Neue EU-Einigung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Am 9. Dezember 2025 haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union eine vorläufige Einigung zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung erzielt. Diese politische Übereinkunft umfasst sowohl die Corporate Sustainability Reporting Directive, also die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, als auch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive, das EU-Lieferkettengesetz. Der vereinheitlichte Rahmen zielt darauf ab, die rechtlichen und administrativen Anforderungen für Unternehmen zu reduzieren, ohne die Zielsetzung der ökologischen und sozialen Transparenz zu gefährden. Damit wird ein praktischer Schritt hin zu einer realistischeren Umsetzung der Nachhaltigkeitspflichten vollzogen, insbesondere für mittelständische Unternehmen, die bislang unter der Komplexität der Berichtspflichten litten.
Bevor die neuen Vorgaben in Kraft treten, bedarf es noch der formalen Annahme beider Institutionen und der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union. Dennoch zeichnet sich bereits ab, dass die wirtschaftliche Tragweite erheblich sein wird, da Unternehmen nun mit einem differenzierteren Ansatz der Berichtspflichten konfrontiert werden, der sowohl den Größenklassen als auch der internationalen Verwurzelung der Betriebe Rechnung trägt.
Wesentliche Änderungen in der CSRD
Der bisherige Anwendungsbereich der Nachhaltigkeitsrichtlinie betraf eine Vielzahl von Gesellschaften, unabhängig von der Komplexität ihrer Strukturen oder der Branchenzugehörigkeit. Nun sollen nur noch EU-Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von über 450 Millionen Euro in den verpflichtenden Berichtsrahmen einbezogen werden. Auch außereuropäische Unternehmen, die in der EU einen entsprechenden Umsatz erzielen, fallen unter die Richtlinie. Kleine und mittlere Unternehmen profitieren hingegen von einer klaren Begrenzung der Informationsanforderungen, da sie der sogenannten Wertschöpfungskettenbegrenzung („value chain cap“) unterliegen. Damit ist es unzulässig, von Unternehmen mit bis zu 1.000 Mitarbeitenden Angaben zu verlangen, die über den freiwilligen Berichtsstil hinausgehen.
Eine weitere zentrale Neuerung betrifft die sogenannten European Sustainability Reporting Standards. Diese werden vereinfacht und modular gestaltet, sodass Berichterstattung künftig zielgerichteter und branchenspezifisch abgestuft erfolgen kann. Eine freiwillige Ergänzung sektorspezifischer Informationen bleibt erlaubt, wodurch größere Akteure weiterhin vertieft berichten können. Zusätzlich soll ein digitales EU-Portal entstehen, das Templates und Leitlinien bündelt. Diese Plattform wird es insbesondere Steuerberaterinnen und Steuerberatern sowie internen Finanzabteilungen erleichtern, relevante Informationen aus einer zentralen Quelle zu beziehen und so effizientere Compliance-Prozesse einzuführen.
Neustrukturierung der Pflichten nach dem EU-Lieferkettengesetz
Auch das geplante Lieferkettengesetz erfährt deutliche Anpassungen. Der Anwendungsbereich beschränkt sich künftig auf EU-Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von 1,5 Milliarden Euro. Damit sind nur noch etwa 1.500 Unternehmen innerhalb der Union betroffen. Ziel ist es, die Anforderungen an menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflichten zu fokussieren und unverhältnismäßige Belastungen kleinerer Akteure in der Lieferkette zu verhindern. Nicht-EU-Unternehmen werden einbezogen, sofern sie diese Umsatzschwelle innerhalb des europäischen Binnenmarkts überschreiten.
