Rechtlicher Hintergrund des Informationszugangs
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 17. Dezember 2025 (Az. 10 C 5.24) klargestellt, dass ein Bieter nach Abschluss eines öffentlichen Vergabeverfahrens einen Anspruch auf Einsicht in die Begründung der Bewertung seines eigenen Angebots hat. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes. Das Informationsfreiheitsgesetz gewährt jeder Person das Recht, Zugang zu amtlichen Informationen zu erhalten, soweit keine spezialgesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften entgegenstehen. Für Unternehmen, die regelmäßig an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen, eröffnet diese Entscheidung eine neue Möglichkeit, die Vergabepraxis öffentlicher Auftraggeber transparenter zu überprüfen und die eigene Teilnahme an Ausschreibungsverfahren zu verbessern.
Konkret bedeutet dies, dass ein Unternehmen, das sich an einer Ausschreibung beteiligt, auch dann Kenntnis über die Kriterien und Bewertungen erhalten kann, wenn sein Angebot erfolglos geblieben ist. Der Zugang beschränkt sich jedoch auf die Informationen, die den eigenen Angebotsinhalt und dessen Bewertung betreffen. Daten anderer Bieter bleiben weiterhin geschützt. Das Gericht stellte klar, dass der Zweck der einschlägigen Regelungen in der Vergabeverordnung, nämlich der Schutz vertraulicher Unternehmensdaten, der Herausgabe solcher Informationen an den betroffenen Bieter selbst nicht entgegensteht.
Bedeutung für Unternehmen und öffentliche Auftraggeber
Für Unternehmen, die regelmäßig mit öffentlichen Auftraggebern zusammenarbeiten – etwa Bauunternehmen, Pflegeeinrichtungen oder IT-Dienstleister –, hat diese Entscheidung hohe praktische Relevanz. Bisher blieb die Bewertung des eigenen Angebots nach Vergabeentscheidungen oft intransparent, was den betroffenen Unternehmen kaum Anhaltspunkte für interne Verbesserungen bot. Nun besteht die Möglichkeit, aus den Begründungen der Bewertungsentscheidung zu lernen und zukünftige Angebote gezielter an die Anforderungen anzupassen. Auch kleinere und mittelständische Unternehmen, die weniger Erfahrung mit Vergabeprozessen haben, können hiervon profitieren, da sie Erkenntnisse über Bewertungsmaßstäbe und Entscheidungsfaktoren gewinnen.
Öffentliche Auftraggeber sind im Gegenzug gefordert, ihre Bewertungsdokumentationen so zu gestalten, dass sie einer späteren Einsichtnahme standhalten. Das umfasst nachvollziehbare und rechtssichere Begründungen für jede Bewertung. Eine sorgfältige Dokumentation ist nicht nur aus Gründen der Transparenz notwendig, sondern auch, um Rechtssicherheit bei eventuellen Informationsanträgen zu gewährleisten. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts führt somit zu einer Stärkung der Transparenz und zu einem höheren Qualitätsanspruch in der öffentlichen Auftragsvergabe.
Juristische Einordnung und Abgrenzung zu vergaberechtlichen Vorschriften
In seiner Begründung hat das Gericht betont, dass vergaberechtliche Vorschriften, die sich auf ein abgeschlossenes Verfahren beziehen, dem Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich nachrangig sind. Nach Abschluss der Vergabe ist das Ziel des Vergaberechts – nämlich die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs – erreicht, sodass Informationsinteressen der Beteiligten im Vordergrund stehen können. Die Regelungen des § 5 Absatz 2 Satz 2 der Vergabeverordnung, die den Schutz übermittelter Unternehmensinformationen gewährleisten, sollen verhindern, dass wettbewerbsrelevante Daten an Dritte gelangen. Sie schließen jedoch ausdrücklich nicht die Weitergabe von Informationen an denjenigen Bieter aus, dessen eigene Angebotsbewertung betroffen ist.
Dies unterstreicht, dass der Gesetzgeber eine klare Trennung zwischen wettbewerbsrelevanten Informationen und der Einsicht in die eigene Bewertung zieht. Unternehmen sollten diesen Aspekt kennen, um ihre Rechte gezielt wahrnehmen zu können. Eine strategische Nutzung dieses Informationsanspruchs kann zudem dabei helfen, zukünftige Angebote präziser zu gestalten und interne Prozesse in der Angebotserstellung zu verbessern. Für Beratungspraxen, die Mandanten bei der Teilnahme an Ausschreibungen unterstützen, entsteht durch diese Entscheidung ebenfalls ein Mehrwert, da sie auf belastbare Vergleichsdaten aus ersten Hand zurückgreifen können.
Praktische Konsequenzen und Fazit
In der praktischen Anwendung sollten Unternehmen bei Ablehnung ihres Angebot stets prüfen, ob ein Auskunftsbegehren nach dem Informationsfreiheitsgesetz sinnvoll ist. Der Anspruch ist nicht automatisiert, sondern muss aktiv geltend gemacht werden. Dabei empfiehlt sich eine präzise Formulierung des Antrags, die klarstellt, dass ausschließlich Informationen zur Bewertung des eigenen Angebots angefordert werden. Dies minimiert das Risiko, dass der Antrag mit Hinweis auf den Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen anderer Bieter abgewiesen wird. Kleine und mittelständische Betriebe, die regelmäßig in Ausschreibungsverfahren eingebunden sind, können diesen Rechtsanspruch als wertvolles Instrument nutzen, um Qualität und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Angebote kontinuierlich zu optimieren.
Die Entscheidung trägt damit auch zur Stärkung einer fairen und offenen Vergabekultur bei. Unternehmen können ihr Prozessverständnis erheblich verbessern und nachvollziehen, auf welchen Kriterien ihre Bewertung beruhte. Der Zugang zu dieser Information ermöglicht es, betriebsinterne Kalkulations- und Angebotsstrategien besser auszurichten. Für öffentliche Auftraggeber ergibt sich die Verpflichtung, Dokumentationen transparent und nachvollziehbar zu führen, um Informationsbegehren zügig und rechtssicher bedienen zu können. In der Gesamtschau wird die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung dadurch strukturierter und effizienter.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der rechtssicheren Gestaltung solcher Verfahren, insbesondere im Bereich der Prozessoptimierung in der Buchhaltung und der Digitalisierung. Durch gezielte Beratung und den Einsatz moderner digitaler Strukturen unterstützen wir unsere Mandanten dabei, Transparenz- und Dokumentationspflichten effizient zu erfüllen und gleichzeitig Kosten nachhaltig zu senken.
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