Einleitung: Dynamische Pensionsanpassungen im Steuerrecht
Pensionsrückstellungen spielen in der steuerlichen Gewinnermittlung von Kapitalgesellschaften eine erhebliche Rolle, da sie die künftigen Verpflichtungen gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abbilden, denen eine betriebliche Altersversorgung zugesagt wurde. Der sogenannte Teilwert stellt den steuerlich maßgeblichen Wert dieser Verpflichtungen dar. Wird eine Pensionszusage um eine dynamische Anpassungsverpflichtung ergänzt, beispielsweise eine jährlich prozentuale Erhöhung der laufenden Rentenleistungen, stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang diese Anpassung steuerlich anerkannt werden kann. Ein aktuelles Verfahren des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts mit dem Aktenzeichen 1 K 41/23 vom 5. Februar 2025, zu dem beim Bundesfinanzhof das Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen IX R 8/25 anhängig ist, beleuchtet diese Fragestellung in bemerkenswerter Tiefe.
Rechtlicher Rahmen und betriebsrentenrechtlicher Bezug
Grundlage des Falls war eine Versorgungszusage, die ursprünglich vor dem 1. Januar 1999 erteilt worden war. Später wurde diese durch eine Betriebsvereinbarung ergänzt, welche eine jährliche Erhöhung der laufenden Betriebsrenten um 1 Prozent vorsah. Diese Dynamisierung bezog sich auf den neu eingeführten § 16 Absatz 3 Nummer 1 des Betriebsrentengesetzes. Gleichzeitig verletzt eine solche rückwirkend auf ältere Zusagen angewandte Regelung möglicherweise die Übergangsvorschrift des § 30c Absatz 1 Betriebsrentengesetz. Diese Vorschrift schützt sogenannte Altzusagen davor, dass nachträgliche gesetzliche Änderungen ohne ausdrückliche Regelung auf sie angewandt werden.
Das Finanzamt sah in der Einbeziehung der dynamischen Anpassung auch für die vor 1999 erteilten Zusagen einen Gesetzesverstoß und ermittelte den Teilwert der Pensionsrückstellung entsprechend niedriger. Damit reduzierte sich der steuerliche Aufwand der Kapitalgesellschaft. Diese argumentierte, die Betriebsvereinbarung gelte für alle Versorgungszusagen einheitlich und sei daher steuerlich anzuerkennen. Entscheidend war somit, ob für die Empfänger dieser Altzusagen ein durchsetzbarer arbeitsrechtlicher Anspruch auf die dynamischen Anpassungen bestand, denn nur dann kann eine Verpflichtung nach Maßgabe des Einkommensteuergesetzes als Rückstellung berücksichtigt werden.
Bewertung durch das Finanzgericht und rechtliche Implikationen
Das Finanzgericht folgte der Auffassung der Finanzverwaltung und stellte fest, dass die dynamische Anpassung insoweit unwirksam sei, als sie gegen die Übergangsvorschrift verstoße. Die Kammer leitete aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ab, dass eine kollektivrechtliche Vereinbarung, die in den geschützten Bestand von Altzusagen eingreift und diese mit neuen, abweichenden Anpassungsregeln kombiniert, im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben steht. Damit fehle es an einem rechtlich durchsetzbaren Anspruch. Ein solcher Anspruch ist jedoch zwingende Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung nach § 6a Einkommensteuergesetz, da nur rechtlich bestehende Verpflichtungen in der Steuerbilanz berücksichtigt werden dürfen. Ohne diese Anspruchsgrundlage wird die Rückstellung steuerlich teilweise eliminiert, was zu einer entsprechenden Erhöhung des zu versteuernden Einkommens führt.
Die Entscheidung verdeutlicht, wie bedeutsam die arbeitsrechtliche Auslegung betrieblicher Versorgungszusagen für deren steuerliche Behandlung ist. Der Bundesfinanzhof stellt in seiner bisherigen Rechtsprechung regelmäßig klar, dass bei der Prüfung steuerlicher Rückstellungen arbeitsrechtliche und zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen vorrangig zu klären sind. Erst wenn feststeht, dass ein einklagbarer Anspruch tatsächlich besteht, darf eine Verpflichtung steuerlich berücksichtigt werden. Für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bedeutet dies, dass bei nachträglichen Änderungen bestehender Versorgungsordnungen eine präzise Abstimmung zwischen Arbeitsrecht und Steuerrecht notwendig ist.
Praktische Konsequenzen für Unternehmen
Die Entscheidung hat praxisrelevante Folgen für zahlreiche Unternehmen, die betriebliche Altersvorsorge über Direktzusagen abbilden. Gerade Konzernunternehmen mit länger bestehenden Versorgungssystemen, aber auch mittelständische Betriebe mit individuellen Rentenplänen, müssen prüfen, ob sie dynamische Anpassungsverpflichtungen im Rahmen von Betriebsvereinbarungen wirksam eingeführt haben. Eine unzulässige Erweiterung des Anwendungsbereichs neuer gesetzlicher Regelungen auf Altfälle kann dazu führen, dass Rückstellungen steuerlich zu hoch angesetzt wurden und einer Korrektur bedürfen. Dies kann erhebliche bilanziellen Auswirkungen auf Eigenkapital und Ergebnis haben.
Im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen werden Versorgungsverpflichtungen zunehmend genauer untersucht, insbesondere vor dem Hintergrund der sinkenden Zinsniveaus und der steigenden Bedeutung von Pensionsverpflichtungen in den Unternehmensbilanzen. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die häufig über Jahrzehnte bestehende Zusagen unverändert fortführen, lohnt sich eine proaktive Überprüfung bestehender Versorgungswerke. Werden Anpassungsmechanismen nachträglich eingeführt, sollten diese stets klar dokumentiert, rechtlich geprüft und steuerlich abgestimmt sein. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Personalabteilung, Steuerberatung und rechtlicher Begleitung ist hierbei unverzichtbar, um Rechtsrisiken und spätere Bilanzberichtigungen zu vermeiden.
Ausblick und Fazit
Die vom Finanzgericht zugelassene Revision zeigt, dass die steuerliche Behandlung dynamischer Pensionsanpassungen weiterhin ungeklärt ist und eine höchstrichterliche Klärung durch den Bundesfinanzhof erwartet wird. Unabhängig vom Ausgang des Revisionsverfahrens steht fest, dass Unternehmen künftig noch stärker gefordert sind, den arbeitsrechtlichen und steuerlichen Rahmen ihrer Versorgungswerke präzise aufeinander abzustimmen. Nur so kann gewährleistet werden, dass Rückstellungen korrekt und rechtssicher bilanziert werden.
Für kleine und mittelständische Betriebe bietet die aktuelle Entwicklung Anlass, vorhandene Pensionszusagen aus steuerlicher und arbeitsrechtlicher Sicht zu überprüfen. Eine frühzeitige Anpassung der internen Prozesse und eine systematische Dokumentation aller Versorgungsverpflichtungen tragen maßgeblich zu einer verlässlichen steuerlichen Planung bei. Unsere Kanzlei unterstützt Unternehmen dabei, ihre Buchhaltungsprozesse und steuerlichen Abläufe zu digitalisieren und effizient zu gestalten. Mit unserer Erfahrung im Bereich Prozessoptimierung und Digitalisierung helfen wir insbesondere kleinen und mittelständischen Mandanten, ihre Verwaltungsstrukturen zu verschlanken und nachhaltige Kostenvorteile zu realisieren.
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