Einordnung der BFH-Entscheidung zur Rückabwicklung von Anteilsvereinigungen
Mit Urteil vom 7. Mai 2025 (Az.: II R 16/23) hat der Bundesfinanzhof eine für die Praxis bedeutsame Entscheidung zur Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz getroffen. Der Fall drehte sich um die Rückabwicklung einer Schenkung von Geschäftsanteilen einer grundbesitzenden Gesellschaft an den Sohn des Gesellschafters, die aufgrund einer vertraglich vereinbarten Rückforderung nach dessen Tod wieder rückgängig gemacht wurde. Im Kern ging es darum, ob der Widerruf einer Schenkung, der zur Wiedervereinigung der Anteile in einer Hand führt, grunderwerbsteuerlich nachträglich begünstigt werden kann, selbst wenn der ursprüngliche Erwerb nicht steuerbar war. Damit greift der Bundesfinanzhof eine bisher ungeklärte Konstellation auf und konkretisiert die Reichweite der Befreiungsvorschrift in § 16 Grunderwerbsteuergesetz.
Die Regelungen des Grunderwerbsteuerrechts verfolgen das Ziel, Grundstücksübertragungen, aber auch wirtschaftlich vergleichbare Übertragungen im Rahmen von Gesellschaftsanteilen zu erfassen. So gilt eine Anteilsvereinigung, bei der alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand zusammengeführt werden, als steuerbarer Vorgang. Fraglich war jedoch, ob die Steuer auch dann entfällt, wenn die Vereinigung nachträglich rückgängig gemacht wird, ohne dass der vorausgegangene Erwerb steuerbar war.
Begründung und steuerrechtliche Einordnung der Entscheidung
Der Bundesfinanzhof stellte zunächst fest, dass der Widerruf einer Schenkung grundsätzlich zu einer steuerbaren Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 Grunderwerbsteuergesetz führt. Entscheidend war jedoch die Frage, ob die Steuer aufgrund der Befreiungsvorschrift des § 16 Abs. 2 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz nicht festgesetzt werden darf. Diese Vorschrift sieht vor, dass bei Rückerwerb eines Grundstücks oder einer gleichgestellten Konstellation die Steuer sowohl für den Ersterwerb als auch für den Rückerwerb aufgehoben wird, wenn das Rechtsgeschäft rechtlich nicht erfüllt wird und rückgängig gemacht werden muss.
In seinen Entscheidungsgründen betonte das Gericht, dass die Vorschrift auch auf den Fall der Rückgängigmachung einer Anteilsvereinigung Anwendung findet, selbst wenn der vorausgegangene Erwerb – etwa aufgrund Schenkung – nicht steuerbar war. Die Begünstigung soll verhindern, dass zeitlich befristete oder auflösungsbedingt begrenzte Übertragungen zu einer endgültigen Steuerbelastung führen, die dem Charakter der Vorschrift widerspräche. Wesentlich ist die Kontinuität im Steuerrecht, dass keine übermäßige Belastung durch nur vorübergehend bestehende Zustände entsteht.
Analytisch lässt sich das Urteil wie folgt zusammenfassen:
- Eine Anteilsvereinigung infolge eines Widerrufs ist steuerbar nach § 1 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz.
- Die Steuer wird aufgrund § 16 Abs. 2 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz nicht festgesetzt oder aufgehoben, auch wenn der Ersterwerb nicht steuerbar war.
- § 16 Abs. 5 Grunderwerbsteuergesetz steht dem nicht entgegen, sofern keine Anzeigepflichtverletzung bestand.
Somit bestätigt der Bundesfinanzhof, dass der Rückerwerb in vergleichbaren Fällen steuerlich privilegiert ist, was eine Klarstellung für zahlreiche Unternehmens- und Familienkonstellationen bedeutet.
Anwendungsbereich für Unternehmen und Einrichtungen
Die Entscheidung ist nicht nur für klassische Familiengesellschaften relevant, sondern hat auch Auswirkungen auf andere Unternehmensstrukturen. Kleine Unternehmen, die Beteiligungen innerhalb der Familie übertragen, können im Falle einer Rückübertragung darauf vertrauen, dass die Grunderwerbsteuer nicht dauerhaft belastet. Für mittelständische Betriebe, die komplexere Beteiligungsstrukturen aufweisen, etwa bei Immobiliengesellschaften, ermöglicht die Entscheidung eine rechtssichere Gestaltung bei Vertragsklauseln, die Rückübertragungsrechte beinhalten.
Spezialisierte Einrichtungen wie Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser, die in der Rechtsform von GmbHs eigene Immobilien halten, sind ebenfalls betroffen. Häufig werden Gesellschaftsanteile in Nachfolgeplanungen innerhalb der Familie übertragen und unter Bedingungen gestellt. Die nun klarstellende Entscheidung bietet Rechtssicherheit dafür, dass eine spätere Rückabwicklung aufgrund von Vertragsbedingungen nicht zu einer unerwarteten Steuerlast führt.
Auch für Onlinehändler mit eigenem Immobilienbestand oder für mittelständische Logistikunternehmen, die Objekte im Betriebsvermögen halten, ist das Urteil von Bedeutung. Bei Anteilsübertragungen im Zuge von Nachfolgeregelungen oder Unternehmenstransaktionen ergibt sich eine erhöhte Planungssicherheit. Gerade in Zeiten, in denen Nachfolgefragen häufig mit gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten kombiniert werden, können Unternehmer nun gezielt auf die Befreiungsvorschrift zurückgreifen, ohne Unsicherheit hinsichtlich der steuerlichen Anerkennung zu haben.
Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen für die Praxis
Das Urteil des Bundesfinanzhof stellt eine fundierte Klarstellung dar, dass die Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer auch dann greift, wenn ein ursprünglich nicht steuerbarer Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird. Unternehmen sollten bei Vertragsgestaltungen mit Rückforderungs- oder Widerrufsrechten berücksichtigen, dass diese steuerlich nicht zu einer doppelten Belastung führen dürfen. Damit stärkt die Entscheidung die Flexibilität im Nachfolge- und Gesellschaftsrecht, ohne unnötige steuerliche Risiken aufzubauen.
Für Unternehmer, Steuerberatende und Finanzinstitutionen ergibt sich damit ein klarer Rahmen, der steuerliche Planungssicherheit bei der Übertragung und gegebenenfalls Rückübertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften bietet. Für kleine Unternehmen, mittelständische Betriebe und spezialisierte Einrichtungen ist dies ein wichtiger Schritt, um Nachfolgeregelungen rechtssicher zu gestalten und gleichzeitig unnötige Steuerlasten zu vermeiden.
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