Rechtliche Klarheit zum Pandemieausschluss in Versicherungsverträgen
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 5. November 2025 (Az. IV ZR 109/24) für deutliche Rechtssicherheit gesorgt und entschieden, dass eine Klausel in Jahres-Reiseversicherungen, in der Schäden durch Pandemien vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden, weder gegen das Transparenzgebot noch gegen das Verbot unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verstößt. Diese Entscheidung ist insbesondere für Versicherungsunternehmen, aber auch für Unternehmen, die Reise- oder Dienstleistungsverträge mit Versicherungsschutz anbieten, von erheblichem praktischem Interesse. Nach den Turbulenzen der vergangenen Jahre rund um COVID-19 stellt dieses Urteil eine wichtige Leitlinie für die Ausgestaltung künftiger Versicherungsbedingungen dar.
Maßstab des Urteils: Das Transparenzgebot im Bürgerlichen Gesetzbuch
Das Transparenzgebot verpflichtet Unternehmen, Vertragsklauseln so zu formulieren, dass Kundinnen und Kunden eindeutig erkennen können, welche Rechte und Pflichten sie treffen. Nach § 307 Absatz 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs liegt eine unangemessene Benachteiligung auch dann vor, wenn eine Bestimmung unklar oder schwer verständlich ist. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass der Begriff „Pandemie“ im allgemeinen Sprachgebrauch und im Glossar der Versicherungsbedingungen nachvollziehbar erläutert wurde. Eine Pandemie sei demnach eine sich länder- und kontinentübergreifend ausbreitende Infektionskrankheit, die sich durch eine hohe Zahl gleichzeitig auftretender Erkrankungen auszeichne. Damit könne der Versicherungsnehmer aus dem Sinnzusammenhang der Klausel und der Definition eindeutig ableiten, welche Risiken vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Eine Endemie, also ein auf bestimmte Regionen beschränktes Infektionsgeschehen, sei hiervon hingegen nicht betroffen.
Für die Transparenzprüfung stellte der Senat darauf ab, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Risikoverteilung des Vertragswegfalls verstehen könne. Das Gericht betonte, dass es nicht erforderlich sei, sämtliche denkbaren Fallkonstellationen im Wortlaut der Bedingung abzubilden. Entscheidend sei, ob der Kunde die wesentlichen Grenzen des Versicherungsschutzes bei Vertragsschluss erfassen und seine Entscheidung über den Abschluss des Vertrags informierter treffen könne. Diese Voraussetzung war nach Ansicht der Richter erfüllt.
Praktische Bedeutung für Versicherte und Unternehmen
Das Urteil hat nicht bloß theoretische Relevanz, sondern direkte Auswirkungen auf die Gestaltung und Bewertung von Versicherungsprodukten. Reiseveranstalter, Pflegeeinrichtungen oder auch Betriebe, die Dienstreisen regelmäßig durchführen, werden künftig mit höherer Sicherheit kalkulieren können, wie weit der Schutz ihrer Gruppen- oder Jahresversicherungen reicht. Auch Onlinehändler, die Zusatzversicherungen beim Verkauf von Reisedienstleistungen anbieten, profitieren von der Rechtssicherheit. Wichtig ist hierbei, dass Unternehmen, die Versicherungsprodukte vertreiben oder nutzen, genau kennen, wo ihre Haftungs- oder Deckungsgrenzen liegen. Denn die Entscheidung bedeutet nicht, dass Ausschlussklauseln beliebig verwendet werden dürfen. Vielmehr zeigt sie, dass klare, sprachlich und systematisch durchdachte Regelungen einer rechtlichen Kontrolle standhalten können. Unklare oder mehrdeutige Formulierungen hingegen wären nach wie vor angreifbar.
Für die Praxis lohnt es sich daher, bestehende Vertragswerke zu überprüfen. Gerade im Zuge der Digitalisierung von Geschäftsprozessen und der zunehmend automatisierten Vertragsverwaltung ist es essenziell, dass auch AGB und Versicherungsbedingungen transparent gestaltet sind. Wer hier auf verständliche Definitionen und eine logische Struktur achtet, reduziert nicht nur das Risiko rechtlicher Auseinandersetzungen, sondern stärkt zugleich das Vertrauen von Kundinnen, Geschäftspartnern und Mitarbeitenden.
Ausblick und Empfehlung für Unternehmen
Das Urteil des Bundesgerichtshofs verdeutlicht einmal mehr, dass in komplexen Vertragsverhältnissen die Klarheit der Sprache entscheidend ist. Versicherungen dürfen Risiken wie Pandemien wirksam ausschließen, sofern der Ausschluss eindeutig beschrieben und für den durchschnittlichen Vertragspartner nachvollziehbar ist. Diese Entscheidung dürfte langfristig dafür sorgen, dass Versicherer ihre Bedingungen standardisierter formulieren und Unternehmen, die solche Policen abschließen, in ihrer Planungssicherheit unterstützt werden.
Für kleine und mittelständische Unternehmen ergibt sich daraus die Chance, Versicherungs- und Vertragsprozesse systematisch zu prüfen. Gerade in Branchen wie dem Tourismus, der Pflege oder im internationalen Warenverkehr ist es sinnvoll, regelmäßig zu analysieren, ob bestehende Policen noch zur tatsächlichen Risikosituation passen. Die Klarheit der Vertragsgestaltung sollte nicht lediglich als juristische Pflicht verstanden werden, sondern als strategisches Element moderner Unternehmensführung. Rechtssicherheit, Verständlichkeit und Prozessklarheit sind dabei eng miteinander verbunden und bilden eine solide Basis für wirtschaftliches Handeln auch in Krisenzeiten.
Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen dabei, ihre Buchhaltungs- und Vertragsprozesse zu digitalisieren und zu optimieren. Durch die konsequente Nutzung digitaler Schnittstellen und automatisierter Prüfprozesse helfen wir dabei, Kosten zu senken und rechtliche Risiken zu minimieren. Mit unserer Erfahrung in der Prozessoptimierung schaffen wir eine Grundlage für effiziente, transparente und revisionssichere Abläufe im Unternehmensalltag.
Gerichtsentscheidung lesen