Hintergrund des Urteils und rechtliche Einordnung
Das Landgericht Berlin II hat in einem vielbeachteten Verfahren die Immobilien Scout GmbH wegen unzulässiger Geschäftspraktiken verurteilt. Streitgegenstand waren sowohl eine unerlaubte Form der Werbung für den kostenpflichtigen sogenannten SCHUFA-BonitätsCheck als auch Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorgaben. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband, der erhebliche Nachteile für Wohnungssuchende und eine Verletzung der Datenschutzrechte festgestellt hatte. Das Urteil vom 19. Juni 2025, Aktenzeichen 52 O 65/23, ist noch nicht rechtskräftig, da die Immobilien Scout GmbH Berufung eingelegt hat.
Im Kern stehen hier zwei rechtlich hochrelevante Problemfelder im Fokus: einerseits die Beurteilung von irreführender geschäftlicher Handlung nach § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, die dann vorliegt, wenn Kunden über wesentliche Umstände getäuscht werden, und andererseits die Frage der Rechtmäßigkeit der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten nach der Datenschutz-Grundverordnung. Beide Themen berühren zentrale Compliance-Fragen moderner Geschäftsmodelle im digitalen Umfeld.
Irreführende Werbung im digitalen Geschäftsverkehr
Die Immobilien Scout GmbH hatte für ihr Produkt, den sogenannten SCHUFA-BonitätsCheck, mit Aussagen geworben, die den Eindruck erweckten, eine Bonitätsauskunft sei bereits bei der Wohnungsbesichtigung notwendig, um überhaupt Chancen auf eine Anmietung zu haben. Tatsächlich ist es jedoch nach der aktuellen Rechtsprechung nur zulässig, vor Abschluss eines Mietvertrags die Vorlage entsprechender Bonitätsnachweise zu verlangen. Bereits das Hervorrufen eines gegenteiligen Eindrucks führt zu einer rechtlichen Irreführung, weil Verbraucher zu einer entgeltlichen Zusatzleistung gedrängt werden, die in dieser Situation weder gesetzlich noch vertraglich erforderlich ist.
Diese Klarstellung ist gerade für Wohnungssuchende von entscheidender Bedeutung, da in einem angespannten Immobilienmarkt Unsicherheiten schnell zu finanziellen Belastungen führen können. Für Unternehmen wiederum macht das Urteil deutlich, dass jede werbliche Gestaltung sorgfältig darauf zu prüfen ist, ob sie einen falschen Eindruck über rechtliche Rahmenbedingungen oder den tatsächlichen Nutzen eines Produkts erweckt. Gerade Onlinehändler und Plattformbetreiber müssen berücksichtigen, dass eine dominierende Platzierung verkaufsfördernder Botschaften, die die tatsächliche Rechtslage in den Hintergrund treten lassen, als unzulässig eingestuft wird.
Datenschutzrechtliche Fragestellungen und Grenzen
Ein zweiter Schwerpunkt des Urteils betrifft die datenschutzrechtliche Beurteilung der sogenannten Selbstauskunft. Nutzer der Immobilienplattform konnten dort zahlreiche sensible persönliche Angaben eingeben, wie Einkommenshöhe oder persönliche Lebensumstände. Das Landgericht Berlin stellte fest, dass es für diese Verarbeitung der Daten an einer wirksamen Rechtsgrundlage mangelte. Die Datenschutz-Grundverordnung sieht vor, dass eine solche Datenverarbeitung entweder durch eine klare gesetzliche Grundlage oder durch eine freiwillige und unmissverständliche Einwilligung des Betroffenen legitimiert sein muss. Beides war hier nach der Bewertung des Gerichts nicht der Fall.
Unternehmen können aus diesem Teil des Urteils zentrale Lehren ziehen. Datenerhebung im Onlinegeschäft darf niemals allein durch allgemeine Hinweise oder Verweise auf vermeintliche Sicherheit gerechtfertigt werden. Vielmehr muss die Zustimmung der Nutzer eindeutig, informiert und frei von Drucksituationen erfolgen. Auch der Aufbau digitaler Formulare ist daher kritisch zu prüfen: Sind die Pflichtfelder wirklich erforderlich für die angestrebte Vertragsbeziehung oder handelt es sich um überobligatorische Informationen, deren Erhebung rechtswidrig ist? Solche Fragen sind keine bloße Formalität, sondern können erhebliche rechtliche Risiken mit sich bringen.
Praktische Konsequenzen für Unternehmen
Die Entscheidung ist nicht nur für Immobilienportale von Relevanz, sondern entfaltet Signalwirkung für alle Unternehmen, die digitale Dienstleistungen mit zusätzlichem Daten- oder Produktangebot verknüpfen. Ob Onlinehändler, Betreiber von Marktplätzen oder innovative Dienstleister im Bereich E-Health oder Pflegeeinrichtungen: überall dort, wo klare Informationspflichten bestehen und personenbezogene Daten verarbeitet werden, sind Transparenz und Rechtskonformität zwingend einzuhalten. Gerade der Mittelstand steht häufig im Spannungsfeld zwischen Kundenfreundlichkeit, Wettbewerbsdruck und rechtskonformer Umsetzung digitaler Geschäftsprozesse. Werbende Aussagen dürfen nicht suggerieren, dass eine Leistung rechtlich geboten ist, wenn dies tatsächlich nicht zutrifft. Parallel ist jede Datenverarbeitung so auszugestalten, dass sie mit den Anforderungen der geltenden Datenschutzregeln im Einklang steht.
Unternehmen sind gut beraten, ihre gesamte digitale Kommunikation und insbesondere die Gestaltung ihrer Vertragsabschlüsse einer genauen rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Gleichzeitig sollten technische Prozesse so angepasst werden, dass sie nur die Daten erheben, die zwingend erforderlich sind. Eine dokumentierte, freiwillige und ausdrückliche Einwilligung sollte dort, wo sie erforderlich ist, vorliegen und jederzeit widerrufbar sein. Das Fehlen solcher Prozesse kann nicht nur zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen, sondern auch den Unternehmensruf langfristig beschädigen.
Fazit und Handlungsempfehlung
Das Urteil des Landgerichts Berlin mahnt eindringlich, wie sensibel die rechtliche Bewertung von Werbung und Datenverarbeitung im digitalen Geschäftsverkehr ist. Für Unternehmen aller Branchen bedeutet dies, dass sowohl Marketingaussagen als auch digitale Prozesse mit höchster Sorgfalt und rechtlicher Expertise überprüft werden müssen. Nur so lassen sich Risiken vermeiden und Vertrauen sowohl bei Kundinnen und Kunden als auch bei Geschäftspartnern aufbauen. In unserer Kanzlei begleiten wir kleine wie mittelständische Unternehmen bei der Optimierung ihrer Prozesse, mit besonderem Fokus auf die Digitalisierung der Buchhaltung. Die daraus resultierenden Effizienzsteigerungen und deutlichen Kostenvorteile ermöglichen unseren Mandanten, rechtssicher und zugleich wirtschaftlich nachhaltig zu agieren.
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