Eigenhandelserfolg mit eigenen Aktien und steuerliche Einordnung
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 2. Juli 2025 (Az. I R 26/22) grundlegende Aussagen zur steuerlichen Behandlung des Erwerbs eigener Aktien durch eine Aktiengesellschaft getroffen, die diese Anteile als sogenannte Akquisitionswährung einsetzen wollte. Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Frage, wann ein Erwerb eigener Aktien mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines sogenannten Eigenhandelserfolgs im Sinne des § 8b Abs. 7 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes vorliegt. Für Kapitalgesellschaften, Holdingstrukturen, Banken und Finanzdienstleister, aber auch für größere Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Onlinehändler mit Beteiligungsaktivitäten hat dieses Urteil hohe praktische Bedeutung. Es schafft rechtliche Klarheit über den Anwendungsbereich der Steuerbefreiungsvorschriften beim Erwerb und bei der Veräußerung eigener Aktien.
Die Klägerin war eine börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Haupttätigkeit im Erwerb und Halten von Beteiligungen bestand. Sie hatte über mehrere Jahre hinweg eigene Aktien erworben, um diese bei künftigen Unternehmensübernahmen als Tauschobjekt gegen Anteile der Zielgesellschaft – also als Akquisitionswährung – einzusetzen. Nach einem Kursverfall nahm sie auf die eigenen Aktien eine Teilwertabschreibung vor, die steuerlich nicht anerkannt wurde. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 Körperschaftsteuergesetz Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Beteiligungen steuerlich nicht zu berücksichtigen seien. Der Bundesfinanzhof entschied hingegen zugunsten der Klägerin und stellte klar, dass die Ausnahme des § 8b Abs. 7 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz hier eingreift, weil die Aktien mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs erworben wurden.
Begründung und steuerrechtliche Einordnung der Entscheidung
Der Bundesfinanzhof stellte zunächst fest, dass eigene Aktien grundsätzlich unter den Anteilsbegriff des § 8b Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz fallen. Damit gilt die steuerliche Grundregel, dass Gewinne aus der Veräußerung solcher Anteile steuerfrei sind, Verluste dagegen nicht abzugsfähig. Diese generelle Nichtberücksichtigung von Verlusten findet jedoch dort keine Anwendung, wo die spezielle Ausnahme des § 8b Abs. 7 Satz 2 greift. Diese Vorschrift betrifft Anteile, die von sogenannten Finanzunternehmen im Sinne des Kreditwesengesetzes mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs erworben werden. Der Begriff des Eigenhandelserfolgs beschreibt einen Gewinn, der aus dem kurzfristigen Erwerb und Wiederverkauf oder -tausch eigener Bestände entsteht. Der Bundesfinanzhof leitet daraus ab, dass auch ein Tausch, etwa im Rahmen einer Akquisition, eine Veräußerungshandlung sein kann.
In seiner Begründung hebt der Senat hervor, dass es für die Annahme eines kurzfristigen Eigenhandelserfolgs nicht erforderlich ist, dass bereits bei Erwerb der Aktien ein konkreter Zeitpunkt oder eine konkrete Verkaufsgelegenheit feststeht. Entscheidend sei vielmehr die Absicht, den Markt fortlaufend zu beobachten und bei passender Gelegenheit kurzfristig umzuschichten. Damit reicht bereits ein geplanter flexibler Einsatz eigener Aktien bei Unternehmensübernahmen aus, um das Tatbestandsmerkmal der Kurzfristigkeit zu erfüllen. Durch diese Auslegung schafft der Bundesfinanzhof Rechtssicherheit für Unternehmen, die eigene Aktien strategisch als Liquiditäts- oder Akquisitionsinstrument einsetzen. Für steuerberatende Kanzleien bedeutet dies, dass bei der Gestaltung von Erwerbsstrategien eigener Aktien künftig sorgfältig dokumentiert werden sollte, zu welchem Zweck und mit welcher Absicht die Anteile angeschafft werden.
