Rechtliche Grundlagen der Hygieneverantwortung in Kliniken
Die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Hygiene gehört zu den zentralen Qualitätsmerkmalen der stationären Gesundheitsversorgung. Sie dient nicht nur dem Schutz der Patientinnen und Patienten, sondern stellt auch eine wesentliche Voraussetzung für die Vergütungsfähigkeit komplexer Behandlungsformen dar. Grundlage ist die Verpflichtung der Krankenhäuser, sogenannte Strukturmerkmale zu erfüllen. Diese Merkmale definieren verbindliche Voraussetzungen, die eine Einrichtung organisatorisch, personell und technisch vorhalten muss, um bestimmte medizinische Leistungen abrechnen zu dürfen. Insbesondere bei infektionsrelevanten Behandlungen wird der Nachweis dieser Strukturqualität durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung geprüft. Der Medizinische Dienst kontrolliert dabei, ob Einrichtungen über qualifiziertes, eigenes Fachpersonal verfügen, das für die Überwachung und Umsetzung von Hygienemaßnahmen verantwortlich ist.
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat sich mit Beschluss vom 2. Dezember 2025 (Az. L 16 KR 401/25 B ER) erneut mit der Frage befasst, unter welchen Umständen Hygieneaufgaben an externe Dienstleister übertragen werden dürfen und ob dies ausreicht, um das Strukturmerkmal der eigenen Hygienefachkraft zu erfüllen. Der Fall verdeutlicht, dass die Anforderungen an den Nachweis interner Strukturen eng auszulegen sind und externes Personal grundsätzlich nicht als gleichwertig anzusehen ist.
Die Bedeutung der Strukturmerkmale für die Abrechnung
Strukturmerkmale sind in der Krankenhausvergütung mehr als nur formale Voraussetzungen. Sie stellen sicher, dass nur solche Einrichtungen eine bestimmte, meist besonders aufwändige Behandlung abrechnen dürfen, die die dafür erforderlichen Qualitätsstandards nachweislich erfüllen. Dazu gehören Ausstattung, Prozessorganisation und Qualifikation des Personals. Das Gericht betont, dass diese Vorgaben zwingend einzuhalten sind und ökonomische Überlegungen keine Abweichungen rechtfertigen. Wer bestimmte Behandlungen anbietet, muss zugleich über die notwendigen Ressourcen verfügen. Ein Krankenhaus, das eine Hygienefachkraft lediglich über ein externes Kooperationsmodell beschäftigt, erfüllt das strukturbedingte Qualitätsniveau damit nicht in der erforderlichen Art und Weise.
Hintergrund dieser strikten Auslegung ist das allgemeine Qualitätsgebot, das nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch die Prozessqualität umfasst. Es soll verhindern, dass Kostendruck oder organisatorische Zwänge die Sicherheit der Patientenbehandlung gefährden. Eine Delegation der Hygieneverantwortung an externe Dienstleister ist deshalb nur insoweit zulässig, wie die Kernverantwortung und Weisungsbefugnis bei der medizinischen Einrichtung selbst verbleiben. Der Medizinische Dienst kann im Rahmen seiner Beurteilung verlangen, dass ein eigener Mitarbeiter mit entsprechender Fachausbildung dauerhaft angestellt und organisatorisch verantwortlich ist.
Abrechnungsrechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen für Krankenhäuser
Der Beschluss des Landessozialgerichts zeigt, dass Verstöße gegen Strukturvorgaben nicht nur juristische, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen. Wird die Bescheinigung des Medizinischen Dienstes über das Vorhandensein der Strukturmerkmale verweigert, ist das Krankenhaus nicht berechtigt, die betroffenen Leistungen gegenüber den Krankenkassen abzurechnen. Gerade kleinere Fachkrankenhäuser stehen dadurch vor spürbaren finanziellen Herausforderungen. Das Gericht hat jedoch klargestellt, dass bloße Umsatzeinbußen keine ausreichende Grundlage für ein Eilverfahren darstellen. Nur wenn eine konkrete Existenzgefährdung oder ein unzumutbarer Liquiditätsentzug vorliegt, kann ein vorläufiger Rechtsschutz greifen. Unternehmen im Gesundheitswesen sind daher gut beraten, frühzeitig ihre Organisationsstrukturen an die rechtlichen Anforderungen anzupassen.
Für Klinikleitungen bedeutet das, dass sie interne Verantwortlichkeiten klar dokumentieren und die Einbindung externer Fachkräfte rechtlich und fachlich sauber gestalten müssen. Eine Kooperationsvereinbarung mit einem externen Hygienedienst kann zwar unterstützend wirken, ersetzt aber nicht die notwendige interne Zuständigkeit. Wichtig ist, dass Prozesse und Dienstanweisungen so aufgesetzt werden, dass die Einrichtung zu jedem Zeitpunkt über die Kontrolle des Hygienemanagements verfügt und dies im Rahmen von MD-Prüfungen durch Unterlagen und Personalakten nachgewiesen werden kann.
Fazit: Konsequente Strukturqualität und vorausschauende Prozessgestaltung
Für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen bedeutet die Entscheidung einen deutlichen Hinweis darauf, dass eine Entlastung durch externe Ressourcen nur in einem klar begrenzten Rahmen möglich ist. Wer auf die Unterstützung von Dienstleistungsunternehmen setzt, muss zugleich sicherstellen, dass die interne Qualitätssicherung uneingeschränkt funktionsfähig bleibt. Gerade im Hinblick auf zunehmend engmaschige Kontrollen durch Kostenträger und Medizinischen Dienst sind eindeutige Verantwortlichkeiten, transparente Prozessbeschreibungen und eine nachweislich fest angestellte Hygienefachkraft unverzichtbare Bestandteile eines rechtssicheren Organisationsmodells.
Die juristische Entwicklung unterstreicht einmal mehr, dass Qualitätsmanagement und Strukturprüfung integrale Bestandteile einer nachhaltigen Krankenhausführung geworden sind. Neben der juristischen Risikominimierung spielen auch wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle, denn das Nichteinhalten der Strukturvorgaben kann erhebliche Einnahmeverluste nach sich ziehen. In einer zunehmend digitalisierten Gesundheitswirtschaft bietet sich die Chance, durch softwaregestützte Prozessoptimierung und elektronische Dokumentation die Nachweisführung zu erleichtern und interne Abläufe effizient zu gestalten. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen – darunter auch Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen – bei der Optimierung ihrer buchhalterischen und organisatorischen Prozesse. Durch gezielte Digitalisierungslösungen und integrierte Compliance-Strukturen unterstützen wir unsere Mandanten dabei, rechtliche Anforderungen kosteneffizient und zukunftssicher umzusetzen.
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