Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells bestätigt
Mit seinen Entscheidungen in den Rechtssachen II R 25/24, II R 31/24 und II R 3/25 hat der Bundesfinanzhof die Rechtmäßigkeit des sogenannten Bundesmodells zur Grundsteuer bestätigt. Diese Urteile sind für Millionen von Eigentümerinnen und Eigentümern von Bedeutung, da das Modell in elf Bundesländern Anwendung findet. Die Grundsteuer wird ab dem 1. Januar 2025 auf Basis der neu ermittelten Grundsteuerwerte erhoben, die nach dem sogenannten Ertragswertverfahren berechnet werden. Das Ertragswertverfahren dient der Ermittlung des Grundstückswertes anhand des potenziellen Ertrags, den eine Immobilie abwerfen kann. Es ist damit ein zentraler Bestandteil der bundesrechtlichen Neuregelung, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14 u. a. – notwendig wurde, um die veralteten Einheitswerte abzulösen.
Die Kläger der drei Verfahren – Eigentümerinnen und Eigentümer aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin – hatten argumentiert, dass das neue Bundesmodell sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht gegen das Grundgesetz verstoße. Sie sahen insbesondere den Gleichheitssatz des Artikels 3 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzt, da die herangezogenen Bewertungsparameter wie Bodenrichtwerte und Nettokaltmieten zu pauschal seien und die tatsächlichen Marktunterschiede zu wenig berücksichtigten. Der BFH teilte diese Auffassung nicht und sah keinen Anlass, die Normen dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Formelle Gesetzmäßigkeit der Grundsteuerreform
Der BFH stellte klar, dass die Grundsteuerreform formell ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Nach Artikel 105 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes besitzt der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer. Diese wurde durch eine Grundgesetzänderung kurz vor Veröffentlichung des Grundsteuerreformgesetzes vom 26. November 2019 ausdrücklich bestätigt. Der Gesetzgeber durfte sich bei der Umsetzung der Reform auch auf seine Fortschreibungskompetenz aus Artikel 125a Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz stützen, da das Grundsteuergesetz in seiner Struktur fortgeführt und nicht vollständig neu geschaffen wurde.
Entscheidend war für den BFH, dass der Gesetzgeber befugt war, das Bundesmodell bundesweit einzuführen. Damit entfiel der Einwand der Kläger, der Gesetzgeber habe die ihm zustehenden Kompetenzen ausgespart oder überschritten. Eine sogenannte Ermessensunterschreitung, also ein unzureichender Gebrauch gesetzgeberischer Handlungsspielräume, lehnte das Gericht ab. Vielmehr habe der Gesetzgeber innerhalb der verfassungsrechtlich vorgesehenen Grenzen gehandelt und die Gesetzgebungskompetenz vollumfänglich ausgeschöpft.
Materielle Verfassungsmäßigkeit und Bewertungssystematik
Zentral für die Entscheidung war die Frage, ob die Bewertungsmethoden des Bundesmodells mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sind. Der BFH bejahte dies mit der Begründung, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Massenbewertung typisierende und pauschalierende Regelungen treffen dürfe, solange diese im Durchschnitt realitätsgerechte Ergebnisse liefern. Dabei kommt es nicht darauf an, dass in Einzelfällen Abweichungen auftreten, sondern dass das System insgesamt sachgerecht und praktikabel bleibt.
Die Kritik an den Bodenrichtwerten, die von Gutachterausschüssen auf Grundlage von Marktdaten abgeleitet werden, ließ der BFH nicht gelten. Diese Werte verkörpern durchschnittliche Lagebewertungen und sind notwendigerweise pauschal. Eine exakte Bewertung jeder einzelnen Immobilie würde dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung und Automatisierung zuwiderlaufen. Gleiches gilt für die Nettokaltmieten, die auf Daten des Statistischen Bundesamts beruhen und landeseinheitlich differenziert werden. Zwar entstehen hierdurch Abweichungen zwischen hochwertigen Wohnlagen und einfacheren Gebieten, doch sieht der BFH dies als verfassungsrechtlich zulässig an, da über die Bodenrichtwerte und Liegenschaftszinssätze wiederum lagebedingte Unterschiede einfließen.
