Einleitung: Neuer Rahmen für Nachhaltigkeitsberichterstattung
Mit der europäischen Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, der sogenannten Corporate Sustainability Reporting Directive, wird die Berichterstattungspflicht in eine neue Dimension geführt. Ziel ist es, die Transparenz zu ökologischen, sozialen und Governance-Aspekten zu erhöhen und Unternehmen in ihrer Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft stärker zu positionieren. Deutschland arbeitet derzeit an der Umsetzung dieser Vorgaben in nationales Recht, und der Gesetzesentwurf hat eine Debatte über den künftigen Kreis der Prüfungsberechtigten ausgelöst. Während der Bundesrat eine Öffnung des Marktes für unabhängige Anbieter von Bestätigungsleistungen anregt, steht die Bundesregierung dieser Idee zurückhaltend gegenüber.
Rechtliche Grundlagen und aktuelle Entwicklungen
Die Einführung der neuen Berichtspflichten erfolgt auf Basis der europäischen Richtlinie 2022/2464, geändert durch die Richtlinie 2025/794. Kernanliegen ist die verpflichtende Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsinformationen in Kombination mit einer Prüfung dieser Angaben. Die Prüfung soll ein sogenanntes „Limited Assurance“-Verfahren sein, also eine Prüfung mit begrenzter Sicherheit, die künftig schrittweise zu einem „Reasonable Assurance“-Verfahren mit höherer Prüfungstiefe entwickelt werden könnte. Der Bundesrat hat am 17. Oktober 2025 in seinen Empfehlungen vorgeschlagen, den Prüfmarkt zu öffnen, um unabhängigen Erbringern von Bestätigungsleistungen den Zugang zu ermöglichen. Begründet wird dies mit der Befürchtung, dass die Zahl der zugelassenen Wirtschaftsprüfer und Prüfgesellschaften nicht ausreichen könnte, insbesondere angesichts der großen Zahl mittelständischer Unternehmen, die künftig berichtspflichtig werden oder freiwillig Nachhaltigkeitsberichte erstellen möchten.
Kapazitätsengpässe, Kostenaspekte und die Sicherung des Wettbewerbs werden als Argumente angeführt. Darüber hinaus könne eine Diversifizierung des Prüfermarktes Konzentrationstendenzen entgegenwirken, die sich über die Jahre in der klassischen Abschlussprüfung herausgebildet haben. Die Bundesregierung hingegen verweist auf die komplexe Rechtslage: Eine Ausweitung der Prüfberechtigung würde einen erheblichen Eingriff in die bestehenden Strukturen der Wirtschaftsprüferaufsicht, Ausbildung, Haftungs- und Sanktionsmechanismen bedeuten. Solche Anpassungen verlangen sorgfältige gesetzgeberische Vorbereitung, um Qualitätsstandards und das Vertrauen in die Ergebnisse der Nachhaltigkeitsprüfung zu sichern.
Positionen von Berufsorganisationen und praktische Folgen
Die Wirtschaftsprüferkammer hat sich klar gegen eine Öffnung des Prüfermarktes ausgesprochen. Nach ihrer Einschätzung existieren bislang keine unabhängigen Anbieter, die den fachlichen, organisatorischen und rechtlichen Anforderungen an eine gleichwertige Prüfung entsprechen. Entscheidend ist, dass Prüferinnen und Prüfer die komplexen Bezüge zwischen finanziellen Kennzahlen, Nachhaltigkeitsinformationen und rechtlichen Anforderungen verstehen. Diese Schnittstellenkompetenz ist traditionell in der Wirtschaftsprüfung verankert. Darüber hinaus entsteht durch die kombinierte Prüfung von Jahresabschluss und Nachhaltigkeitsbericht ein erheblicher Synergieeffekt. Die gemeinsame Datenbasis, das vorhandene Know-how und die abgestimmten Prozesse führen in der Regel zu Effizienzgewinnen und niedrigeren Prüfungskosten. Für prüfungspflichtige Unternehmen, insbesondere im industriellen Mittelstand, ist dies ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor.
