanzhof hob dabei hervor, dass der Feststellungsbescheid zum Sanierungsertrag eine vorgelagerte, eigenständige Entscheidung der Finanzverwaltung darstellt. Das Finanzgericht hätte daher das Verfahren zur Gewinnfeststellung nicht fortsetzen dürfen, bevor über den Sanierungsertrag rechtskräftig entschieden war. Andernfalls droht die Gefahr widersprüchlicher Ergebnisse zwischen Grundlagen- und Folgebescheid. Der verfahrensrechtliche Grundsatz der Einheitlichkeit der Besteuerungsgrundlagen wäre verletzt. Diese Klarstellung ist insbesondere für steuerliche Beraterinnen und Berater, die Unternehmen durch Sanierungsprozesse begleiten, von großer Bedeutung. Sie bietet Orientierung, in welcher Reihenfolge steuerliche Anträge zu stellen und Verfahren zu führen sind, um spätere Korrekturen und langwierige Einsprüche zu vermeiden.
Die Entscheidung verdeutlicht auch die enge Verzahnung zwischen materieller Steuerrechtsanwendung und Verfahrensrecht. Steuerfreiheit nach § 3a Einkommensteuergesetz tritt nicht automatisch ein, sondern bedarf einer eigenständigen Feststellung durch die Finanzverwaltung. Erst danach kann der steuerpflichtige Gewinn korrekt festgestellt werden. Der Bundesfinanzhof betont damit das Prinzip der Rechtsschutzklarheit, wonach jede steuerliche Feststellung nur auf zuvor rechtsverbindlich festgestellten Grundlagen beruhen darf.
Folgen und Handlungsempfehlungen für kleine und mittelständische Unternehmen
Die Entscheidung hat weitreichende praktische Konsequenzen für betroffene Betriebe, steuerberatende Kanzleien und Kreditinstitute. Gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Sanierungsmaßnahmen einleiten, ist eine korrekte Verfahrensplanung entscheidend. Wird der Antrag auf steuerfreie Behandlung des Sanierungsertrags nach § 3a Einkommensteuergesetz gestellt, sollte damit gerechnet werden, dass das Finanzamt das parallele Gewinnfeststellungsverfahren zunächst ruhen lässt. Eine vorschnelle Gewinnfeststellung birgt das Risiko einer unzutreffenden steuerlichen Erfassung von Sanierungsgewinnen und kann zu erheblichen Nachteilen führen.
Für Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser oder andere Unternehmen mit hoher Fremdfinanzierung kann dies von besonderer Relevanz sein, da dort häufig Umstrukturierungen und Schuldenerlasse Teil langfristiger Finanzstrategien sind. Ebenso betrifft die Entscheidung Onlinehändler oder Produktionsbetriebe, deren Geschäftsmodell stark von externen Finanzierungen abhängig ist. Sie sollten frühzeitig klären, welche Auswirkungen die neue Rechtsprechung auf ihre Bilanzierung und Steuerplanung hat. Beraterinnen und Berater sind gut beraten, betroffene Mandanten rechtzeitig über die Möglichkeit der Aussetzung nach § 74 Finanzgerichtsordnung aufzuklären und den zeitlichen Ablauf der Verfahren engmaschig zu koordinieren.
In der Praxis empfiehlt es sich, eingereichte Anträge auf Feststellung des Sanierungsertrags mit einer ausführlichen Begründung und entsprechenden Nachweisen zur nachhaltigen Sanierung zu untermauern. Damit wird das Risiko einer Ablehnung durch die Finanzverwaltung verringert. Parallel dazu kann die Buchführung so gestaltet werden, dass eine korrekte Trennung zwischen laufendem Gewinn und Sanierungsertrag gewährleistet ist. Hierin liegt ein erheblicher Vorteil für digitalisierte Buchführungsprozesse, da diese Transparenz und Nachvollziehbarkeit erheblich verbessern.
Fazit: Klare Verfahrensregeln schaffen Planbarkeit bei Sanierungserträgen
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs unterstreicht die Bedeutung der verfahrensrechtlichen Koordination zwischen unterschiedlichen steuerlichen Feststellungsverfahren. Sie stärkt die Rechtssicherheit von Unternehmerinnen und Unternehmern und sorgt dafür, dass Sanierungserträge erst dann in die steuerliche Gewinnermittlung eingehen, wenn ihre Steuerfreiheit verbindlich festgestellt wurde. Damit wird ein wichtiger Beitrag zu einer konsistenten Anwendung des § 3a Einkommensteuergesetz geleistet. Für kleine und mittelständische Unternehmen bedeutet dies mehr Planbarkeit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Wer sich in Umstrukturierungs- oder Krisenphasen befindet, sollte die nun bestätigte Rangfolge der Verfahren genau beachten und mit seiner steuerlichen Beratung eng abstimmen.
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