Das Gericht hob hervor, dass sich mögliche Ungleichbehandlungen nur geringfügig auf die letztliche Steuerlast auswirken. Denn ausgehend vom Grundsteuerwert berechnet sich die endgültige Steuer in mehreren Stufen: Zunächst wird der sogenannte Steuermessbetrag mit einem Promillesatz ermittelt, danach wenden die Kommunen ihren jeweiligen Hebesatz an. Diese Systematik bewirkt, dass selbst größere Unterschiede in den Grundsteuerwerten aufgrund der geringen Steuermesszahlen von 0,31 Promille bei Wohnungseigentum kaum erheblich ins Gewicht fallen. Zudem besteht gemäß § 220 Absatz 2 Bewertungsgesetz die Möglichkeit, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, wenn dieser um mindestens 40 Prozent unter dem festgesetzten Wert liegt. Auch der Erlass von bis zu 25 Prozent bei erheblichen Mietausfällen nach § 34 Grundsteuergesetz schafft in bestimmten Fällen einen zusätzlichen Ausgleich.
Mit dieser Argumentation bestätigte der BFH, dass das Bundesmodell trotz unvermeidlicher Typisierungen eine angemessene und gleichheitsgerechte Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage ermöglicht. Der Gesetzgeber habe die richtige Balance zwischen Genauigkeit und Praktikabilität gefunden und damit auch der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einem funktionierenden und zügig umsetzbaren System entsprochen.
Praktische Folgen für Unternehmen und Eigentümer
Für Eigentümerinnen und Eigentümer in den Bundesländern, die das Bundesmodell anwenden – darunter Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen – bleibt die Bewertungspraxis unverändert. Das bedeutet für kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere für solche mit umfangreichem Immobilienbestand, dass die bisher abgegebenen Feststellungserklärungen Bestand haben. Die Grundsteuerbescheide, die ab 2025 auf Grundlage der neuen Werte ergehen, sind demnach rechtmäßig, solange keine individuellen Bewertungsfehler vorliegen.
Unternehmen sollten die Bescheide dennoch sorgfältig prüfen, um in Zweifelsfällen innerhalb der Fristen reagieren zu können. Gerade für Immobiliengesellschaften, Pflegeeinrichtungen oder Einzelhandelsbetriebe mit größeren Gewerbeflächen in gemischten Nutzungszonen kann sich eine Plausibilitätsprüfung lohnen, wenn etwa besondere Standortfaktoren oder Gebäudemerkmale bestehen, die im pauschalierten System unterrepräsentiert sind. In der Praxis kann dies durch den Nachweis eines abweichenden gemeinen Werts erfolgen.
Für Eigentümerinnen und Eigentümer in den Ländern mit eigenen Landesmodellen, wie Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen, entfalten die BFH-Urteile keine unmittelbare Wirkung. Allerdings ist die Entscheidung richtungsweisend für die noch ausstehenden Verfahren zu den Ländermodellen, da der BFH deutlich gemacht hat, dass er Pauschalierungen grundsätzlich als zulässig einstuft, solange das Bewertungsverfahren sachgerecht ausgestaltet ist.
Damit schafft das Urteil wichtige Rechtssicherheit für Kommunen, Eigentümer und Steuerberatende. Es bestätigt die Verlässlichkeit der neuen Berechnungsgrundlage, auf der viele Gemeinden ihre Finanzplanung aufbauen. Steuerlich sind die Auswirkungen kalkulierbar, und eine verfassungskritische Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich nicht erfolgen.
Fazit und Bedeutung für die Praxis
Die Grundsteuerreform ist damit rechtlich abgesichert und in der Praxis anwendbar. Der BFH hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass der Gesetzgeber den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum sachgerecht genutzt hat. Für Eigentümer, Unternehmen und Kommunen bedeutet das Planungssicherheit und eine stabile Rechtsgrundlage. Die Umsetzung der neuen Grundsteuer wird nun in allen Bundesmodell-Ländern ohne verfassungsrechtliche Unsicherheiten fortgeführt.
Für kleine und mittelständische Unternehmen gilt es nun, die steuerlichen Prozesse so zu gestalten, dass Grundsteuerdaten effizient verwaltet und künftig fortgeschrieben werden können. Eine durchdachte digitale Buchhaltungsstruktur kann hierbei helfen, um Bewertungsdaten, Mietinformationen und kommunale Hebesätze dauerhaft nachvollziehbar zu dokumentieren. Unsere Kanzlei begleitet Unternehmen bei der digitalen Prozessoptimierung in der Buchhaltung und unterstützt sie dabei, durch Automatisierung und klare Abläufe erhebliche Kostenvorteile zu realisieren. Wir betreuen Mandanten aller Branchen und Größenordnungen und setzen unser Know-how gezielt ein, um steuerliche Effizienz und Transparenz zu erhöhen.
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