Rechtliche Einordnung der Reiserücktrittsversicherung
Eine Reiserücktrittsversicherung schützt Versicherungsnehmende grundsätzlich vor den finanziellen Folgen, wenn eine geplante Reise aus zwingenden Gründen nicht angetreten werden kann. Typische versicherte Fälle sind beispielsweise eine unerwartete schwere Erkrankung oder sonstige zwingende Umstände, die außerhalb der eigenen Kontrolle liegen. Kern der vertraglichen Bestimmungen ist oft die Formulierung, dass der Rücktritt von der Reise „notwendig und unvermeidbar“ sein muss. Der juristische Begriff „unvermeidbar“ bedeutet dabei, dass ein Ereignis auch bei Ausschöpfung aller zumutbaren Vorkehrungen nicht hätte verhindert werden können. Damit ist die juristische Schwelle sehr hoch angesetzt.
Im nun entschiedenen Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit dem Aktenzeichen 3 U 81/24 wurde diese Definition präzisiert. Die Richter stellten klar, dass ein zeitlicher Puffer Teil der zumutbaren Vorsorgepflicht des Reisenden ist. Wer ohne ausreichende Sicherheitsreserve anreist und dadurch ein Flugzeug verpasst, kann sich nach Auffassung des Gerichts nicht auf den Schutz der Versicherung berufen.
Der entschiedene Fall und seine wesentlichen Aspekte
Eine Reisende buchte für den Sommer 2023 einen Flug von Hamburg nach Hawaii und schloss gleichzeitig eine Reiserücktrittsversicherung ab, die Kosten bis zu 6.500 Euro je Person abdecken sollte. Am Tag der Reise brach sie gegen 4:00 Uhr morgens von Kiel mit einem Mietwagen in Richtung Flughafen Hamburg auf. Die eingeplante Ankunftszeit lag knapp zwei Stunden vor Abflug. Aufgrund einer Vollsperrung nach einem Unfall kam sie jedoch erheblich später an und verpasste ihren Flug, der bereits um 6:45 Uhr startete. Es entstanden Mehrkosten in Höhe von rund 9.000 Euro, deren Erstattung sie einklagte.
Das Landgericht wies die Klage ab. In der Berufungsinstanz bestätigte das Oberlandesgericht diese Entscheidung mit der Begründung, dass die verspätete Ankunft vermeidbar gewesen wäre. Nach Auffassung der Richter gehöre es zu den zumutbaren Vorkehrungen eines Reisenden, ein ausreichendes Zeitfenster für mögliche unvorhergesehene Verzögerungen, wie einen Stau oder eine Vollsperrung, einzuplanen. Gerade im Straßenverkehr handele es sich um ein generelles Risiko, das nicht der Sphäre der Versicherung zugewiesen werden könne.
Praktische Konsequenzen für Reisende und Unternehmen
Für Privatpersonen, die auf eine Reiserücktrittsversicherung setzen, ist die Entscheidung von hoher praktischer Bedeutung. Sie macht deutlich, dass bei der Reiseplanung stets ein zusätzlicher Zeitpuffer vorgesehen werden muss, der über die von Fluggesellschaften empfohlenen zwei bis drei Stunden vor Abflug hinausgehen kann. Unerwartete Verkehrsstörungen, Baustellen, Vollsperrungen und ähnliche Risiken sind Eigenrisiken des Reisenden, die nicht vom Versicherungsschutz gedeckt sind. Bereits ein vergleichsweise kleiner zeitlicher Aufschlag hätte im zugrunde liegenden Fall dazu geführt, dass die Reisende den Abflug erreicht hätte. Aus diesem Grund sei das Ereignis vermeidbar gewesen und damit nicht von der Versicherung zu tragen.
Für Unternehmen, insbesondere aus Branchen wie Tourismus, Hotellerie oder Onlinehandel, die häufig Dienstreisen organisieren oder deren Mitarbeitende international unterwegs sind, ist das Urteil ebenfalls relevant. Dienstreiseorganisationen sollten ihre internen Reiserichtlinien überprüfen und den Mitarbeitenden verbindlich vorgeben, zusätzliche Zeitpuffer einzuplanen. Dies gilt besonders, wenn es um internationale Langstreckenflüge oder Abflüge zu verkehrsintensiven Zeiten geht. Ein organisatorisch fixierter Zeitkorridor kann helfen, Schadensfälle zu verhindern und die Verantwortlichkeiten klar zu regeln.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt verdeutlicht, dass die Reiserücktrittsversicherung nicht als All-Risks-Deckung verstanden werden darf. Vielmehr bleibt der Versicherungsfall auf Umstände beschränkt, die auch bei höchster Sorgfalt des Versicherungsnehmers unabwendbar waren. Eigenverantwortung und vorausschauende Planung sind damit die tragenden Elemente des Risikomanagements beim Reiseantritt. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie gegenüber ihren Angestellten klare Vorgaben schaffen und in der Reiseorganisation entsprechende Prozessoptimierungen vornehmen sollten.
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