- Die Entscheidung bekräftigt, dass eigene Aktien steuerlich nicht anders behandelt werden als Beteiligungen an fremden Gesellschaften.
- Der Begriff des kurzfristigen Eigenhandelserfolgs erfasst auch Transaktionen, bei denen die Aktien als Tauschobjekt eingesetzt werden.
- Der Zeitpunkt der konkreten Veräußerung ist nicht entscheidend, sondern die Absicht, Marktbewegungen aktiv zu nutzen.
- Für die Praxis ist die klare Abgrenzung von langfristigen strategischen Halteabsichten und kurzfristig intendierten Handelsaktivitäten notwendig, um steuerliche Risiken zu vermeiden.
Konsequenzen für Unternehmen, Finanzinstitute und Berater
Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Planung von Kapitalgesellschaften, die eigene Aktien im Umlaufvermögen halten, und betrifft damit nicht nur börsennotierte Gesellschaften, sondern auch Holdingstrukturen mittelständischer Unternehmensgruppen. Insbesondere Holdinggesellschaften, Pflegekonzerne oder Krankenhausverbünde, die regelmäßig Beteiligungen erwerben oder veräußern, erhalten eine neue Bewertungsgrundlage für die Behandlung eigener Aktien in ihrer Körperschaftsteuerbilanz. Onlinehändler und technologieorientierte Mittelständler, die Beteiligungen als strategisches Wachstumsinstrument nutzen, sollten ebenfalls prüfen, ob eigene Aktien künftig steuerlich günstiger als Akquisitionswährung eingesetzt werden können.
Für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen im weiteren Sinne verdeutlicht der Bundesfinanzhof die Schnittstelle zwischen Handelsrecht und Steuerrecht. Wenn eigene Aktien zur flexiblen Marktbeteiligung genutzt werden, kann der steuerfreie Bereich des § 8b Körperschaftsteuergesetz erhalten bleiben, sofern die Voraussetzungen eines Eigenhandelserfolgs korrekt dokumentiert sind. Das gilt vor allem bei Transaktionen, bei denen Beteiligungsrechte getauscht oder weitergegeben werden. Betriebsprüfungen werden künftig verstärkt darauf achten, ob die Dokumentation der Erwerbsabsicht im Zeitpunkt des Aktienrückkaufs hinreichend klar war. Steuerberatende und Finanzleitungen kleiner und mittlerer Unternehmen sind daher gefordert, Erwerbsmotive und Entscheidungsunterlagen nachvollziehbar festzuhalten.
Für Branchen mit starkem Fusions- und Übernahmegeschehen, etwa im Gesundheitssektor, bei Pflegeeinrichtungen oder bei IT-Dienstleistern, ist der Ansatz einer flexiblen Akquisitionswährung besonders praxisrelevant. Diese Unternehmen profitieren steuerlich, wenn der kurzfristige Charakter nachgewiesen werden kann. Denn dann lassen sich bestimmte Wertminderungen steuerlich geltend machen, die sonst dem allgemeinen Verbot der Verlustberücksichtigung unterlägen. Damit verbessert die Entscheidung die steuerliche Planungssicherheit und eröffnet Gestaltungsspielräume für Unternehmensfinanzierung und Akquisitionsstrategien.
Praxisschlussfolgerung und Bedeutung für die Steuerplanung
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs stärkt die Rechtssicherheit bei der Bewertung eigener Anteile im Rahmen der Körperschaftsteuer. Sie verdeutlicht, dass der Einsatz eigener Aktien als Akquisitionswährung unter bestimmten Umständen einen kurzfristigen Eigenhandelserfolg begründen kann. Unternehmen jeder Größe – vom kleinen Familienbetrieb über mittelständische Unternehmensgruppen bis hin zu spezialisierten Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft – sollten ihre internen Richtlinien für den Erwerb eigener Aktien überprüfen und dokumentierte Entscheidungsprozesse einführen. Eine präzise Festlegung der Erwerbsabsicht erleichtert nicht nur künftige steuerliche Bewertungen, sondern kann auch Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung vermeiden.
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