Nießbrauch und Mitunternehmerstatus: Klarstellung zur steuerlichen Einordnung
Mit Urteil vom 2. Juli 2025 (Az. IV R 37/22) hat der Bundesfinanzhof grundlegende Fragen zur Mitunternehmerstellung bei einem Nießbrauch an einem Kommanditanteil geklärt. Diese Entscheidung ist für Steuerberatende, kleinere und mittelständische Unternehmen sowie für spezialisierte Branchen wie Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Familiengesellschaften von erheblicher praktischer Bedeutung. Im Kern befasst sich der BFH mit der Frage, wann ein Nießbraucher als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz anzusehen ist. Die Entscheidung konkretisiert, dass die steuerliche Anerkennung einer Mitunternehmerschaft stets das Vorhandensein zweier Merkmale verlangt – die Mitunternehmerinitiative und das Mitunternehmerrisiko. Beide müssen in einer Weise gegeben sein, dass der Begünstigte wirklich unternehmerisch mitwirken und für die wirtschaftlichen Ergebnisse des Unternehmens haften kann.
Das Urteil erging auf Grundlage einer komplexen familiären Umstrukturierung, bei der ein Kommanditanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen und gleichzeitig mit einem sogenannten Ertragsquotennießbrauch belastet worden war. Diese Konstellation ist in der steuerlichen Praxis häufig anzutreffen, insbesondere in Familienunternehmen, die Vermögenswerte generationenübergreifend strukturieren möchten. Der BFH hatte zu entscheiden, ob der Nießbraucher, dem die Gewinnanteile zustehen, zugleich als Mitunternehmer gelten kann. Die Antwort ist für die Steuerpraxis deshalb zentral, weil sie die Zurechnung der Einkünfte und damit die Besteuerung der beteiligten Personen unmittelbar beeinflusst.
Rechtliche Einordnung und Begründung der Entscheidung
Der Bundesfinanzhof stellte zunächst klar, dass ein Nießbrauch an einem Kommanditanteil steuerlich nicht automatisch zu einer Mitunternehmerstellung führt. Nur wenn dem Begünstigten tatsächlich Mitunternehmerinitiative eingeräumt ist – etwa durch Stimmen, Kontroll- oder Widerspruchsrechte – und zugleich ein Mitunternehmerrisiko, das heißt eine wirtschaftliche Teilnahme am Gewinn und Verlust der Gesellschaft, besteht, kann er als Mitunternehmer gelten. Das bloße Recht auf Gewinnbeteiligung genügt hierfür nicht. Entscheidend ist, ob der Nießbraucher Vermögensverluste tragen könnte oder sich sein eigenes Vermögen durch das Risiko von Verlusten der Gesellschaft mindern kann.
Der BFH betonte, dass das gesetzliche Leitbild des Nießbrauchs nach § 1030 Bürgerliches Gesetzbuch typischerweise keine Beteiligung an Verlusten oder stillen Reserven vorsieht. Das Fruchtziehungsrecht des Nießbrauchers bezieht sich allein auf die Erträge, nicht aber auf die Substanz des Gesellschaftsvermögens. Wird der Nießbrauch also – wie regelmäßig bei Ertragsquotennießbrauch – ohne Verlustbeteiligung und ohne Teilhabe an stillen Reserven ausgestaltet, fehlt das für den Mitunternehmerstatus erforderliche Risiko. Damit wird der Nießbraucher steuerlich nicht Mitunternehmer, selbst wenn er umfassende Einsichts- oder Einflussrechte besitzt.
Besonders relevant ist diese Klarstellung für Gestaltungen im Rahmen von Erbfolgen und Vermögensübertragungen innerhalb von Familiengesellschaften. Wird dort einem ausscheidenden Gesellschafter oder Seniorunternehmer ein Nießbrauch vorbehalten, um dessen Versorgung sicherzustellen, so bleibt dieser nach der Entscheidung nur dann Mitunternehmer, wenn die rechtliche und wirtschaftliche Ausgestaltung des Nießbrauchs über das bloße Fruchtziehungsrecht hinausgeht und ein unternehmerisches Verlustrisiko einschließt. Andernfalls werden die Gewinne der Gesellschaft ausschließlich den tatsächlich beteiligten Gesellschaftern zugerechnet.
