Vorzeitiger Nießbrauchsverzicht und seine steuerliche Relevanz
Der vorzeitige Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht, insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen, wirft komplexe steuerliche Fragen auf. Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hatte in einem Urteil (Az. 3 K 28/24 vom 31. März 2025) zu entscheiden, ob ein solcher Verzicht im Rahmen eines Schenkungsvertrages die Steuerbegünstigungen nach den §§ 13a und 13b Erbschaftsteuergesetz in der alten Fassung auslösen kann. Ein Nießbrauchsrecht ist das dingliche Recht, die Nutzungen einer Sache zu ziehen, etwa die Früchte einer landwirtschaftlichen Fläche. Es erlaubt dem Berechtigten, die wirtschaftlichen Vorteile eines Grundstücks zu behalten, ohne dessen Eigentümer zu sein. Wird dieses Recht im Rahmen einer Schenkung aufgegeben, so kann dies unter Umständen steuerlich wie eine zusätzliche Zuwendung wirken, die gesondert zu beurteilen ist.
Im Kern stellte sich die Frage, ob der Nießbrauchsverzicht als Teil des begünstigten Betriebsvermögens zu qualifizieren ist. Da § 13a Erbschaftsteuergesetz bestimmte Privilegien für die Übertragung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vorsieht, sofern die Bewirtschaftung fortgeführt wird, kommt es entscheidend darauf an, ob alle Kontinuitätsanforderungen erfüllt sind. Diese unterliegen strengen Kriterien, da eine steuerliche Begünstigung nur gewährt wird, wenn der Betrieb unverändert fortbesteht und keine vorzeitige Aufgabe oder Umstrukturierung erfolgt.
Kontinuitätsanforderung und Betriebsbezogenheit
Das Gericht verneinte die Anwendung der Steuerbegünstigung, da das Kontinuitätsprinzip nicht eingehalten worden sei. Dieses Prinzip verlangt, dass das übertragene Betriebsvermögen in seiner wirtschaftlichen Einheit erhalten bleibt. Damit die Steuervergünstigung greift, muss das übertragene Vermögen unverändert im Rahmen desselben Betriebs fortgeführt werden. Im entschiedenen Fall stellte der Nießbrauch eine individuelle Nutzungsbefugnis des Schenkers dar, die nicht Teil der wirtschaftlichen Einheit des Betriebes war. Durch den Verzicht kam es zu einem Bruch in der betrieblichen Kontinuität, der eine steuerliche Privilegierung ausschloss.
Für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft bedeutet dies, dass der rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Betrieb und Nutzungsrechten besonders sorgfältig dokumentiert werden muss. Der Nießbraucher – in der Regel der frühere Betriebsinhaber – und der Erwerber – häufig der Nachfolger in der Hofnachfolge – können nicht ohne Weiteres als einheitlicher Betrieb betrachtet werden. Das Urteil verdeutlicht, dass trotz einer praktischen Fortführung derselben Flächen die juristische und steuerliche Abgrenzung der Betriebe zwingend getrennt zu beurteilen ist. Der Geltungsbereich der Begünstigungen nach § 13a Erbschaftsteuergesetz bleibt damit eng begrenzt und erfordert eine konsequente Orientierung am Wortlaut des Gesetzes.
Bewertung aufschiebend bedingter Lasten
Ein weiterer Kernpunkt des Verfahrens war die Bewertung einer aufschiebend bedingten Last im Rahmen der Schenkung. Hierunter versteht man eine Verpflichtung, die erst mit dem Eintritt einer bestimmten Bedingung wirksam wird, etwa wenn ein Ereignis wie der Umzug der Schenker in ein anderes Haus realisiert wird. Das Finanzamt hatte den Wert dieser Last auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abgezinst, also mit einem Abschlag bewertet, um die Zeit bis zum Eintritt der Bedingung zu berücksichtigen. Das Gericht folgte dieser Auffassung jedoch nicht. Es stellte klar, dass eine Abzinsung grundsätzlich nicht stattzufinden hat, soweit es sich nicht um Fälle des § 12 Absatz 3 Bewertungsgesetz handelt, der eine solche Wertminderung ausdrücklich vorsieht.
Diese Klarstellung ist für viele Unternehmen von Bedeutung, die bei Übertragungen von Betrieben oder Grundstücken unter nahen Angehörigen mit aufschiebenden Bedingungen arbeiten. Die Entscheidung bringt Rechtssicherheit dahin gehend, dass eine Abzinsung während der Schwebezeit zwischen Schenkungsvertrag und Eintritt der Bedingung unzulässig ist. Damit wird die wirtschaftliche Belastung realistischer und zukunftsorientiert dargestellt, was besonders bei komplexen Vermögensübertragungen innerhalb von Familienbetrieben in der Landwirtschaft oder auch bei spezialisierten Gewerbebetrieben wie Forstunternehmen relevant ist.
Praktische Konsequenzen für Unternehmensnachfolge und Beratung
Die praktische Folge des Urteils ist eine deutliche Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten bei vorweggenommenen Erbfolgen mit vorbehaltenem Nießbrauch. Unternehmerinnen und Unternehmer, die eine Übertragung von land- oder forstwirtschaftlichem Vermögen planen, sollten künftige Änderungen der Nutzungsrechte strikt trennen und im Einzelfall prüfen, ob diese eine steuerliche Neubewertung auslösen. Gerade bei der Nachfolgeplanung spielt die Gleichzeitigkeit von wirtschaftlicher und rechtlicher Fortführung eine wesentliche Rolle. Wird eine Nutzungsüberlassung – etwa durch Nießbrauch – vorzeitig aufgegeben, kann dies den Verlust der Steuervergünstigung nach § 13a Erbschaftsteuergesetz nach sich ziehen. Auch für andere Branchen, etwa gewerblich genutzte Grundstücke oder Familienunternehmen mit Betriebsvermögen, hat dieses Urteil Signalwirkung. Die Grundsätze zur Kontinuitätsanforderung gelten unabhängig von der Branche für jede Art von Betriebsvermögen, bei dem eine Teilübertragung unter Fortführung eines anderen Nutzungskonzepts erfolgt.
Steuerberatende und Finanzinstitutionen sollten Mandanten in solchen Fällen darauf hinweisen, dass selbst kleine Änderungen in der rechtlichen Gestaltung – etwa der Zeitpunkt eines Nießbrauchsverzichts oder die Art der Gegenleistung – erhebliche steuerliche Wirkungen entfalten können. Für Unternehmerinnen und Unternehmer liegt der Schlüssel in einer frühzeitigen Abstimmung zwischen rechtlicher Gestaltung und steuerlicher Bewertung. Nur so lässt sich verhindern, dass Begünstigungen nachträglich entfallen.
Im Fazit bestätigt die Entscheidung die Linie der Rechtsprechung, wonach steuerliche Vergünstigungen bei der Übertragung von Betriebsvermögen streng an die Einhaltung formaler und materieller Kontinuität gebunden sind. Wer frühzeitig die steuerlichen Folgen seiner Gestaltungen kennt und dokumentiert, kann Risiken vermeiden und Planungssicherheit erreichen. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittlere Unternehmen bei der Optimierung ihrer steuerlichen Prozesse und der Digitalisierung der Buchhaltung. Durch intelligente Prozessgestaltung schaffen wir Effizienz und nachhaltige Kostenvorteile, damit Sie sich auf Ihr Kerngeschäft konzentrieren können.
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