Hintergrund und Bedeutung der Corona-Soforthilfen
Die Corona-Soforthilfen waren zu Beginn der COVID-19-Pandemie ein wesentlicher Bestandteil staatlicher Unterstützung, um die wirtschaftlichen Folgen des ersten Lockdowns abzufedern. Soloselbständige, kleine und mittlere Unternehmen konnten Zuschüsse beantragen, die als sogenannte Billigkeitsleistungen gewährt wurden. Diese waren nicht rückzahlpflichtig, sofern sie zweckgemäß verwendet wurden. Zweckgebunden war die Soforthilfe auf die Deckung eines sogenannten Liquiditätsengpasses, was bedeutet, dass die laufenden betrieblichen Ausgaben nicht mehr durch die aktuellen Einnahmen gedeckt werden konnten. Viele Unternehmen, darunter Friseurbetriebe, Hotellerie, Gastronomie, Pflegeeinrichtungen und IT-Dienstleister, griffen auf diese Unterstützung zurück.
Mit dem Rückmeldeverfahren, das die Bewilligungsbehörden ab dem Jahr 2021 starteten, begann jedoch ein komplexer juristischer Streit. Denn zahlreiche Unternehmen sahen sich der Forderung gegenüber, die gewährten Mittel vollständig oder teilweise zu erstatten. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat nun in mehreren Musterverfahren klargestellt, unter welchen Voraussetzungen die Rückforderung rechtmäßig ist und wann die Unternehmen die Zuschüsse behalten dürfen.
Rechtsgrundlagen und Auslegung der Förderbedingungen
Die gerichtlichen Entscheidungen beziehen sich im Kern auf die Auslegung von § 49 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes Baden-Württemberg. Danach kann eine gewährte Zuwendung widerrufen werden, wenn sie nicht für den im Bewilligungsbescheid bestimmten Zweck verwendet worden ist. Streitentscheidend war somit, wie der konkrete Verwendungszweck in den jeweiligen Bewilligungsbescheiden zu verstehen war und ob die Empfänger die Mittel im Einklang mit diesem Zweck eingesetzt hatten.
Die Förderbedingungen wurden während der Förderphase mehrfach geändert, was zu erheblicher Rechtsunsicherheit führte. Besonders relevant war der Stichtag des 8. April 2020, an dem eine neue Verwaltungsvorschrift in Kraft trat und die Formulare der Anträge angepasst wurden. Während die ursprüngliche Richtlinie auf den Ausgleich von Umsatzeinbußen abstellte, rückte die spätere Fassung den Liquiditätsengpass in den Mittelpunkt. Diese unterschiedliche Terminologie führte dazu, dass die Gerichte zwischen zwei Fallgruppen differenzierten: Anträge, die vor dem 8. April 2020 gestellt wurden, und solche, die danach eingingen.
Unternehmen der ersten Fallgruppe konnten sich darauf berufen, dass ihre Bewilligungsbescheide keine eindeutige Definition des Verwendungszwecks enthielten und daher eine nachträgliche Rückforderung gegen das Bestimmtheitsgebot verstieß. Bei den späteren Bewilligungen hingegen war der Verwendungszweck konkreter gefasst. In diesen Fällen prüften die Gerichte, ob tatsächlich ein Liquiditätsengpass im maßgeblichen Zeitraum bestand.
Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies mit seinen Urteilen vom 8. Oktober 2025 in den Musterverfahren die Berufungen der L-Bank in den ersten vier Fällen zurück. Die betroffenen Unternehmen – unter anderem ein Friseurbetrieb, ein Hotel, ein IT-Dienstleister und ein Hersteller von Pflegeprodukten – erhielten damit Recht. Der Widerruf und die Rückforderung ihrer Soforthilfen waren rechtswidrig, da in ihren Bewilligungsbescheiden der Verwendungszweck nicht hinreichend klar bestimmt war. Der Begriff des Liquiditätsengpasses sei dort nicht eindeutig erläutert gewesen, sodass eine rückschauende Berechnung von Einnahmen und Ausgaben auf Basis späterer Kontobewegungen keine Grundlage für die Rückforderung bilden konnte.
