Rechtlicher Rahmen der Rückforderung von Überbrückungshilfen
Die Corona-Wirtschaftshilfen wie die Überbrückungshilfe III waren für viele Unternehmen eine wichtige finanzielle Stütze, um Umsatzeinbrüche während der pandemiebedingten Einschränkungen abzufedern. Mit dem Auslaufen der Programme und der anschließenden Überprüfung der Fördervoraussetzungen kam es jedoch vermehrt zu Rückforderungsbescheiden der Bewilligungsbehörden. Diese stützen sich auf das allgemeine Verwaltungsrecht, insbesondere auf die Vorschriften über die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte nach Paragraf 48 Verwaltungsverfahrensgesetz. Danach kann eine Förderbehörde eine rechtswidrige Bewilligung aufheben, wenn diese etwa aufgrund unzutreffender Angaben oder geänderter Tatsachen ergangen ist. In der Praxis stellt sich jedoch häufig die Frage, wann eine Bewilligung tatsächlich rechtswidrig war und welche Maßstäbe bei der Beurteilung der sogenannten Coronabedingtheit eines Umsatzeinbruchs gelten.
Der Begriff der Coronabedingtheit beschreibt, ob ein Umsatzrückgang ursächlich auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und die daraus resultierenden staatlichen Schutzmaßnahmen zurückzuführen ist. Gerade in Branchen mit ohnehin volatilen Erlösen, etwa im Profisport, im Einzelhandel oder in der Gastronomie, ist die Abgrenzung zu anderen Ursachen wie Marktschwankungen oder strategischen Geschäftsentscheidungen aber nicht immer eindeutig. Diese Unsicherheiten waren auch Auslöser für ein derzeit vielbeachtetes Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das zu wichtigen Klarstellungen führte.
Neue Klarheit durch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Das Verfahren hatte seine Wurzeln in einer Klage eines Unternehmens, dem das Land Nordrhein-Westfalen rund 1,7 Millionen Euro an Überbrückungshilfen III zurückfordern wollte. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte diese Rückforderung für rechtswidrig erklärt, weil es keine tragfähige Verwaltungspraxis des Landes feststellen konnte, die eine ausschließlich coronabedingte Ursache für Umsatzrückgänge zur Voraussetzung der Bewilligung machte. Im anschließenden Berufungsverfahren (Az. 4 A 1352/25) gab das Oberverwaltungsgericht den Beteiligten einen rechtlichen Hinweis, der weit über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt.
Nach Auffassung des Senats verzichtete die ständige Verwaltungspraxis bei der Bewilligung der Überbrückungshilfe III grundsätzlich auf eine vertiefte Prüfung der Coronabedingtheit. Das bedeutet, dass die Behörden im Regelfall davon ausgingen, dass die Antragsteller die Voraussetzungen zutreffend versicherten. Nur bei konkreten Anhaltspunkten erfolgte eine eingehendere Überprüfung. Damit war eine ausschließliche Coronabedingtheit weder gefordert noch Bestandteil der gewöhnlichen Bewilligungspraxis. Das Gericht stellte somit klar, dass eine Rückforderung, die allein auf der Annahme basiert, die Förderung hätte nur bei ausschließlicher Coronabedingtheit gewährt werden dürfen, auf einem rechtswidrigen Rücknahmegrund beruht. Diese Einschätzung deckt sich mit dem allgemeinen Verwaltungsgrundsatz, wonach eine Behörde ihre Entscheidungen an die bestehende, gelebte Verwaltungspraxis binden muss, sofern diese nicht gegen zwingendes Recht verstößt.
Praktische Auswirkungen für Unternehmen
Für viele Unternehmen, die während der Pandemie Überbrückungshilfen erhalten haben, ist diese Entwicklung von erheblicher praktischer Bedeutung. Rückforderungen betreffen häufig kleine und mittelständische Betriebe, die auf Basis der veröffentlichten Förderrichtlinien und einer plausiblen Selbsterklärung gehandelt haben. Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Bewilligungsstellen bei der Rückforderung von Fördermitteln die seinerzeit angewendete Prüfungspraxis berücksichtigen müssen. Unternehmen können sich daher mit Aussicht auf Erfolg gegen Rückforderungsbescheide zur Wehr setzen, wenn diese auf nachträglich verschärften Auslegungskriterien beruhen.
Besonders relevant ist dies für Betriebe, deren Umsatzrückgänge zwar teilweise, aber nicht ausschließlich pandemiebedingt waren – zum Beispiel für Einzelhändler, deren Filialbetrieb durch Lockdown-Maßnahmen eingeschränkt wurde, die zugleich aber auf strukturelle Marktänderungen reagierten. Entscheidend ist, dass die pandemiebedingte Komponente des Umsatzrückgangs hinreichend dokumentiert und nachvollziehbar war. Die Förderbedingungen sahen keine Pflicht vor, eine vollständige Ausschließlichkeit nachzuweisen. Vielmehr reichte eine glaubhafte Bestätigung, dass die Pandemie zumindest maßgeblich zum Umsatzrückgang beigetragen hat. Damit erhalten Antragstellende und deren steuerliche Berater ein praktikables Argumentationsfundament, um Rücknahmen der Bewilligung sachgerecht zu prüfen und gegebenenfalls rechtlich anzufechten.
Konsequenzen und Handlungsempfehlungen für die Praxis
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts deutet auf einen Paradigmenwechsel in der Verwaltungspraxis hin. Rückforderungsverfahren müssen künftig differenzierter betrachtet werden – sowohl vonseiten der Behörden als auch der betroffenen Unternehmen. In Fällen, in denen eine gemischte Ursache für Umsatzeinbrüche vorliegt, ist die rechtliche Beurteilung stets eine Frage des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob die pandemiebedingte Ursache ausschlaggebend oder zumindest erheblich war. Unternehmen sollten deshalb ihre Unterlagen aus der Förderzeit sorgfältig dokumentiert halten, insbesondere Umsatzvergleiche, betriebliche Einschränkungen oder behördliche Anordnungen. Diese Informationen können im Nachhinein entscheidend sein, um die Coronabedingtheit nachzuweisen und unberechtigte Rückforderungsansprüche abzuwehren.
Für Beraterinnen und Berater eröffnet sich hier die Möglichkeit, ihre Mandanten aktiv bei der Aufbereitung der Förderhistorie zu unterstützen. Gerade weil sich die Rechtslage dynamisch entwickelt, kann eine vorausschauende Dokumentation die Grundlage für den Erhalt der Fördermittel sichern. Zudem empfiehlt sich in offenen Verfahren frühzeitig das Gespräch mit der Bewilligungsbehörde, um Missverständnisse über die Ursachen der Umsatzrückgänge auszuräumen und einvernehmliche Lösungen zu finden – etwa durch Teilvergleiche oder Anpassungen auf Basis veränderter Angaben. Die vom Gericht angeregte gütliche Lösung zeigt, dass in vielen Fällen ein pragmatischer Ansatz gegenüber langwierigen Streitverfahren vorzuziehen ist.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die jüngste Rechtsprechung die Position der Unternehmen deutlich stärkt. Fördermittelempfänger sollten jedoch sorgfältig prüfen, ob ihr individuelles Verfahren unter ähnliche Voraussetzungen fällt. Die Rückforderung kann weiterhin rechtmäßig sein, wenn nachträgliche Korrekturen von Umsatzdaten belegen, dass wesentliche Teile des Umsatzrückgangs unabhängig von der Pandemie entstanden sind. Somit bleibt eine genaue Analyse jedes Einzelfalls unerlässlich.
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