Rechtliche Grundlagen der Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis
Für viele Unternehmen, insbesondere in kleineren und mittleren Betrieben, sind befristete Arbeitsverhältnisse ein wichtiges Instrument zur Flexibilisierung des Personaleinsatzes. Dabei spielt die Vereinbarung einer Probezeit eine zentrale Rolle, um die Eignung der Beschäftigten zu prüfen und gleichzeitig das Risiko einer langfristigen Bindung zu minimieren. Nach § 15 Absatz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz muss die Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis jedoch in einem angemessenen Verhältnis zur Gesamtdauer der Befristung und zur Art der Tätigkeit stehen. Diese Vorschrift verpflichtet Arbeitgebende zu einer sorgfältigen Abwägung, um die Kündigungsrechte während der Probezeit rechtssicher zu gestalten.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 30. Oktober 2025 (Az. 2 AZR 160/24) klargestellt, dass es für die Verhältnismäßigkeit einer vereinbarten Probezeit keine schematischen Richtwerte gibt. Damit wurde der zuvor häufig verwendete Orientierungswert von 25 Prozent der Vertragslaufzeit ausdrücklich verworfen. Entscheidend ist vielmehr stets der Einzelfall, in dem die Dauer der Befristung und die Komplexität der Tätigkeit maßgeblich sind.
Die Bedeutung der Einzelfallabwägung für Unternehmen
Das Gericht hebt hervor, dass eine starre rechnerische Grenze dem Schutzzweck des Gesetzes nicht gerecht wird. Arbeitgebende haben die Pflicht, die Probezeit so zu gestalten, dass sie sowohl den betrieblichen Erfordernissen als auch den Interessen der Beschäftigten entspricht. Maßgeblich sind vor allem die Anforderungen an die Einarbeitung, der Qualifikationsgrad und die Branchenspezifika. In wissensintensiven Tätigkeitsfeldern, etwa in der Pflege oder im Finanzwesen, kann eine längere Probezeit durchaus angemessen sein, wenn die Einarbeitung komplexe Prozesse oder spezielle IT-Systeme umfasst.
Im konkreten Fall sah das Bundesarbeitsgericht eine Probezeit von vier Monaten bei einem auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnis als verhältnismäßig an. Ausschlaggebend war der detaillierte Einarbeitungsplan mit mehreren Phasen, die eine qualifizierte Einschätzung der Leistungen der Arbeitnehmerin erst nach Abschluss dieser Abschnitte erlaubten. Die Entscheidung zeigt, dass eine nachvollziehbare betriebliche Dokumentation des Einarbeitungsprozesses deutlich zur Rechtssicherheit beitragen kann.
Praktische Auswirkungen für Personalprozesse und Vertragsgestaltung
Für kleine und mittlere Unternehmen ist das Urteil von erheblicher praktischer Relevanz, da es einen flexiblen Gestaltungsspielraum eröffnet. Gleichzeitig verlangt es erhöhte Sorgfalt bei der Begründung der gewählten Probezeitdauer. Unternehmen sollten im Arbeitsvertrag klar festhalten, dass die Probezeit aus sachlichen Gründen notwendig ist und sich an der Einarbeitungsstruktur orientiert. Empfehlenswert ist, den organisatorischen Ablauf und die geplanten Lernziele zu dokumentieren, da diese im Streitfall die Verhältnismäßigkeit der Probezeit belegen können.
Besonders in Branchen mit hoher Fluktuation, wie dem Einzelhandel oder der Gastronomie, besteht die Gefahr, standardisierte Vertragsmuster zu verwenden, die den Anforderungen des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr genügen. Arbeitgeber sollten sich daher nicht auf pauschale Werte verlassen, sondern den konkreten Arbeitsplatz und die Dauer des befristeten Vertrags als Bezugsgröße heranziehen. Bei technisch anspruchsvollen Positionen oder Stellen mit hoher Kundenverantwortung, etwa in Onlinehandel oder IT-Dienstleistung, kann eine längere Probezeit gerechtfertigt sein, wenn die volle Leistungsfähigkeit erst nach umfassender Schulung erkennbar ist.
Fazit und Handlungsempfehlung für Unternehmen
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bringt mehr Klarheit, aber auch höhere Anforderungen an die Arbeitgeberpraxis. Der Wegfall eines Regelwerts bedeutet, dass jede Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis individuell begründet werden muss. Ziel ist es, Missbrauch zu vermeiden und sicherzustellen, dass Probezeitregelungen tatsächlich der Erprobung dienen. Eine sorgfältige Dokumentation des betrieblichen Bedarfs und des Qualifikationsprozesses bildet die Grundlage für eine rechtssichere Gestaltung der Arbeitsverträge. Unternehmen, die ihre Personalprozesse standardisieren und zugleich rechtskonform gestalten möchten, sollten bestehende Musterverträge überprüfen und gegebenenfalls anpassen. So lassen sich arbeitsgerichtliche Streitigkeiten vermeiden und die Personalpolitik effizient steuern.
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