Politischer Vorstoß zur Neuregelung der Rechtsberatung
Der Vorschlag des Freistaats Bayern, Rechtsschutzversicherern künftig die eigene außergerichtliche Beratung und Vertretung ihrer Versicherungsnehmer zu gestatten, hat eine intensive juristische Debatte ausgelöst. Im Kern geht es um eine mögliche Änderung des Rechtsdienstleistungsgesetzes, das bislang streng zwischen zugelassenen Rechtsdienstleistern und anderen Marktteilnehmern unterscheidet. Nach aktueller Rechtslage dürfen Versicherungsunternehmen keine Rechtsdienstleistungen erbringen, sofern diese in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren wirtschaftlichen Interessen stehen. Diese Trennung soll gewährleisten, dass rechtliche Beratung stets im alleinigen Interesse der Mandantinnen und Mandanten erfolgt und nicht von finanziellen Erwägungen des beratenden Unternehmens beeinflusst wird.
Mit dem bayerischen Entwurf würde diese Linie aufgeweicht. Versicherer könnten dann ihren Kunden direkt rechtliche Unterstützung anbieten, etwa bei der außergerichtlichen Geltendmachung oder Abwehr von Ansprüchen. Der Vorschlag, der für die kommende Justizministerkonferenz vorbereitet wurde, sieht vor, dass das Bundesministerium der Justiz beauftragt wird, einen entsprechenden Gesetzentwurf auszuarbeiten. Für Wirtschaft, mittelständische Unternehmen und Selbstständige, die regelmäßig Rechtsschutzversicherungen in Anspruch nehmen, hätte eine solche Neuregelung erhebliche praktische Auswirkungen.
Juristische Grundlagen und Konfliktfelder
Nach geltendem § 4 des Rechtsdienstleistungsgesetzes besteht ein generelles Verbot von Rechtsdienstleistungen, wenn diese im Konflikt mit einer anderen wirtschaftlichen Verpflichtung des Leistenden stehen. Genau hierin liegt das Problem des bayerischen Vorstoßes. Ein Versicherer, der zugleich juristisch berät, würde einer doppelten Loyalitätspflicht unterliegen: Einerseits ist er verpflichtet, die Interessen seines Kunden zu wahren, andererseits hat er ein ureigenes wirtschaftliches Interesse, die Kosten für Rechtsverfolgung und -vertretung zu begrenzen. Dieser strukturelle Interessenkonflikt lässt sich nicht vollständig auflösen und steht im direkten Widerspruch zu den Prinzipien unabhängiger Rechtsberatung.
Darüber hinaus wäre eine solche Öffnung auch mit dem Grundsatz der freien Anwaltswahl kaum vereinbar. Dieser ist in der Bundesrechtsanwaltsordnung und im Versicherungsvertragsgesetz verankert und garantiert, dass Versicherungsnehmer selbst wählen dürfen, von wem sie vertreten werden. Eine Beratung durch den Versicherer selbst würde diesen Grundsatz erheblich schwächen, weil sich Drucksituationen ergeben könnten, in denen Versicherte veranlasst werden, die internen Dienste des Versicherers anstelle einer unabhängigen Kanzlei zu nutzen. Gerade für kleinere Unternehmen, die oftmals stark auf Kostentransparenz angewiesen sind, bestünde die Gefahr, dass wirtschaftliche Überlegungen die Entscheidung über rechtliche Interessenwahrnehmung dominieren.
Auswirkungen auf Wirtschaft und Rechtsmarkt
Für mittelständische Unternehmen, Handwerksbetriebe, Pflegeeinrichtungen und andere institutionelle Träger, die sich regelmäßig auf Rechtsschutzversicherungen stützen, könnte eine solche Gesetzesänderung weitreichende Folgen haben. Zwar erscheint die Aussicht auf eine schnelle und kostengünstige Rechtsberatung durch den Versicherer zunächst attraktiv. Doch in der Praxis würde sich schnell zeigen, dass die Unabhängigkeit der Rechtsprüfung leidet. Der Versicherer beurteilt den Fall nicht mit der erforderlichen Neutralität, sondern vor dem Hintergrund seiner eigenen Kostentragungspflicht. Dies kann dazu führen, dass Ansprüche nicht konsequent verfolgt oder Vergleichslösungen zu früh akzeptiert werden, um die finanzielle Belastung der Versicherung zu reduzieren.
Zudem könnte eine solche Öffnung den Markt für unabhängige Rechts- und Steuerberatung erheblich verändern. Wenn Versicherer über eigene Beratungsstrukturen verfügten, käme es zu einer Konzentration rechtsnaher Dienstleistungen in den Händen großer Finanzunternehmen. Für kleine Rechtsanwaltskanzleien und steuerberatende Unternehmen bedeutete dies einen erheblichen Wettbewerbsnachteil, weil sie sich gegenüber den Ressourcen und Netzwerken der Versicherungswirtschaft kaum behaupten könnten. Auch für die Wahrung des Berufsrechts wäre dies problematisch, denn die fachlichen und ethischen Standards, die für die rechtsberatenden Berufe gelten, könnten in einem versicherungsinternen Umfeld nur schwer durchgesetzt werden.
Unternehmen, die auf eine verlässliche juristische Begleitung angewiesen sind, müssen daher besonders aufmerksam beobachten, ob und in welcher Form die Justizministerkonferenz den bayerischen Vorschlag unterstützt. Eine mögliche Liberalisierung kann kurzfristig organisatorische Vorteile bringen, etwa wenn außergerichtliche Streitigkeiten zügiger bearbeitet werden. Langfristig jedoch droht eine Erosion des Vertrauens in unabhängige Rechtsberatung – ein Umstand, der das unternehmerische Risiko erhöht.
Fazit und Handlungsempfehlung für die Praxis
Der bayerische Vorschlag offenbart einen zentralen Konflikt zwischen ökonomischer Effizienz und rechtsstaatlicher Unabhängigkeit. Wer Rechtsberatung in die Strukturen wirtschaftlich interessierter Akteure integriert, gefährdet das Prinzip der Neutralität, das rechtliche Beratung erst glaubwürdig und verlässlich macht. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen sollten sich daher auf die Bedeutung unabhängiger Beratung besinnen und prüfen, in welcher Weise ihre Versicherungsverträge den Grundsatz der freien Anwaltswahl sichern. Auch Versicherer selbst wären gut beraten, ihre Kunden transparent über mögliche Interessenkollisionen zu informieren und auf freiwilliger Basis unabhängige Partnerkanzleien einzubinden.
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