Die Pflicht zur Erstellung und Umsetzung von Klimaübergangsplänen entfällt vollständig. Damit wird der Bürokratieaufwand insbesondere für internationale Unternehmensgruppen deutlich reduziert. Beim Scoping, also bei der Ermittlung und Bewertung negativer Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte, dürfen Unternehmen auf ohnehin verfügbare Informationen zurückgreifen. Übermäßige Datenabfragen, insbesondere an Zulieferer kleinerer Strukturen, sollen vermieden werden. Gleichzeitig bleibt das Haftungsregime unberührt; eine zivilrechtliche Harmonisierung ist nicht vorgesehen. Neu ist indes die Deckelung möglicher Sanktionen auf maximal drei Prozent des weltweiten Nettoumsatzes, was Rechtssicherheit in Bezug auf die Sanktionshöhe schafft. Diese Maßnahme bringt für Unternehmensjuristen und Compliance-Beauftragte klare Orientierung, ohne die Umsetzung der EU-Strategie zur nachhaltigen Wirtschaft zu konterkarieren.
Rechtspolitische Auswirkungen und praktische Bedeutung
Die Anpassungen markieren eine deutliche Abkehr von der bisherigen „Einheitsstrategie“ der Nachhaltigkeitsregulierung. Erstmals erkennt die EU an, dass Unternehmen unterschiedlicher Größenklassen auch differente Ressourcen und Instrumente zur Datenerhebung und Berichterstattung haben. Der Gedanke der Proportionalität hält damit Einzug in das europäische Nachhaltigkeitsrecht. Für kleine und mittelständische Unternehmen, darunter auch Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, Dienstleistungsbetriebe oder Onlinehändler, eröffnet dies spürbare Erleichterungen. Zwar bleiben freiwillige Nachhaltigkeitsberichte weiterhin ein wichtiges Kommunikationsinstrument gegenüber Banken, Investoren und Kunden, doch entfällt der bisherige Druck, umfangreiche regulatorische Anforderungen ohne entsprechende Infrastruktur zu erfüllen.
Die EU-Kommission wird künftig Leitlinien herausgeben, die einheitliche Auslegungshilfen bieten sollen. Diese Entwicklung stärkt insbesondere die Rechtssicherheit für grenzüberschreitend tätige Unternehmen, die bislang unter einer Vielzahl nationaler Umsetzungsvorgaben litten. Die Verschiebung der Umsetzungsfrist um ein Jahr – mit Anwendung ab dem 26. Juli 2029 – gibt den Mitgliedstaaten und Unternehmen den notwendigen zeitlichen Spielraum, um Prozesse neu aufzusetzen und interne Kontrollsysteme zu optimieren. Interessant ist auch die im Kompromiss enthaltene Überprüfungsklausel: Sie erlaubt eine spätere Ausweitung des Anwendungsbereichs sowohl bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung als auch beim Lieferkettengesetz, falls die bisherigen Regelungen als zu eng gefasst bewertet werden.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die Einigung stellt für die europäische Unternehmenslandschaft eine wichtige Zäsur zwischen regulatorischer Ambition und wirtschaftlicher Realität dar. Für Unternehmen mittlerer Größe bedeutet sie eine spürbare Entlastung, während größere Konzerne weiterhin als Vorreiter in Sachen Transparenz gefordert bleiben. Steuerberatungskanzleien und Finanzabteilungen sollten die Entwicklungen genau beobachten, um Berichtssysteme frühzeitig an die kommenden Änderungen anzupassen. Es empfiehlt sich, digitale Lösungen zu implementieren, die sowohl Dokumentationspflichten als auch Datenmanagement effizient bündeln. Der Aufbau klarer Prozesse für Nachhaltigkeitsdaten und ESG-Kennzahlen kann nicht nur Compliance-Risiken minimieren, sondern auch strategische Vorteile in Investoren- und Lieferantenbeziehungen schaffen.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen auf diesem Weg und unterstützt bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung. Durch gezielte Automatisierung und strukturierte Datenprozesse helfen wir unseren Mandanten, Verwaltungsaufwand und Kosten zu reduzieren – damit die Nachhaltigkeit nicht nur Berichtspflicht, sondern echter Wirtschaftsfaktor wird.
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