In den weiteren Verfahren, die Anträge nach dem 8. April 2020 betrafen, fiel die Entscheidung differenzierter aus. Die Berufung eines Fahrschulunternehmens blieb erfolglos, weil das Gericht zu der Überzeugung gelangte, dass hier kein wirklicher Liquiditätsengpass im Bewilligungszeitraum vorlag und die Mittel daher nicht zweckentsprechend verwendet worden waren. Anders urteilten die Richter jedoch im Fall eines Winzers. Dieser konnte durch nachträglich vorgelegte Unterlagen nachweisen, dass sehr wohl ein Liquiditätsengpass bestand. Nach Auffassung des Gerichts dürfen solche Nachweise auch im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens berücksichtigt werden, sofern sie die tatsächliche Situation im Förderzeitraum belegen.
Bemerkenswert ist, dass der Verwaltungsgerichtshof die Revision gegen die Urteile nicht zugelassen hat. Damit bleibt den Beteiligten lediglich die Möglichkeit, eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Angesichts der noch zahlreichen anhängigen Verfahren – über 1.400 Klagen und rund 5.500 Widersprüche – dürfte diese Rechtsprechung richtungsweisend sein.
Praktische Konsequenzen für Unternehmen und Steuerberatung
Für Unternehmen, die Soforthilfe erhalten haben, ist die Entscheidung von erheblicher Bedeutung. Sie verdeutlicht, dass Rückforderungsbescheide nicht pauschal hinzunehmen sind, sondern im Einzelfall gründlich geprüft werden müssen. Entscheidend ist, ob der ursprüngliche Bewilligungsbescheid den Verwendungszweck klar definiert hat und ob die Mittel tatsächlich zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses eingesetzt wurden. Unternehmen, die die Hilfen für Fixkosten wie Miete, Leasingraten oder Betriebsausgaben verwendeten und keine nachweislich ausreichenden Einnahmen hatten, können ihre ursprüngliche Verwendung in vielen Fällen rechtfertigen.
Für Steuerberatende und Kanzleien, die Mandanten bei der Erstellung von Rückmeldeformularen oder im Widerspruchsverfahren begleiten, bleibt die Dokumentation der Mittelverwendung das wichtigste Instrument. Eine sorgfältige Aufstellung der betrieblichen Einnahmen und Ausgaben im Bewilligungszeitraum ist ebenso unerlässlich wie die Vorlage ergänzender Nachweise, etwa Kontoauszüge oder Mietverträge. Besonders kleine Unternehmen und Soloselbstständige sollten darauf achten, dass die Liquiditätsentwicklung sachgerecht und nachvollziehbar dokumentiert ist. Auch die Auslegung unklar formulierter Bewilligungen kann entscheidend sein, da diese häufig nicht die strengen Transparenzanforderungen erfüllen.
In der Praxis zeigt sich, dass die Mehrheit der strittigen Fälle auf fehlerhafte Formulierungen in den Bewilligungsbescheiden zurückzuführen ist. Hieraus folgt, dass nicht jeder Rückforderungsbescheid automatisch rechtmäßig ist. Eine Einzelfallprüfung durch Fachleute kann helfen, unnötige Zahlungen zu vermeiden und Rechtssicherheit zu schaffen.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs schaffen mehr Klarheit im Umgang mit den Corona-Soforthilfen und deren Rückforderung. Sie machen deutlich, dass die Behörden bei der Formulierung von Bewilligungsbescheiden das Bestimmtheitsgebot strikt einhalten müssen. Für Unternehmen, die in den ersten Wochen der Pandemie Hilfen beantragten, kann dies entscheidende Vorteile bringen. Steuerberatende und Finanzverantwortliche sollten aktuelle Entwicklungen genau verfolgen und betroffene Mandanten bei der rechtssicheren Aufbereitung der Unterlagen unterstützen. In Zukunft bleibt zu erwarten, dass die Verwaltungsgerichte die praxisrelevanten Fragen der Zweckbindung und Rückforderung weiter konkretisieren werden. Damit Unternehmen, insbesondere kleine Betriebe und Mittelständler, auf solche behördlichen Anforderungen vorbereitet sind, unterstützen wir sie gezielt bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung ihrer Buchhaltungsabläufe. Unsere Kanzlei begleitet Mandanten verschiedener Branchen bei der effizienten Umsetzung moderner Buchhaltungsprozesse, wodurch sich erhebliche Kostenersparnisse und langfristige Stabilität erreichen lassen.
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