Rückforderungen von Dienstzulagen – rechtliche Maßstäbe und praktische Konsequenzen
Die Frage der Rückforderung bereits ausgezahlter Dienst- oder Funktionszulagen gewinnt zunehmend an Bedeutung, nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern auch in allen Bereichen, in denen leistungsabhängige und zweckgebundene Zahlungen gewährt werden. Das Verwaltungsgericht Koblenz hat mit Urteilen vom 12. September 2025 (Az. 2 K 866/24.KO und 2 K 999/24.KO) betont, dass Rückforderungen nur unter strengen Voraussetzungen möglich sind. Grundlage dieser Entscheidungen war § 12 Absatz 2 Satz 1 des Bundesbesoldungsgesetzes, der die Möglichkeit eröffnet, rechtswidrig gezahlte Bezüge zurückzufordern. Gleichzeitig unterstreichen die Urteile die Bedeutung der Beweislastverteilung sowie der Billigkeitsprüfung bei der Rücknahme solcher Zahlungen.
Im konkreten Fall hatten Soldaten der Bundeswehr während eines Auslandseinsatzes in Mali Zulagen für Sprengstoffentschärfer und Sprengstoffermittler erhalten. Jahre später wurden diese Zahlungen von der zuständigen Behörde überprüft und als unrechtmäßig eingestuft, weil lediglich Routinekontrollen an Fahrzeugen durchgeführt worden seien, die keine zulagenberechtigten Tätigkeiten darstellten. Die Behörde forderte die Zahlungen in erheblichem Umfang zurück – teils vollständig. Das Verwaltungsgericht kam jedoch zu dem Ergebnis, dass diese Rückforderungen rechtswidrig waren.
Die Rolle der Beweislast im Rückforderungsverfahren
Ein zentraler Punkt der Entscheidung war die Frage, wer die Darlegungs- und Beweislast im Rückforderungsverfahren trägt. Das Gericht stellte klar, dass die Behörde, die eine Rückforderung auf § 12 Absatz 2 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz stützt, zweifelsfrei nachweisen muss, dass die Zahlung ohne rechtlichen Grund erfolgt ist. Lässt sich nicht mehr rekonstruieren, welche konkreten Tätigkeiten zur Auszahlung geführt haben, geht diese Unsicherheit zu Lasten der Behörde. Eine bloße Vermutung oder allgemeine Annahme, es habe sich um Routineaufgaben gehandelt, genügt nicht. Diese Argumentation ist für alle Institutionen relevant, die Zulagen, Zuschüsse oder leistungsbezogene Entgelte auszahlen. Auch private Arbeitgeber und öffentliche Auftraggeber sollten sich der Dokumentationspflicht bewusst sein, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass interne Vergütungsprozesse und die Dokumentation besonderer Aufgaben oder Tätigkeiten rechtssicher ausgestaltet sein müssen. Das betrifft auch Projekte, in denen gefährdungsabhängige Zuschläge oder Verantwortungszulagen gezahlt werden. Kann ein Betrieb oder eine Behörde später nicht nachweisen, dass die Zahlung unberechtigt war, entfällt die Grundlage für eine Rückforderung. Gerade im öffentlichen Bereich hat das Urteil somit eine Signalwirkung: Eine ungeklärte Sachlage darf nicht zulasten der empfangenden Person ausgelegt werden.
Billigkeitsprüfung als notwendiger Teil der Rückforderungsentscheidung
Darüber hinaus hob das Gericht hervor, dass eine Rückforderung selbst dann unzulässig sein kann, wenn tatsächlich eine Überzahlung vorlag, sofern eine Billigkeitsentscheidung unterblieben ist. Unter Billigkeit versteht das Gesetz eine wertende Entscheidung über die Zumutbarkeit der Rückzahlung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Der Gedanke des Vertrauensschutzes spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Wenn die begünstigte Person, wie im vorliegenden Fall die Soldaten, davon ausgehen durfte, die Zulage rechtmäßig erhalten zu haben, ist eine Rückforderung oft unbillig. Die Verantwortung der Verwaltung beschränkt sich also nicht darauf, Fehleinschätzungen nachträglich zu korrigieren, sondern umfasst die Pflicht, Folgen solcher Fehlentscheidungen gerecht auszugleichen.
In wirtschaftlicher Hinsicht kann diese Anforderung als Ausdruck des allgemeinen Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben interpretiert werden. Sie schützt das Vertrauen des Empfängers auf die Richtigkeit behördlicher oder unternehmensinterner Entscheidungen. Unternehmen und öffentliche Institutionen sollten deshalb Verfahren implementieren, in denen bereits vor der Anordnung einer Rückforderung eine strukturierte Billigkeitsprüfung durchgeführt wird. Dies reduziert Haftungsrisiken und verhindert langwierige Gerichtsverfahren.
Praxisrelevante Lehren für Unternehmen und Institutionen
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz verdeutlicht mehrere praxisrelevante Punkte. Erstens wird klar, dass eine lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation von Tätigkeiten, Leistungen und Entscheidungsprozessen die beste Grundlage ist, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Zweitens zeigt sich die Bedeutung rechtskonformer Verwaltungsverfahren, auch in Unternehmen, in denen variable Vergütungsformen eingesetzt werden. Insbesondere Mittelständler, kommunale Betriebe, Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser, die häufig komplexe Vergütungsmodelle anwenden, können aus dieser Entscheidung wertvolle Rückschlüsse ziehen. Drittens bietet das Urteil Anlass, interne Prozesse im Hinblick auf die Beweis- und Nachweispflichten zu prüfen. Fehlende Transparenz kann hier nicht nur zu finanziellen Verlusten führen, sondern auch das Vertrauen der Mitarbeitenden beeinträchtigen.
Aus steuerlicher und betriebswirtschaftlicher Perspektive gilt, dass jede Art variabler Vergütung eine klare Grundlage im Arbeits- oder Dienstrecht haben muss. Einmal getroffene Entscheidungen über Zulagen oder Zuschläge dürfen nicht ohne belastbare Begründung rückgängig gemacht werden. Die Organisation ist verpflichtet, Belege und Kommunikationsvorgänge zu sichern, um im Streitfall nachweisen zu können, warum eine Zahlung berechtigt oder unberechtigt war. Gerade für digital aufgestellte Unternehmen stellt dies keine unüberwindbare Herausforderung dar, wenn entsprechende Dateiablagen, HR-Systeme und Kommunikationsprozesse durchdacht digitalisiert und rechtssicher gestaltet sind.
Fazit: Rechtssicherheit durch Dokumentation und klare Prozesse
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz schafft Klarheit über die rechtlichen Anforderungen bei der Rückforderung von Zulagen und vergleichbaren Leistungen. Verantwortliche in Verwaltungen, Unternehmen und Institutionen sollten daraus ableiten, dass sowohl eine umfassende Dokumentation als auch die institutionalisierte Billigkeitsprüfung unverzichtbare Elemente einer rechtssicheren Vergütungsverwaltung sind. Fehlt es an diesen Grundlagen, entsteht ein erhebliches Risiko, dass Rückforderungen gerichtlich aufgehoben werden. Damit wird einmal mehr deutlich, dass rechtssicheres Handeln und transparente Abläufe eng miteinander verbunden sind.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Buchhaltungs- und Verwaltungsprozesse und legt dabei besonderen Wert auf rechtssichere, nachvollziehbare Abläufe. Durch strukturierte Prozessoptimierung und gezielte Automatisierung helfen wir dabei, nicht nur rechtliche Risiken zu minimieren, sondern auch erhebliche Kostenersparnisse zu erzielen.
Gerichtsentscheidung lesen