Aussetzung der Vollziehung bei Grundsteuerbescheiden – aktuelle Entscheidungen
Mit zwei Entscheidungen vom 18. und 23. Juli 2025 (Aktenzeichen 2 V 440/25 und 2 V 442/25) hat das Finanzgericht Baden-Württemberg verdeutlicht, dass für Steuerpflichtige im Bereich der Grundsteuer strengere Anforderungen an Anträge auf Aussetzung der Vollziehung bestehen, als es häufig angenommen wird. Im Mittelpunkt stand die Frage, unter welchen Voraussetzungen Eigentümerinnen und Eigentümer von Grundstücken die Vollziehung von Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheiden vorläufig stoppen können. Die Aussetzung der Vollziehung ist ein Instrument des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Finanzgerichtsordnung und dient dazu, die Vollziehung eines Verwaltungsakts auszusetzen, bis über die Rechtmäßigkeit des Bescheids entschieden ist. Sie setzt nach der Rechtsprechung jedoch sowohl ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide als auch ein besonderes Aussetzungsinteresse voraus.
In den genannten Verfahren lehnte der Senat die Aussetzung der Vollziehung ab, weil die Antragstellenden lediglich die Verfassungswidrigkeit des jeweiligen Landesgrundsteuergesetzes behaupteten, ohne ein besonderes Aufschubinteresse schlüssig darzulegen. Damit bekräftigte das Gericht, dass allgemeine rechtliche Bedenken allein nicht ausreichen, um die sofortige Zahlungspflicht zu verhindern. Diese Klarstellung ist für viele Unternehmen und private Eigentümer von erheblicher Relevanz, da sie zeigt, dass der bloße Hinweis auf laufende Verfassungsverfahren oder allgemeine Zweifel am Grundsteuermodell nicht genügt.
Bedeutung der Mitwirkungspflicht im Steuerverfahren
Ein wesentlicher Aspekt der Entscheidung war das Verhalten der Antragstellenden im Verwaltungsverfahren. Beide Eigentümer hatten keine Steuererklärungen für den neuen Hauptfeststellungszeitpunkt eingereicht. In solchen Fällen ist das Finanzamt verpflichtet, den Grundsteuerwert nach Aktenlage von Amts wegen festzustellen, was naturgemäß zu weniger präzisen Ergebnissen führen kann. Das Gericht stellte ausdrücklich fest, dass Steuerpflichtige, die ihrer Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren nicht nachkommen, regelmäßig kein überwiegendes Interesse an einer Aussetzung der Vollziehung geltend machen können.
Die Mitwirkungspflicht bezeichnet die gesetzliche Obliegenheit, an der Aufklärung steuerlich relevanter Tatsachen mitzuwirken, insbesondere durch Vorlage zutreffender und vollständiger Angaben. Dieses Prinzip schützt die Funktionsfähigkeit des Steuersystems, indem es eine Zusammenarbeit zwischen Finanzbehörden und Steuerpflichtigen sicherstellt. Wer sich weigert, diese Pflicht zu erfüllen, trägt nach Auffassung des Gerichts die daraus resultierenden Nachteile. Für Unternehmen – insbesondere Immobiliengesellschaften, Pflegeeinrichtungen oder Krankenhausträger, die zahlreiche Grundstücke bewirtschaften – bedeutet das, dass eine zügige und korrekte Mitwirkung bei der Grundsteuererklärung nicht nur bußgeld- und fristrelevant ist, sondern auch über den Erfolg eines Rechtsstreits entscheiden kann.
Praktische Konsequenzen für Eigentümer und Unternehmen
Bemerkenswert ist, dass das Gericht im Verfahren mit dem Aktenzeichen 2 V 442/25 dennoch zu einer teilweisen Reduzierung des Grundsteuermessbetrags gelangte. Nachdem die Antragstellerin auf Nachfrage des Gerichts mitteilte, dass ihre Grundstücke überwiegend zu Wohnzwecken genutzt werden, interpretierte die Finanzverwaltung dies als Antrag auf eine Ermäßigung der sogenannten Messzahl. Diese beträgt bei bebauten, zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken nach § 15 des Grundsteuergesetzes 0,91 von 1.000, wohingegen sie ansonsten 1,3 von 1.000 beträgt. Das führte zu einer Reduzierung des Messbetrags und damit der endgültigen Grundsteuerlast um etwa 30 Prozent.
Dieser Vorgang zeigt ein zentrales Praxisproblem: Viele Steuerpflichtige versäumen es, die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse ihrer Grundstücke rechtzeitig darzulegen, weil sie den Zusammenhang zwischen Erklärungspflicht und Steuerermäßigung nicht erkennen. Das Gericht machte deutlich, dass auch eine nachträgliche Antragstellung im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich möglich ist und sich positiv auf die Steuerlast auswirken kann. Allerdings ändert ein nachträglicher Antrag nichts daran, dass die Kosten des Verfahrens dem Steuerpflichtigen auferlegt werden können, wenn die Änderung auf Tatsachen beruht, die er von Beginn an hätte vorbringen sollen. Die Regelung in § 137 der Finanzgerichtsordnung erlaubt es, Kosten trotz eines teilweisen Erfolgs aufzuerlegen, wenn die verspätete Mitwirkung zur Verlängerung oder Verkomplizierung des Verfahrens geführt hat.
Fazit: Rechtssicherheit durch aktive Mitwirkung und digitale Prozessoptimierung
Die Beschlüsse des Finanzgerichts Baden-Württemberg machen deutlich, dass Erfolg im Grundsteuerverfahren nicht allein von juristischen Argumenten abhängt, sondern maßgeblich durch konsequente Mitwirkung, frühzeitige Antragstellung und präzise Dokumentation beeinflusst wird. Unternehmen, die Eigentum halten oder verwalten, sollten ihre Grundsteuerwerte laufend überprüfen und bei Änderungen der Nutzung umgehend entsprechende Mitteilungen abgeben. Wer hingegen lediglich allgemeine verfassungsrechtliche Bedenken äußert, ohne substanzielle Tatsachen vorzutragen, riskiert nicht nur die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung, sondern trägt zusätzlich die Kosten des Verfahrens.
Für die Praxis bedeutet das, dass eine strategische Vorbereitung auf die Grundsteuerfeststellung im Mittelpunkt stehen sollte – insbesondere in Anbetracht der anstehenden Neubewertungen und der möglichen verfassungsgerichtlichen Verfahren auf Bundesebene. Der Fall verdeutlicht auch, dass der administrative Aufwand durch fehlende digitale Organisation der Grundstücksdaten erheblich steigen kann. Wer seine Steuerdaten digital strukturiert und Prozesse automatisiert, verbessert nicht nur die Compliance, sondern auch die Reaktionsfähigkeit im Streitfall. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen dabei, ihre Buchhaltungs- und Steuerprozesse zu digitalisieren und nachhaltig zu optimieren. Durch klare Workflows und moderne Dokumentationssysteme reduzieren wir den Aufwand in der Grundsteuerverwaltung erheblich – und schaffen so finanzielle und organisatorische Entlastung.
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