Rechtlicher Hintergrund der RETT-Blocker-Gestaltungen
Unternehmen, insbesondere solche mit bedeutendem Immobilienbestand, setzen im Rahmen von Konzernumstrukturierungen oder Beteiligungsänderungen häufig gesellschaftsrechtliche Gestaltungen ein, um Belastungen durch Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Eine dieser Gestaltungen ist die sogenannte RETT-Blocker-Struktur. Hierbei wird die Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften so organisiert, dass keine steuerpflichtige Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Absatz 3 Nummer 1 Grunderwerbsteuergesetz entsteht. In der Praxis erfolgt dies oftmals durch Zwischenschaltung einer eher passiven Gesellschaft, die einen kleinen Anteil an der grundstückshaltenden Gesellschaft hält und dadurch den Anwendungsbereich der Steuer vermeintlich ausschließt.
Der Bundesfinanzhof hat in den vergangenen Jahren seine Rechtsprechung zu RETT-Blocker-Gestaltungen jedoch wesentlich verändert. Diese Rechtsprechungsänderung hat erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen, die entsprechende Strukturen in der Vergangenheit errichtet haben, um die Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Maßgeblich ist, dass solche Gestaltungen nunmehr – je nach Beteiligungskonstellation – doch zu einem steuerpflichtigen Vorgang führen können.
Die Entscheidung des Finanzgerichts Schleswig-Holstein
Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hatte in seinem Urteil vom 3. Juni 2025 (Az. 3 K 47/23) über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Kapitalgesellschaft über mehrere Beteiligungsebenen Anteile an verschiedenen grundstückshaltenden Gesellschaften hielt. Im Rahmen einer Umstrukturierung im Jahr 2012 wurden die Beteiligungsverhältnisse so gestaltet, dass die Klägerin an einer grundstückshaltenden Gesellschaft mittelbar 93,34 Prozent der Anteile hielt, während die restlichen 6,66 Prozent über eine zwischengeschaltete Kommanditgesellschaft, deren alleinige Kommanditistin wiederum die Klägerin war, gehalten wurden. Diese Zwischenschaltung – eine sogenannte RETT-Blocker-Gesellschaft – sollte nach damaliger Rechtslage verhindern, dass eine steuerliche Anteilsvereinigung angenommen wird.
Nach einer späteren Betriebsprüfung im Jahr 2019 kam das zuständige Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die Anteile über die Kommanditgesellschaft der Klägerin tatsächlich zuzurechnen seien und somit eine steuerpflichtige Anteilsvereinigung eingetreten sei. Daraufhin beantragte die Klägerin die Anwendung des § 176 Absatz 1 Nummer 3 Abgabenordnung, um Vertrauensschutz zu beanspruchen, da sie sich auf die bis dahin geltende höchstrichterliche Rechtsprechung berufen habe. Zusätzlich stellte sie einen Antrag auf Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Abgabenordnung, der ebenfalls abgelehnt wurde.
Das Finanzgericht hob den Bescheid hinsichtlich der ablehnenden Entscheidung zu § 176 Abgabenordnung auf, da es sich hierbei nicht um einen wirksamen Verwaltungsakt handelte. In Bezug auf den geltend gemachten Vertrauensschutz entschied das Gericht jedoch gegen die Klägerin. Es führte aus, dass nach der Rechtsprechungsänderung kein allgemeiner Vertrauensschutz besteht, selbst wenn die Verwaltungspraxis infolge dieser Änderung angepasst wurde. Eine Unbilligkeit im Rechtssinne sei nicht gegeben, da der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Vorrang habe und Änderungen der BFH-Rechtsprechung grundsätzlich auch rückwirkend auf noch nicht bestandskräftige Sachverhalte anzuwenden seien.
Praktische Bedeutung für Unternehmen und Steuerberatung
Für die steuerliche Praxis von Unternehmen, insbesondere für Holdingstrukturen, Immobiliengesellschaften, Krankenhäuser mit immobilienbesitzenden Tochtergesellschaften sowie mittelständische Unternehmensgruppen, ist diese Entscheidung von erheblicher Relevanz. Sie verdeutlicht, dass Strukturen, die vor Jahren unter einer anderslautenden Rechtsprechung errichtet wurden, nach einer Änderung der höchstrichterlichen Auslegung steuerlich anders beurteilt werden können. Ein allgemeiner Vertrauensschutz gegen solche Änderungen besteht nicht.
Unternehmen sollten daher bestehende Beteiligungsstrukturen regelmäßig auf mögliche steuerliche Risiken prüfen, insbesondere wenn die Strukturierung auf der Grundlage von Rechtsprechung oder Verwaltungsanweisungen erfolgte, die später angepasst oder widerrufen wurde. Entscheidend ist, dass Vertrauensschutz nur in engen Ausnahmefällen greifen kann, etwa wenn ein bestandskräftiger Steuerbescheid vorliegt oder eine verbindliche Auskunft nach § 89 Absatz 2 Abgabenordnung erteilt wurde. Bei fortlaufenden Beteiligungsstrukturen, wie sie häufig bei Fonds oder Immobilienholdinggesellschaften vorkommen, ist die steuerrechtliche Bewertung stets dynamisch zu betrachten.
Das Finanzgericht stellte zudem klar, dass das Finanzamt nicht berechtigt ist, über den Vertrauensschutz nach § 176 Abgabenordnung isoliert in Form eines Verwaltungsakts zu entscheiden. Die Unzulässigkeit eines solchen isolierten Verwaltungsakts hat zur Folge, dass derartige Bescheide bereits aus formellen Gründen aufzuheben sind. Das zeigt, dass Unternehmen und deren steuerliche Berater die Verfahrensqualität von behördlichen Entscheidungen stets sorgfältig prüfen sollten, bevor sie sich ausschließlich auf inhaltliche Fragen konzentrieren.
Fazit und Handlungsempfehlung für die Praxis
Die Entscheidung betont die Bedeutung einer vorausschauenden Steuerplanung unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch für größere Konzerne mit komplexen Beteiligungsstrukturen, bedeutet dies eine erhöhte Pflicht zur Überprüfung und Anpassung ihrer steuerlichen Gestaltungen. RETT-Blocker-Strukturen, die in der Vergangenheit als rechtssicher galten, können nach heutiger Sichtweise steuerpflichtige Vorgänge auslösen und somit zu erheblichen Nachzahlungen führen.
Unternehmensleitungen sollten daher gemeinsam mit ihren steuerlichen Beratern die bestehenden Strukturen analysieren, mögliche Risiken quantifizieren und gegebenenfalls steueroptimierende Anpassungen erwägen, um Rechtssicherheit zu schaffen. Ebenso sollte die Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen sorgfältig erfolgen, um im Falle einer Betriebsprüfung nachvollziehbar darlegen zu können, dass die Strukturierung stets auf der Basis des damals gültigen Rechtsverständnisses vorgenommen wurde.
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