Vertragspflichten und Risikoaufklärung im Kosmetikgewerbe
Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 3. Oktober 2025 (Az. 191 C 11493/25) eine Entscheidung getroffen, die weit über den kosmetischen Einzelfall hinausweist. Es stellte klar, dass Anbietende von kosmetischen Leistungen ihre Kundinnen und Kunden bereits vor Vertragsabschluss umfassend über gesundheitliche Risiken informieren müssen. Dies gilt insbesondere, wenn die angebotene Behandlung in den Körper eingreift oder gesundheitliche Beeinträchtigungen möglich sind. Wird eine solche Aufklärung unterlassen, kann dies ein Rücktrittsrecht vom Vertrag begründen und den Anspruch auf Vergütung entfallen lassen.
Rechtlich stützt sich die Entscheidung auf die Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Diese Vorschrift verpflichtet Vertragsparteien, die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der jeweils anderen Seite zu wahren. Bei kosmetischen Leistungen bedeutet dies konkret, dass vor Vertragsschluss über Risiken aufgeklärt werden muss, sobald sie für die Behandlung relevant sind und über ein bloßes Alltagsrisiko hinausgehen.
Bedeutung für kosmetische Dienstleistende und Kleinunternehmen
Für Unternehmen im Bereich der Körperpflege, insbesondere Studios für Permanent Make Up, Tattoo- oder Kosmetikbehandlungen, hat das Urteil unmittelbare Relevanz. Die Branche ist häufig von persönlicher Nähe, schnellen Buchungsvorgängen über Onlineplattformen und pauschalen Terminvereinbarungen geprägt. Gerade in diesen Fällen darf die Aufklärung über mögliche Risiken nicht erst am Behandlungstag erfolgen. Erfolgt sie verspätet, ist der Vertrag rechtlich anfechtbar oder sogar unwirksam, da Kundinnen und Kunden erst nachträglich in die Lage versetzt werden, eine informierte Entscheidung zu treffen.
Die Entscheidung verdeutlicht zudem, dass digital vermittelte Dienstleistungen den gleichen rechtlichen Maßstäben unterliegen wie persönliche Vertragsabschlüsse. Auch Onlinebuchungen über Plattformen verpflichten Anbietende, alle entscheidenden Informationen vor der Zahlung bereitzustellen. Damit sind kosmetische Kleinunternehmen gefordert, ihre Buchungsabläufe und Geschäftsbedingungen zu überprüfen. Wo Kundinnen und Kunden Behandlungen über Internetportale buchen, müssen Hinweise zu möglichen gesundheitlichen Einschränkungen, Heilungsrisiken und allergischen Reaktionen klar und unmissverständlich formuliert sein.
Juristische Einordnung und Abgrenzung zu medizinischen Verträgen
Aus juristischer Sicht veranschaulicht das Urteil die fließende Grenze zwischen kosmetischen und medizinischen Leistungen. Auch wenn kosmetische Behandlungen in der Regel keine ärztlichen Eingriffe darstellen, kann die Verpflichtung zur Risikoaufklärung vergleichbar sein. Entscheidend ist, dass schon geringfügige Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit eine gesteigerte Informationspflicht auslösen. Die Rechtsprechung erkennt seit Langem an, dass Kundinnen und Kunden ein schutzwürdiges Interesse daran haben, über Risiken aufgeklärt zu werden, die bei ordnungsgemäßer Sorgfalt vermeidbar oder vorhersehbar sind.
Das Amtsgericht München hat klargestellt, dass eine spätere Information unmittelbar vor der Behandlung nicht genügt. Denn zu diesem Zeitpunkt ist der Vertrag bereits geschlossen und die Kundschaft hat häufig schon gezahlt. Erst eine rechtzeitige Aufklärung ermöglicht, den Vertrag mit voller Kenntnis über Chancen und Risiken einzugehen. Aus Sicht des Schuldrechts handelt es sich bei dieser Aufklärungspflicht um eine sogenannte Nebenpflicht, deren Verletzung eine Rückabwicklung des Vertrags rechtfertigen kann. Die Rückzahlungspflicht der Kosmetikerin im entschiedenen Fall folgte daher zwingend aus der Verletzung dieser Pflicht.
Für Onlinehändler, die Dienstleistungen im Schönheits- oder Gesundheitsbereich anbieten, ergeben sich daraus Parallelen. Auch dort müssen Risiko- oder Einschränkungshinweise deutlich vor Abschluss des Kauf- beziehungsweise Dienstleistungsvertrags angegeben werden. Ein Verweis auf Informationen in allgemeinen Geschäftsbedingungen dürfte nicht ausreichen, sofern diese nicht unmittelbar vor der verbindlichen Buchung einsehbar sind. Transparenz und Nachweisbarkeit der Aufklärung sollten dokumentiert werden, etwa durch ein Bestätigungsfeld im Bestellprozess oder eine entsprechende E-Mail-Bestätigung.
Praxisfolgen und Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Für Unternehmerinnen und Unternehmer im Gesundheits-, Kosmetik- und Wellnessbereich bedeutet das Urteil: Aufklärung ist keine bloße Formalität, sondern eine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrags. In der Praxis sollte die Risikoaufklärung strukturiert und schriftlich erfolgen, idealerweise vor der Buchung. Besonders bei digitalen Buchungsprozessen empfiehlt es sich, automatisierte Informationsmodule einzusetzen, die Kundinnen und Kunden mit allen relevanten Hinweisen versorgen, bevor sie eine Zahlung auslösen.
Für Kleinunternehmen und Selbstständige, die häufig begrenzte personelle und organisatorische Ressourcen haben, kann diese Anforderung zunächst als zusätzliche Belastung erscheinen. Langfristig schafft sie jedoch Rechtssicherheit und Vertrauen. Eine transparente Risikoaufklärung reduziert nicht nur Haftungsrisiken, sondern stärkt zugleich die Reputation des Unternehmens. Kundinnen und Kunden, die sich umfassend informiert fühlen, sind eher bereit, den Service erneut in Anspruch zu nehmen oder weiterzuempfehlen.
Größere Unternehmen und Kettenbetriebe profitieren von zentralen digitalen Prozessen, die die Aufklärung standardisieren. Softwaregestützte Dokumentation der Einwilligung kann hier Fehlkommunikation vermeiden und beweissichere Abläufe gewährleisten. Für alle Branchenakteure gilt, dass eine konsequente Qualitätssicherung und rechtlich korrekte Kommunikation den langfristigen Geschäftserfolg fördern.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Entscheidung des Amtsgerichts München die vertragliche Verantwortung bei kosmetischen und gesundheitsnahen Dienstleistungen neu in den Fokus rückt. Wer Dienstleistungen anbietet, die potenziell gesundheitliche Risiken beinhalten, sollte die Informationspflichten sehr ernst nehmen. Die frühzeitige, dokumentierte Aufklärung stärkt nicht nur die Kundenzufriedenheit, sondern ist auch wirtschaftlich sinnvoll, da sie spätere Streitigkeiten und Rückforderungen vermeiden hilft. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der Optimierung solcher Prozesse und unterstützt sie bei der Digitalisierung ihrer Buchhaltung und Geschäftsabläufe, wodurch erhebliche Effizienz- und Kostenvorteile erzielt werden können. Wir betreuen Mandanten verschiedenster Branchen mit besonderem Schwerpunkt auf Prozessautomatisierung und nachhaltiger Unternehmensentwicklung.
Gerichtsentscheidung lesen