Haftungsrahmen nach dem Übereinkommen von Montreal
Mit einer aktuellen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union wurde klargestellt, dass im Rahmen internationaler Flugreisen auch Haustiere als „Reisegepäck“ im Sinne des Übereinkommens von Montreal zu verstehen sind. Dieses Übereinkommen, vollständig „Abkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr“, regelt seit 2004 in der Europäischen Union die Rechte und Pflichten von Luftfahrtunternehmen sowie die Haftungsfragen bei Beförderung von Personen, Gütern und Gepäck. Der Begriff des Reisegepäcks umfasst nach der unionsgerichtlichen Auslegung nicht nur Gegenstände im herkömmlichen Sinne, sondern kann auch Tiere einschließen, sofern diese im Rahmen des Fluges transportiert werden.
Das Übereinkommen von Montreal sieht eine Haftungsbeschränkung für den Verlust, die Beschädigung oder die verspätete Auslieferung von aufgegebenem Reisegepäck vor. Nur wenn die Passagierin oder der Passagier vor Reiseantritt den Wert der Sendung ausdrücklich deklariert und einen entsprechenden Zuschlag entrichtet hat, kann der Ersatz über den üblichen Höchstbetrag hinausgehen. Andernfalls besteht eine pauschale Haftungsgrenze, die auch immaterielle Schäden – etwa den Verlust emotional bedeutsamer Gegenstände oder Lebewesen – einschließt.
Rechtliche Einordnung der Entscheidung und ihre Begründung
Der Gerichtshof stellte in seiner Entscheidung vom 16. Oktober 2025 in der Rechtssache C‑218/24 klar, dass Haustiere beim Lufttransport nicht generell von der Haftungssystematik ausgenommen werden. Zwar ist ein Tier kein „Reisender“ im Sinne des Abkommens, doch wird es als Teil des aufgegebenen Gepäcks befördert und fällt somit in den Haftungsbereich für Reisegepäck. Diese rechtliche Einordnung verfolgt das Ziel, die Haftungsbedingungen zu vereinheitlichen und eine klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten zwischen Luftfahrtunternehmen und Reisenden zu schaffen.
Bemerkenswert ist, dass der Gerichtshof den Tierschutz ausdrücklich berücksichtigt hat. Der Schutz des Wohlergehens von Tieren ist eine von der Europäischen Union anerkannte Zielsetzung des Gemeinwohls. Gleichwohl widerspricht dieser Grundsatz nicht der Einordnung von Tieren als Reisegepäck, solange bei der Beförderung sämtliche Vorgaben zum Tierwohl eingehalten werden. Die Abgrenzung zwischen Personen, Gütern und Gepäck bleibt damit juristisch klar, ohne den ethischen Stellenwert des Tierschutzes zu mindern. Für Unternehmen der Luftfahrtbranche bedeutet dies, dass sie im Rahmen ihrer Beförderungsbedingungen nicht nur organisatorische, sondern auch haftungsrechtliche Anpassungen prüfen müssen, insbesondere im Hinblick auf Transportbestimmungen, Versicherungen und Kundeninformation.
Praktische Auswirkungen für Passagiere und Luftfahrtunternehmen
Für Reisende ergibt sich aus der Entscheidung eine erhöhte Verantwortung, den Wert oder das besondere Interesse an der Ablieferung eines Tieres vor Abflug ausdrücklich anzugeben. Unterbleibt eine solche Deklaration, ist der finanzielle Ersatz auf die im Übereinkommen vorgesehene Pauschale beschränkt. Im Ergebnis führt dies dazu, dass emotionale Verluste nicht gesondert ersetzt werden, sofern kein höherer Haftungsbetrag vereinbart wurde. Tierhalterinnen und Tierhalter sollten daher – vergleichbar mit dem Transport wertvoller Güter – prüfen, ob eine zusätzliche Versicherung oder Wertdeklaration wirtschaftlich sinnvoll ist.
Für Fluggesellschaften wiederum entsteht die Verpflichtung, ihre Beförderungsverträge und Informationspflichten klarer zu gestalten. Das bedeutet vor allem, die Bedingungen zur Haftungsgrenze und zur Möglichkeit der Wertdeklaration transparent zu kommunizieren. Auch der technische und organisatorische Schutz von Tieren während des Transportes – etwa durch geeignete Käfige, Temperaturkontrolle und Betreuung auf dem Flughafen – bleibt essenziell, um Haftungsrisiken und Reputationsschäden zu vermeiden. Diese Entscheidung hat darüber hinaus mittelbar Bedeutung für Versicherungsunternehmen, Logistikdienstleister und Reiseveranstalter, die Transporte von Haustieren als Zusatzleistung anbieten.
Im internationalen Vergleich bestätigt der Gerichtshof damit die bisherige Tendenz, den Begriff des Reisegepäcks funktional und nicht rein formal zu verstehen. Entscheidend ist der objektive Zusammenhang mit der Flugreise und nicht die Beschaffenheit des transportierten Gutes. Unternehmen, die regelmäßig auf internationaler Ebene operieren, müssen ihre Vertragsgestaltung an diese Auslegung anpassen, um Konflikte im Haftungsfall zu vermeiden. Besonders für Carrier oder Charterunternehmen, die mit individuellen Transportlösungen werben, ergibt sich daraus eine unmittelbare Notwendigkeit, bestehende Vertragsmuster zu überprüfen.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit für Reisende und Unternehmen gleichermaßen. Haustiere gelten bei Flugreisen nun eindeutig als Teil des Reisegepäcks im Sinne des Übereinkommens von Montreal, wodurch der Rahmen der gesetzlichen Haftung präzisiert wurde. Für Luftfahrtunternehmen bedeutet dies keine Ausweitung, wohl aber eine Klarstellung ihrer Ersatzpflichten. Für Passagiere wiederum verdeutlicht die Entscheidung die Bedeutung einer klaren Wertdeklaration und der Nutzung freiwilliger Versicherungssummen. Damit wird ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Tierwohl, Verbraucherschutz und wirtschaftlicher Planbarkeit hergestellt.
Insgesamt zeigt sich, dass auch außerhalb rein steuerlicher Fragestellungen europäische Rechtsprechung unmittelbare betriebliche Konsequenzen zeitigen kann – von der Vertragsgestaltung über interne Haftungsregeln bis hin zur Kundenkommunikation. Unternehmen sind gut beraten, ihre Prozesse in Transport, Logistik und Administration regelmäßig zu überprüfen, um rechtskonform und effizient zu agieren. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung ihrer Buchhaltung und sorgt durch gezielte Strukturierung dafür, dass rechtliche und wirtschaftliche Abläufe gleichermaßen transparent und kosteneffizient gestaltet werden.
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