Ein weiterer Aspekt betrifft die Auslegung von Artikel 1 Nummer 13 Buchstabe c der Richtlinie, der die Gleichwertigkeit der Qualifikationen fordert. Nur Fachkräfte, die einer staatlichen Aufsicht und einem geregelten Haftungssystem unterliegen, sollen zur Durchführung solcher Prüfungen befugt sein. Dies spricht derzeit eindeutig für die Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer als Kernakteure. Eine Öffnung ohne entsprechende Anpassung der beruflichen Standards und Aufsichtssysteme könnte zu einer Uneinheitlichkeit der Prüfungsqualität und damit zu einer Schwächung des Vertrauens in den Markt führen. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen, die auf die Verlässlichkeit der Prüfzertifikate angewiesen sind, wäre dies ein Risiko, das sich auf das Vertrauen von Investoren, Banken und Geschäftspartnern auswirken könnte.
Praktische Bedeutung und Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Für Unternehmen bedeutet die aktuelle Entwicklung, dass sie sich frühzeitig auf die erweiterten Berichtspflichten und Prüfanforderungen einstellen müssen. Dies betrifft nicht nur große Kapitalgesellschaften, sondern zunehmend auch mittelständische und kleinere Unternehmen, die in Lieferketten eingebunden sind oder freiwillig Transparenz zeigen möchten. Wer künftig Nachhaltigkeitsberichte erstellt, sollte sicherstellen, dass die Datenstruktur im Rechnungswesen und Controlling so gestaltet ist, dass ökologische und soziale Kennzahlen konsistent erhoben und dokumentiert werden. Die Prüfung wird dabei nicht nur die Richtigkeit der Angaben, sondern auch die dahinterliegenden Prozesse und Kontrollen erfassen. Für Onlinehändler, Dienstleister oder Pflegeeinrichtungen bedeutet dies, interne Nachhaltigkeitsdaten – etwa Energieverbrauch, Personalstruktur oder Beschaffungswege – systematisch aufzubereiten und digital zu dokumentieren.
Wer frühzeitig mit der Integration solcher Informationen in das bestehende Berichtswesen beginnt, profitiert langfristig von geringeren Prüfungskosten und einem höheren Reifegrad der Datenmanagementsysteme. Auch unter dem Aspekt der Finanzierung ist Transparenz zu Nachhaltigkeitsthemen ein zunehmend entscheidendes Kriterium. Banken und Investoren berücksichtigen ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) immer stärker in ihrer Kredit- und Investitionspolitik, wodurch qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitsberichte einen unmittelbaren Wettbewerbsvorteil schaffen können.
Fazit: Chancen nutzen, Prozesse optimieren
Die Diskussion um die Öffnung des Prüfermarktes zeigt, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung längst mehr ist als eine formale Berichtspflicht. Sie entwickelt sich zu einem wesentlichen Bestandteil moderner Unternehmensführung, der auch Fragen von Qualitätssicherung und rechtlicher Verantwortung aufwirft. Ob es zu einer Öffnung des Prüferkreises kommt, bleibt derzeit offen; entscheidend ist jedoch, dass Unternehmen ihre internen Prozesse, Datenerhebung und Dokumentation weitgehend digitalisieren und standardisieren. So lassen sich Prüfungen effizient und sicher durchführen, unabhängig davon, wer sie künftig erbringt. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der Optimierung ihrer Buchhaltungsprozesse sowie bei der Digitalisierung von Berichts- und Prüfabläufen. Durch gezielte Prozessoptimierung unterstützen wir Mandanten dabei, Nachhaltigkeits- und Finanzdaten effizient zu verbinden und dauerhaft Kosten zu senken.
Gerichtsentscheidung lesen