Bauliche Veränderungen im Wohnungseigentumsrecht
In Wohnungseigentümergemeinschaften stellt sich regelmäßig die Frage, wie weit die Gestaltungsfreiheit einzelner Eigentümer reicht, wenn sie Maßnahmen an ihrem Sondereigentum oder am Gemeinschaftseigentum vornehmen möchten. Während das Sondereigentum grundsätzlich frei gestaltet werden darf, erfasst das Gemeinschaftseigentum alle Bauteile, die für den Bestand oder die Sicherheit des Gebäudes von Bedeutung sind, also insbesondere Außenwände, Fenster und tragende Elemente. Jede Veränderung am Gemeinschaftseigentum unterliegt dem besonderen rechtlichen Rahmen des Wohnungseigentumsgesetzes. Der Begriff der „baulichen Veränderung“ beschreibt dabei jede über die ordnungsgemäße Instandhaltung hinausgehende, auf Dauer angelegte und das Gemeinschaftseigentum beeinflussende Maßnahme.
Zu den typischen Streitfällen gehört der Umbau eines Fensters zu einer Balkontür. Diese Änderung betrifft nicht nur die äußere Hülle des Gebäudes, sondern kann auch Auswirkungen auf Statik, Wärmedämmung und Feuchtigkeitsschutz haben. Sie fällt damit eindeutig unter die Kategorie bauliche Veränderung und bedarf der Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Rechtsgrundlage nach Wohnungseigentumsgesetz
Das Wohnungseigentumsgesetz regelt im § 20 Absatz 3 den Anspruch auf Gestattung von baulichen Veränderungen. Danach können Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen verlangen, wenn durch die Maßnahme kein anderer Eigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. Eine Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn das geordnete Zusammenleben erheblich gestört wird oder die Nutzung des Eigentums eines anderen unzumutbar eingeschränkt ist. Bloße theoretische oder hypothetische Risiken reichen nicht aus, um eine Maßnahme zu untersagen.
Das Amtsgericht München hat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 27. Mai 2025 (Az. 1293 C 26254/24) diese Grundsätze erneut bestätigt. Ausgangspunkt war die geplante Umwandlung eines Fensters in einer Loggia in eine zusätzliche Balkontür. Die Eigentümergemeinschaft verweigerte die Zustimmung unter Hinweis auf mögliche Gefahren wie Beeinträchtigungen der Statik oder der Heizungsanlage. Das Gericht kam jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich dabei um nicht ausreichend belegte und rein theoretische Einwände handelte.
Einordnung der gerichtlichen Begründung
Das Gericht stellte zunächst klar, dass der Mauerdurchbruch in der Außenwand eine bauliche Veränderung im Sinne des Gesetzes darstellt. Gleichzeitig hob es hervor, dass Eigentümer einen Anspruch auf Zustimmung haben, wenn keine konkrete und nachvollziehbare Beeinträchtigung anderer Miteigentümer nachgewiesen wird. Dazu führte das Gericht mehrere zentrale Argumentationsschritte aus:
- Eine mögliche Beeinträchtigung durch Versetzung eines Heizkörpers begründet noch keinen relevanten Nachteil, solange konkrete Auswirkungen auf das gesamte Heizsystem nicht belegt sind.
- Der Eingriff in die Außenwand verändert zwar das Gemeinschaftseigentum, stellt jedoch keine unzumutbare Belastung dar, wenn die statische Sicherheit und der Schutz vor Feuchtigkeit durch fachgemäße Planung sichergestellt werden können.
- Theoretische Bedenken bezüglich möglicher Kälte- und Wassereintrittsschäden reichen nicht aus, wenn die Loggia bereits eine schützende Funktion übernimmt und keine objektiv nachvollziehbare Gefahr für die Gesamtheit der Eigentümer dargelegt wird.
Im Ergebnis kam das Gericht daher zu der Auffassung, dass die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zu erteilen sei. Die konkrete Ausgestaltung des Umbaus wurde an die Eigentümerversammlung zurückverwiesen, um die praktischen Modalitäten zu regeln.
Praktische Folgen für Eigentümergemeinschaften
Für Wohnungseigentümergemeinschaften hat diese Entscheidung klare Signalwirkung. Der Spielraum für Eigentümer bei der Gestaltung von Wohnungen und dem angrenzenden Gemeinschaftseigentum ist größer, als häufig angenommen wird. Ein ablehnender Beschluss der Gemeinschaft kann gerichtlich erfolgreich angefochten werden, wenn die Verweigerung nicht auf objektiven und nachweisbaren Beeinträchtigungen beruht. Besonders für Eigentümer in städtischen Wohnanlagen ist dies bedeutsam, da der Wunsch nach mehr Licht, Luft und flexiblerem Zugang zu Balkonen und Loggien oftmals im Fokus steht.
Für Verwalter und Beiräte ergibt sich die Pflicht, Einwände sorgfältig zu prüfen und mit sachgerechten Argumenten zu untermauern. Hypothetische Risiken oder pauschale Sicherheitsbedenken genügen nicht. Andererseits müssen Eigentümer, die eine bauliche Veränderung anstreben, eine fachgerechte Planung sicherstellen, um realen Risiken wie Wärmebrücken oder Feuchtigkeitsschäden vorzubeugen.
Auch Gewerbetreibende oder Unternehmen, die Eigentum an Immobilien halten, sollten die Bedeutung des Urteils beachten. Bauliche Anpassungen, die der funktionalen Optimierung dienen, können nicht ohne weiteres blockiert werden. Vielmehr ist es entscheidend, sachlich und objektiv den Nutzen sowie mögliche Risiken gegeneinander abzuwägen und, falls erforderlich, technische Gutachten beizubringen.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die Entscheidung des Amtsgerichts München verdeutlicht, dass Wohnungseigentümer einen rechtlich abgesicherten Anspruch auf Zustimmung zu baulichen Veränderungen haben, wenn diese keine nachweisbaren konkreten Nachteile für andere Miteigentümer darstellen. Für Eigentümergemeinschaften gilt, dass rein theoretische Befürchtungen nicht ausreichend sind, um Innovationen und Anpassungen am Wohneigentum zu unterbinden. Gleichwohl sind eine sorgfältige Planung, die Einbindung von Fachunternehmen und die transparente Kommunikation mit der Eigentümerversammlung unverzichtbar.
Für viele kleine und mittelständische Unternehmen, die Immobilien als Kapitalanlage oder für den eigenen Geschäftsbetrieb nutzen, bietet die Entscheidung eine wichtige Orientierung. Sie zeigt, dass bauliche Maßnahmen effizient und rechtssicher umgesetzt werden können, sofern sie durchdacht und fachlich fundiert geplant sind. Unsere Kanzlei unterstützt dabei mit umfassender Erfahrung, insbesondere im Bereich Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung. Wir betreuen Mandanten vom kleinen bis zum mittelständischen Unternehmen und helfen dabei, Verwaltungsprozesse effizient zu gestalten und Kostenvorteile konsequent zu nutzen.
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