Neue Bewertung der Arbeitgeberpflichten bei Quarantäne
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 9. Oktober 2025 (Az. 3 C 14.24) eine für Arbeitgeber bedeutsame Entscheidung gefällt: Unternehmen, die während einer behördlich angeordneten Absonderung wegen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus das Arbeitsentgelt fortgezahlt haben, können dafür keine Erstattung aus öffentlichen Mitteln nach dem Infektionsschutzgesetz verlangen. Diese Rechtsprechung konkretisiert, wie die Schnittstelle zwischen Entgeltfortzahlungsgesetz und Infektionsschutzgesetz bei infektiösen, aber symptomlosen Arbeitnehmern zu werten ist. Für Arbeitgeber, insbesondere im Dienstleistungssektor, in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und vergleichbaren Bereichen, hat dieses Urteil erhebliche praktische Relevanz.
Der Fall betraf ein Reinigungsunternehmen, das einer Minijobberin trotz ihrer Absonderung das vereinbarte Entgelt fortzahlte und anschließend eine Erstattung beantragte. Das zuständige Amt lehnte dies ab, mit dem Hinweis, dass kein Verdienstausfall vorliege. Das Unternehmen klagte erfolglos durch die Instanzen bis zur höchstrichterlichen Entscheidung – mit klarem Ergebnis: Die Entgeltfortzahlung war gesetzlich geschuldet, ein Anspruch nach dem Infektionsschutzgesetz bestand daher nicht.
Rechtsgrundlagen: Entgeltfortzahlung und Entschädigung
Das Entgeltfortzahlungsgesetz verpflichtet Arbeitgeber, Arbeitnehmern im Krankheitsfall für bis zu sechs Wochen das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen, sofern eine Krankheit ursächlich für die Arbeitsunfähigkeit ist. Eine Krankheit im Sinne des Gesetzes liegt nach ständiger Rechtsprechung bereits dann vor, wenn ein regelwidriger körperlicher Zustand besteht – unabhängig davon, ob Symptome auftreten. Wer also mit dem Virus infiziert ist, gilt als krank, auch wenn keine Beschwerden bestehen. Wenn eine Person durch rechtliche Vorgaben daran gehindert ist, ihre Arbeitsleistung zu erbringen, liegt eine Arbeitsunfähigkeit vor.
Das Infektionsschutzgesetz dagegen dient der Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Es regelt in § 56 die Entschädigung bei Verdienstausfall, der entsteht, wenn ein Arbeitnehmer wegen behördlicher Maßnahmen zur Krankheitsverhütung nicht arbeiten darf und keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt hat. Der entscheidende Unterschied liegt also darin, dass eine Entschädigung nur bei tatsächlichem Verdienstausfall gezahlt werden darf. Sobald der Arbeitgeber – wie im entschiedenen Fall – bereits aufgrund anderer gesetzlicher Pflichten zur Zahlung verpflichtet ist, entfällt die Grundlage für eine Erstattung durch den Staat.
Praktische Konsequenzen für Unternehmen
Für kleine und mittelständische Unternehmen ergibt sich daraus die Notwendigkeit, genau zu prüfen, ob die Entgeltfortzahlungspflicht greift oder ob tatsächlich ein Verdienstausfall im Sinne des Infektionsschutzgesetzes vorliegt. Wird ein Mitarbeiter positiv auf eine Infektionskrankheit getestet und befindet sich aufgrund dieser Infektion in Absonderung, dann besteht bei bestehender Beschäftigungspflicht in aller Regel eine Verpflichtung des Arbeitgebers, das Entgelt fortzuzahlen. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei nicht personalbedingt verhinderter Arbeitsleistung ohne Infektion, käme eine Entschädigung in Betracht.
Unternehmen im Gesundheitswesen, im Einzelhandel oder im produzierenden Gewerbe, deren Mitarbeitende häufig körperlich anwesend sein müssen, sind von dieser Entscheidung besonders betroffen. Ein symptomlos infizierter Beschäftigter, der sich absondern muss, kann seine Arbeit rechtlich nicht verrichten. Das Gericht stellt klar, dass in einer solchen Konstellation keine staatliche Entlastung erfolgen kann, selbst wenn der wirtschaftliche Druck für Arbeitgeber hoch ist. Diese Auslegung verhindert eine doppelte Zahlungspflicht des Staates und konkretisiert zugleich die finanzielle Verantwortung der Unternehmen im Krankheitsfall ihrer Beschäftigten.
Fazit und Handlungsempfehlung
Das Urteil stärkt die rechtliche Trennlinie zwischen Entgeltfortzahlung und staatlicher Entschädigung. Arbeitgeber sollten künftig sorgfältig dokumentieren, auf welcher Grundlage Zahlungen in Quarantänefällen erfolgen. Insbesondere sollten sie prüfen, ob eine tatsächliche Arbeitsunfähigkeit – rechtlicher oder gesundheitlicher Art – vorliegt, bevor sie Erstattungsanträge stellen. Zugleich ist es ratsam, innerbetriebliche Prozesse und Abwesenheitsregelungen so zu gestalten, dass Nachweise über den Krankheitsstatus und die Dauer der Absonderung eindeutig vorliegen.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung betrieblicher Abläufe empfehlen wir, entsprechende Prozessketten digital zu erfassen und automatisierte Schnittstellen zwischen Personalverwaltung und Buchhaltung zu schaffen. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen dabei, diese Prozesse effizient und rechtskonform zu gestalten, insbesondere wenn es um Fragen der Lohnabrechnung und um digitale Optimierung in der Finanzbuchhaltung geht. Durch unsere Erfahrung mit der Prozessoptimierung und digitalen Transformation in Buchhaltungsabläufen helfen wir, Kosten zu senken und rechtliche Risiken zu minimieren.
Gerichtsentscheidung lesen