Auswirkungen und Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Berater
Für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch für steuerlich beratene Personengesellschaften wie Ärztegemeinschaften, Pflegeeinrichtungen oder Onlinehändler, hat diese Entscheidung erhebliche Bedeutung. Sie schafft Rechtssicherheit bei der steuerlichen Beurteilung von Nießbrauchsgestaltungen an Gesellschaftsanteilen, die vor allem bei Nachfolge- und Versorgungsmodellen eingesetzt werden. Die Kernaussage lautet, dass der Nießbraucher nur dann Mitunternehmer ist, wenn er nicht nur Erträge bezieht, sondern auch durch Verluste oder Wertminderungen betroffen sein kann. Andernfalls sind ihm Gewinne steuerlich nicht zuzurechnen, sondern bleiben beim belasteten Gesellschafter.
Die Entscheidung betrifft zudem die bilanzielle Behandlung solcher Gestaltungen. Der BFH hat klargestellt, dass beim Erwerber eines Kommanditanteils unter Nießbrauchsvorbehalt keine entgeltliche Anschaffung vorliegt, wenn der Nießbrauch unentgeltlich eingeräumt wird. Damit entfällt die Notwendigkeit einer Ergänzungsbilanz. Steuerberatende sollten daher insbesondere prüfen, ob ein Vorbehaltsnießbrauch oder ein Zuwendungsnießbrauch vorliegt, denn hiervon hängt die steuerliche Einordnung und spätere Gewinnzurechnung entscheidend ab. Die fehlerhafte Qualifikation eines Nießbrauchs kann gravierende steuerliche Folgen haben, etwa eine unzutreffende Gewinnverteilung, die zu Mehrbelastungen oder Doppelbesteuerung führt.
Für Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser oder andere gemeinnützig orientierte Gesellschaften verdeutlicht das Urteil zudem die Notwendigkeit, gesellschaftsvertragliche Gestaltungen an steuerliche Vorgaben anzupassen. Gerade dort, wo die Kapitalstruktur auf langfristigen Fortbestand und geregelte Nachfolge ausgerichtet ist, empfiehlt es sich, die Vertragsgestaltung gemeinsam mit steuerlichen und rechtlichen Beraterinnen und Beratern sorgfältig zu überprüfen. Onlinehändler und technologieorientierte Mittelständler, die zunehmend mit Familienholdings arbeiten, sollten die steuerlichen Besonderheiten der Nießbrauchsbestellung ebenfalls berücksichtigen. Eine klare gedankliche Trennung zwischen Eigentum, Ertragsrecht und Risikoübernahme verhindert spätere Steuerkonflikte mit der Finanzverwaltung.
Die Entscheidung des BFH stärkt somit die Praxis, Nießbrauchsrechte steuerlich eher als Einkommensverwendungsabrede statt als Mitunternehmerstellung zu behandeln. Unternehmen profitieren davon, dass der BFH ein eindeutiges Abgrenzungskriterium geschaffen hat, das Planungs- und Rechtssicherheit bringt. Steuerberatende und Finanzabteilungen sollten bestehende Nießbrauchsverträge vor dem Hintergrund dieser Entscheidung überprüfen und gegebenenfalls anpassen.
Schlussfolgerung und Ausblick für die Unternehmenspraxis
Das aktuelle Urteil schafft eine klare Linie in der langjährigen Diskussion um die Mitunternehmerstellung von Nießbrauchern an Kommanditanteilen. Der BFH hebt hervor, dass die bloße Gewinnbeteiligung nicht ausreicht, um steuerlich als Mitunternehmer zu gelten. Entscheidend ist ein tatsächlich tragbares wirtschaftliches Risiko. Dadurch werden Übertragungen von Gesellschaftsanteilen mit vorbehaltenen Nießbrauchsrechten verlässlicher planbar und steuerlich transparenter. Für mittelständische Unternehmen und Berater bietet sich nun ein klarer Orientierungsrahmen, wie Nießbrauchsmodelle rechtsicher ausgestaltet werden können.
Unternehmen, die Nachfolgeplanungen, Familienholdings oder andere komplexe Gesellschaftsstrukturen betreiben, sollten die neue BFH-Linie zwingend berücksichtigen. Eine sorgfältige rechtliche und steuerliche Gestaltung verhindert spätere Konflikte mit dem Finanzamt und sorgt dafür, dass die Einkünfte den richtigen Personen zugeordnet werden. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen, Pflegeeinrichtungen und Onlinehändler bei der rechtssicheren Gestaltung ihrer steuerlichen Prozesse. Wir sind spezialisiert auf die Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung und unterstützen Mandanten dabei, erhebliche Kostenersparnisse und Effizienzsteigerungen zu erzielen.
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