Hintergrund des Falls und rechtlicher Rahmen
Der Bundesgerichtshof hat am 30. September 2025 in der Sache II ZR 154/23 über die Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen im Zusammenhang mit Haftungsvergleichen im Dieselskandal entschieden. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Zustimmung der Hauptversammlung der Volkswagen AG zu einem sogenannten Deckungsvergleich mit D&O-Versicherern rechtmäßig erfolgt ist. D&O-Versicherungen, kurz für Directors and Officers Liability Insurance, sind spezielle Haftpflichtversicherungen für Geschäftsleiter, Vorstände und Aufsichtsräte. Diese dienen dem Schutz vor persönlichen Haftungsrisiken bei Pflichtverletzungen im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit.
Die Volkswagen AG hatte im Jahr 2021 Haftungsvergleiche mit ehemaligen Vorständen abgeschlossen. Diese enthielten Zahlungen der betroffenen Manager sowie erhebliche Summen von den D&O-Versicherern. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass die Gesellschaft künftig bestimmte Organmitglieder nicht mehr in Anspruch nimmt. Über diese Vereinbarungen beschloss die Hauptversammlung mit überwältigender Mehrheit, allerdings wurden von Aktionärsvereinigungen Anfechtungsklagen erhoben. Das Verfahren zeigt exemplarisch, wie eng Gesellschaftsrecht, Organhaftung und Informationsrechte von Aktionären miteinander verbunden sind.
Kernaussagen der Entscheidung
Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass der Beschluss über die Zustimmung zum Deckungsvergleich nichtig ist. Anlass dafür war ein Verstoß gegen die Einberufungsvorschriften des § 121 Aktiengesetz, die vorschreiben, dass in der Einladung zur Hauptversammlung die Tagesordnung klar angegeben werden muss. Da wesentliche Punkte wie die Einbeziehung weiterer Organmitglieder nicht ausdrücklich in der Tagesordnung aufgeführt waren, sondern nur in ergänzenden Berichten, fehlte Transparenz. Für den durchschnittlichen Aktionär war nicht erkennbar, dass der Beschluss auch einen weitreichenden Verzicht auf mögliche Ansprüche gegen andere Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder enthielt.
Besondere Bedeutung hat darüber hinaus die Auslegung des § 243 Aktiengesetz, wonach Beschlüsse angefochten werden können, wenn Informationsrechte verletzt wurden. Hier bemängelte der Bundesgerichtshof, dass Aktionären keine hinreichenden Auskünfte über die Vermögensverhältnisse der betroffenen Ex-Manager gemacht wurden. Da die Gesellschaft ihre Einschätzung maßgeblich auf die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit dieser Personen stützte, wären detailliertere Angaben erforderlich gewesen. Nur so hätten Aktionäre sachgerecht über die Vor- und Nachteile der Haftungsvergleiche befinden können.
Praktische Relevanz für Unternehmen
Die Entscheidung unterstreicht für Aktiengesellschaften und ihre Anteilseigner die Wichtigkeit einer sorgfältigen Einladungsgestaltung sowie der umfassenden Information der Aktionäre. Fehler bei der Einberufung führen nicht nur zu rechtlichen Risiken, sondern können auch erhebliche finanzielle Auswirkungen haben, wenn Beschlüsse im Nachhinein für nichtig erklärt werden. Für kleine und mittelständische Unternehmen, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft tätig sind, ist dies ein ernstzunehmender Hinweis auf die Notwendigkeit präziser Corporate-Governance-Prozesse. Aber auch GmbHs, die häufig ebenfalls Gesellschafterversammlungen mit Beschlussfassungen abhalten, können Lehren ziehen. Zwar gelten hier die spezialgesetzlichen Vorschriften des GmbH-Gesetzes, doch die Bedeutung transparenter Informationsweitergabe bleibt gleich.
Mit Blick auf die Haftungsfragen macht der Fall zudem deutlich, dass sorgfältige Dokumentation der Pflichtenerfüllung durch Vorstände oder Geschäftsführer unabdingbar ist. In einer immer komplexer werdenden Unternehmenswelt nehmen die Anforderungen an das Risikomanagement zu. D&O-Versicherungen können hier ein wichtiges Element der Absicherung darstellen, sie lösen aber nicht die grundsätzliche Pflicht, gegenüber den Aktionären oder Gesellschaftern klare und vollständige Informationen zu liefern.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs stärkt die Rechte der Aktionäre und mahnt Unternehmensleitungen zu höchster Sorgfalt bei der Vorbereitung und Durchführung ihrer Hauptversammlungen. Transparenz bei der Tagesordnung und Offenlegung relevanter Informationen sind unerlässlich, um die Anfechtbarkeit von Beschlüssen zu vermeiden. Unternehmen, gleich ob groß oder mittelständisch, sollten ihre internen Prozesse prüfen und sicherstellen, dass rechtliche Vorgaben konsequent eingehalten werden. Besonders online tätige Unternehmen oder soziale Einrichtungen mit komplexen Strukturen profitieren von klaren Verfahrensabläufen und einer frühzeitigen juristischen Begleitung bei Beschlussfassungen. Eine kontinuierliche Digitalisierung der Informations- und Kommunikationsprozesse trägt dazu bei, rechtliche Risiken zu minimieren und Entscheidungsprozesse nachvollziehbar zu gestalten.
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