Rechtsrahmen der hessischen Grundsteuerregelung
Die Grundsteuerreform stellt Unternehmen, Grundstückseigentümer sowie Kommunen seit einigen Jahren vor neue Herausforderungen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2018, wonach die damalige Bemessungsgrundlage der Grundsteuer verfassungswidrig war, haben die Länder die Möglichkeit erhalten, eigene Modelle für die Erhebung der Grundsteuer einzuführen. Hessen hat mit dem Landesgrundsteuergesetz von 2021 hiervon Gebrauch gemacht. Kernbestandteil dieser Regelungen ist die Bestimmung des Grundsteuermessbetrags, der wiederum maßgeblich von den sogenannten Bodenrichtwerten abhängt. Ein Bodenrichtwert stellt den durchschnittlichen Lagewert des Bodens in einer bestimmten Zone dar, ermittelt durch den Gutachterausschuss. Auf dieser Grundlage ergibt sich mittels Multiplikation mit der Steuermesszahl und einem Faktorwert die Basis für die Grundsteuer.
Der Faktorwert ist dabei von besonderer Bedeutung, da er das Verhältnis zwischen dem Bodenrichtwert des Grundstücks und dem durchschnittlichen Wert der Gemeinde wiedergibt. Um auch in Fällen, in denen kein spezifischer Bodenrichtwert vorliegt, eine Ermittlung zu ermöglichen, sieht das hessische Recht eine Auffangregelung vor. Danach kann die Verwaltung pauschal mit einem Wert von 10 % des durchschnittlichen gemeindebezogenen Bodenrichtwertes arbeiten. Diese Auffangregel soll jedoch nur als Ausnahme dienen und findet nicht unbegrenzt Anwendung.
Die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts
Das Hessische Finanzgericht hat mit Beschluss vom 10. September 2025 (Az. 3 V 697/25) eine für die praktische Rechtsanwendung bedeutsame Klarstellung getroffen. Im konkreten Fall ging es um die Nutzung eines im Außenbereich gelegenen unbebauten Grundstücks als Golfplatz. Die zuständige Finanzbehörde hatte mangels spezifischen Bodenrichtwerts den gesetzlichen Auffangwert herangezogen. Dies führte für die Antragstellerin zu einer erheblichen Steuerlast, die in keinem Verhältnis zu den erzielbaren Pachteinnahmen stand. Während des gerichtlichen Verfahrens leitete die Finanzverwaltung jedoch ein Verfahren zur erstmaligen Ermittlung eines Bodenrichtwerts für „sonstige Flächen“ ein.
Das Gericht gewährte die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids. Die Richter begründeten dies mit ernsthaften Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung. Maßgeblich sei, dass eine konkrete Ermittlung des Bodenrichtwertes bereits beantragt worden war und somit eine tatsächliche und spezifische Grundlage bevorstand. Da der Auffangwert nur ausnahmsweise anwendbar sei, müsse der Vorrang der individuellen Ermittlung beachtet werden. Damit stärkt das Gericht die Bedeutung einer realitätsnahen und spezifischen Bewertung von Grundstücken und verengt den Spielraum der Finanzverwaltung bei der Anwendung pauschaler Ersatzwerte.
Folgen für Unternehmen und Grundstückseigentümer
Die Entscheidung ist nicht nur für Betreiber von Golfplätzen oder Besitzer von Sonderflächen relevant, sondern entfaltet eine weitreichende Bedeutung für zahlreiche Grundstücksarten. Auch Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser oder landwirtschaftliche Betriebe verfügen oftmals über großflächige, unbebaute und speziell genutzte Grundstücke, deren Bewertung nicht ohne Weiteres mit standardisierten Richtwerten zu erfassen ist. Gleiches gilt für Onlinehändler oder produzierende Unternehmen, die im Außenbereich große Logistik- oder Lagerflächen unterhalten. Für all diese Fälle signalisiert das Urteil, dass die Finanzverwaltung nicht vorschnell auf pauschale Auffangwerte zurückgreifen darf, wenn eine konkrete Wertermittlung möglich oder bereits in die Wege geleitet ist.
Dies stärkt nicht nur die Rechtssicherheit der Steuerpflichtigen, sondern verhindert auch unverhältnismäßige Steuerbelastungen, die insbesondere mittelständische Unternehmen empfindlich treffen könnten. Gerade in Fällen, in denen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Nutzung nicht im Einklang mit einer pauschalen Grundsteuerbelastung steht, kommt dem Vorrang der individuellen Bewertung eine entscheidende Bedeutung zu. Damit eröffnet die Entscheidung eine Argumentationslinie, die in vergleichbaren Konstellationen genutzt werden kann, um überhöhte Belastungen abzuwehren.
Praktische Handlungsempfehlungen und Fazit
Unternehmen sollten verstärkt darauf achten, ob für ihre Grundstücke ein spezifischer Bodenrichtwert existiert oder zeitnah ermittelt werden kann. Ist dies nicht der Fall, aber eine besondere Nutzung gegeben, kann bereits ein Antrag beim Gutachterausschuss ausreichen, um die Anwendung des Auffangwerts in Frage zu stellen. Wer auf diesem Weg eine individuelle Bewertung initiiert, kann steuerlich erhebliche Vorteile erzielen und zugleich langwierige Rechtsstreitigkeiten vermeiden. Sollte ein Verfahren dennoch notwendig werden, bietet die aktuelle Rechtsprechung eine solide Grundlage, um die Vollziehung von Steuerbescheiden vorläufig auszusetzen. Für Kommunen und Finanzbehörden bedeutet dies, dass sie künftig sorgfältiger prüfen müssen, ob und wann pauschale Werte angesetzt werden dürfen.
Das Fazit lautet, dass die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts den Vorrang einer realitätsgerechten Wertermittlung gegenüber pauschalen Ersatzwerten klar betont. Dies schafft Transparenz und stärkt die Planungssicherheit von Unternehmen, die auf die Verlässlichkeit der steuerlichen Rahmenbedingungen angewiesen sind. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei genau diesen Fragestellungen, mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Digitalisierung und der Prozessoptimierung im Rechnungswesen. Wir zeigen, wie durch klare Strukturen und digitale Verfahren nicht nur rechtliche Sicherheit geschaffen, sondern auch erhebliche Kosten eingespart werden können.
Gerichtsentscheidung lesen