Rechtlicher Hintergrund zur Datennutzung bei kostenlosen Apps
Die rechtliche Behandlung digitaler Geschäftsmodelle, die Verbrauchern einen scheinbar kostenlosen Zugang zu Leistungen gewähren, rückt zunehmend in den Fokus. Dies betrifft insbesondere mobile Anwendungen und digitale Plattformen, die ihre Angebote ohne unmittelbare Geldzahlung bereitstellen, aber dabei personenbezogene Daten der Nutzenden erheben und verwerten. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (Az. 6 UKl 2/25) bietet hierzu wichtige Orientierung. Streitpunkt war die Frage, ob die Bereitstellung der App „Lidl Plus“ tatsächlich als kostenlos gelten darf, wenn Verbraucher im Gegenzug ihre Daten preisgeben. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die Angabe „kostenlos“ in diesem Zusammenhang rechtlich zulässig ist, da ein Preis im Sinne der gesetzlichen Regelungen nur als Geldbetrag zu verstehen sei.
Zentrale Grundlage dieser Diskussion ist das Unterlassungsklagengesetz, welches Verbraucherverbänden die Möglichkeit eröffnet, gegen Verstöße gegen Verbraucherschutzgesetze vorzugehen. Daneben werden die einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, insbesondere § 312, sowie die Informationspflichten nach Art. 246a des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, für die rechtliche Bewertung herangezogen. Eine wesentliche Frage war, ob die Verpflichtung, personenbezogene Daten bereitzustellen, der Zahlung eines Preises gleichzusetzen ist und damit entsprechende Informationspflichten, etwa zur Angabe eines Gesamtpreises, auslöst.
Die Argumentation des Gerichts und ihre Begründung
Das Oberlandesgericht Stuttgart stellte klar, dass der Begriff Preis eindeutig als Geldleistung zu verstehen ist. Zwar sieht § 312 Absatz 1a Bürgerliches Gesetzbuch vor, dass bestimmte Vorschriften auch dann gelten, wenn Verbraucher ihre Daten bereitstellen. Dennoch betonten die Richter, dass die gesetzliche Pflicht zur Angabe eines Gesamtpreises ausdrücklich auf monetäre Gegenleistungen beschränkt ist. Ein „Datenschutzpreis“ oder eine Pflicht zur quantifizierbaren Darstellung des Werts der Daten in Geldform existiert nach der aktuellen Rechtslage nicht. Der Zweck der Vorschriften zur Preisangabe liegt darin, vor versteckten Zahlungsverpflichtungen zu schützen. Dieser Verbraucherschutz greift jedoch nicht bei der bloßen Bereitstellung von Daten.
Zudem wurde der Vorwurf der Irreführung zurückgewiesen. Zwar ist unstrittig, dass Daten erhoben werden und ihren wirtschaftlichen Wert für den Anbieter entfalten. Der Begriff „kostenlos“ beschreibt jedoch in zulässiger Weise, dass Verbraucher kein Entgelt zu entrichten haben. Das Gericht argumentierte, ein durchschnittlich informierter Nutzer, der die Nutzungsbedingungen aufmerksam liest, werde den Zusammenhang zwischen kostenloser Nutzung und Datenerhebung erkennen. Wer die Bedingungen nicht studiert, nimmt die Angabe „kostenlos“ ohnehin nicht bewusst wahr. Somit besteht keine Irreführung im wettbewerbsrechtlichen Sinne.
Praktische Konsequenzen für Unternehmen
Für Unternehmen, die digitale Plattformen oder Apps kostenlos anbieten und dabei auf Datennutzung setzen, hat diese Entscheidung erhebliche praktische Bedeutung. Handelsunternehmen, Onlinehändler und Dienstleister können ihre Angebote weiterhin mit „kostenlos“ bewerben, solange keine monetäre Zahlungsverpflichtung entsteht. Es bleibt jedoch unabdingbar, die Datenverarbeitung transparent, verständlich und vollständig offenzulegen. Nur so kann dem gesetzlichen Informationsanspruch des Verbrauchers nachgekommen werden. Hier ist insbesondere die Informationspflicht nach § 312d Bürgerliches Gesetzbuch relevant, die in Verbindung mit Art. 246a Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch detaillierte Angaben vorsieht. Transparenz bleibt also der Schlüssel, um Abmahnungen oder gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Zugleich sollten Unternehmen, gerade im Mittelstand, die mit Apps oder Online-Portalen arbeiten, nicht übersehen, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen stetig weiterentwickeln. Die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof durch das Oberlandesgericht zeigt, dass die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist. Es ist daher nicht auszuschließen, dass künftige höchstrichterliche Entscheidungen eine differenziertere Sicht auf das Verhältnis zwischen Datenbereitstellung und Entgeltpflicht entwickeln. Dies könnte insbesondere dann relevant werden, wenn Daten als wirtschaftliches Gut stärker in Preisangaben integriert werden müssen.
Fazit und Handlungsempfehlungen für kleine und mittelständische Unternehmen
Das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart verdeutlicht, dass für die Einordnung eines Angebotes als kostenlos weiterhin ausschließlich auf die monetäre Zahlungsleistung abgestellt wird. Damit erhalten Anbieter von Apps und digitalen Leistungen Rechtssicherheit, solange eine klare und vollständige Information über den Umgang mit erhobenen Daten erfolgt. Für kleine Unternehmen und den Mittelstand bedeutet dies, dass Kundengewinnung über digitale Plattformen mit kostenfreier Nutzung rechtlich zulässig bleibt, sofern die Transparenzpflichten eingehalten werden. Angesichts der schnellen Entwicklung im Verbraucherrecht empfiehlt es sich jedoch, bestehende Prozesse zur Datenschutzerklärung und Nutzerinformation regelmäßig zu überprüfen und anzupassen.
Gerade für mittelständische Betriebe bietet die Auseinandersetzung mit der Frage, wie man Daten rechtssicher integriert und gleichzeitig effizient mit Kunden kommuniziert, eine Chance zur Optimierung. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen nicht nur in steuerlichen und rechtlichen Fragestellungen, sondern hat sich auf die Prozessoptimierung in der Buchhaltung und die Digitalisierung spezialisiert. Durch unsere Begleitung lassen sich erhebliche Kostenersparnisse erzielen, sodass rechtliche Sicherheit und wirtschaftliche Effizienz Hand in Hand gehen.
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