Rechtliche Einordnung der Nachbehaltensfrist bei Umstrukturierungen
Die Übertragung von Grundstücken innerhalb von Personengesellschaften ist ein häufiges Gestaltungsmittel bei der Umstrukturierung mittelständischer Unternehmensgruppen. § 6 Absatz 3 des Grunderwerbsteuergesetzes gewährt in solchen Fällen eine Steuervergünstigung, wenn dasselbe Gesellschafterverhältnis an der veräußernden und der erwerbenden Gesamthand besteht. Diese Begünstigung steht jedoch unter der Bedingung einer sogenannten Nachbehaltensfrist, innerhalb derer keine Änderungen im Gesellschafterbestand oder der Rechtsform vorgenommen werden dürfen. Wird diese Frist nicht eingehalten, entfällt rückwirkend die Steuervergünstigung, und der Erwerb wird wie ein regulärer grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang behandelt.
Mit der gesetzlichen Neuregelung, die zum 1. Juli 2021 in Kraft trat, wurde die Nachbehaltensfrist für solche Übertragungen von fünf auf zehn Jahre verlängert. Ziel des Gesetzgebers war es, missbräuchliche Gestaltungen durch kurzfristige Umstrukturierungen zu verhindern und die Steuervergünstigung ausschließlich langfristig gebundenen Strukturen vorzubehalten. In der Praxis stellte sich jedoch die Frage, ob diese verlängerte Frist auch auf Erwerbsvorgänge Anwendung findet, die vor dem Stichtag 1. Juli 2021 erfolgt sind, deren ursprüngliche fünfjährige Nachbehaltensfrist zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung aber noch nicht abgelaufen war.
Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf zur zeitlichen Anwendung
Mit Gerichtsbescheid vom 8. Oktober 2025 (Az. 11 K 1987/25 GE) entschied das Finanzgericht Düsseldorf, dass die verlängerte zehnjährige Nachbehaltensfrist des § 6 Absatz 3 Satz 2 in der neuen Fassung des Grunderwerbsteuergesetzes nicht rückwirkend auf Erwerbsvorgänge vor dem 1. Juli 2021 anzuwenden ist. Die Klägerin, eine offene Handelsgesellschaft, hatte im Jahr 2018 zwei Grundstücke im Wege der Einbringung von einer Kommanditgesellschaft erworben, an der dieselben Gesellschafter beteiligt waren. Das Finanzamt setzte zunächst keine Grunderwerbsteuer fest, da die Voraussetzungen der Steuervergünstigung erfüllt waren.
Im Jahr 2023 – also mehr als fünf Jahre nach dem Erwerb – erfolgte ein Formwechsel der Gesellschaft in eine GmbH. Das Finanzamt sah hierin einen Verstoß gegen die verlängerte zehnjährige Nachbehaltensfrist und erließ einen geänderten Steuerbescheid. Die Behörde argumentierte, die neue Frist sei auch für ältere Erwerbsvorgänge maßgeblich, solange die alte Frist beim Inkrafttreten der Neuregelung noch nicht abgelaufen sei. Diese Auffassung stützte sie auf § 23 Absatz 18 und 24 des Grunderwerbsteuergesetzes, die Übergangsregelungen zur Anwendung des neuen Rechts enthalten.
Das Gericht folgte dieser Sichtweise nicht. Nach seiner Auslegung des § 23 Absatz 18 des Gesetzes sei die Neuregelung nur auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2021 verwirklicht wurden. Eine Rückwirkung auf frühere Erwerbe widerspreche dem klaren Wortlaut und der Systematik der Übergangsvorschriften. Zudem sei der Sinn und Zweck der Regelung nicht darauf gerichtet, die wirtschaftliche Planungssicherheit abgeschlossener Vorgänge nachträglich zu beeinträchtigen. Entsprechend sei im konkreten Fall die alte fünfjährige Frist maßgeblich, die bei Eintragung des Formwechsels bereits abgelaufen war. Das Finanzgericht ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu; das Verfahren ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen II R 44/25 anhängig.
Praktische Bedeutung für Unternehmen und Steuerberatung
Für Unternehmensgruppen, insbesondere für Personengesellschaften, Beteiligungsstrukturen und Holdinggesellschaften im Mittelstand, hat diese Entscheidung erhebliche Bedeutung. Sie bringt Klarheit in einem Punkt, der seit der Neufassung des Gesetzes zu erheblicher Unsicherheit geführt hat. Die Entscheidung bedeutet, dass gesellschaftsrechtliche Umwandlungen und Formenwechsel, die nach Ablauf der ursprünglichen fünfjährigen Nachbehaltensfrist vorgenommen werden, steuerlich nicht nachträglich benachteiligt werden, wenn der zugrunde liegende Erwerb vor dem 1. Juli 2021 erfolgt ist.
Damit bleibt auch für viele kleine und mittelständische Betriebe die Verlässlichkeit steuerlicher Rahmenbedingungen gewahrt. Gerade Unternehmen, die Grundstücke zur betrieblichen Nutzung in Tochter- oder Schwesterpersonengesellschaften eingebracht haben, konnten ihre steuerliche Planung auf die bis dahin geltende Frist von fünf Jahren ausrichten. Eine nachträgliche Verlängerung dieser Frist hätte im Einzelfall zu erheblichen finanziellen Risiken geführt, insbesondere wenn sich gesellschaftsrechtliche Anpassungen – etwa zur Aufnahme von Investoren oder zur Rechtsformumwandlung – als notwendig erweisen. Wichtig bleibt dennoch, jede Umstrukturierung sorgfältig vorzubereiten, da Verstöße gegen bestehende Nachbehaltensfristen weiterhin zu einer rückwirkenden Grunderwerbsteuerpflicht führen.
Aus steuerplanerischer Sicht empfiehlt es sich, bei geplanten Veränderungen der Gesellschafterstruktur oder Umwandlungen stets zu prüfen, wann der ursprüngliche Erwerbsvorgang verwirklicht wurde und welche Fassung des Grunderwerbsteuergesetzes auf diesen Vorgang Anwendung findet. Da das Verfahren beim Bundesfinanzhof noch nicht abgeschlossen ist, sollte die weitere Rechtsprechung genau beobachtet werden. Steuerberaterinnen und Steuerberater sind nun gefordert, ihre Mandanten frühzeitig auf mögliche Risiken hinzuweisen und bestehende Strukturen gegebenenfalls zu dokumentieren, um spätere Nachweise gegenüber der Finanzverwaltung zu sichern.
Fazit: Rechtssicherheit und digitale Prozessoptimierung als Erfolgsfaktor
Die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf stärkt das Prinzip der Rechtssicherheit und bestätigt, dass steuerliche Begünstigungen nicht nachträglich durch neue Fristen eingeschränkt werden dürfen. Für Unternehmen, die ihre Grundstücksstrukturen langfristig planen, schafft dies eine klare Grundlage. Auch wenn das letzte Wort erst nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs gesprochen sein wird, zeichnet sich ab, dass der Gesetzgeber in der Übergangsregelung keinen Willen zur rückwirkenden Anwendung erkennen lässt. Steuerpflichtige sollten sich daher auf die bisherige Rechtspraxis stützen, bis eine höchstrichterliche Klärung erfolgt.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei allen Fragen rund um die steuerliche Gestaltung von Umstrukturierungen und Grundstücksübertragungen. Mit einem besonderen Fokus auf die Digitalisierung der Buchhaltung und die Optimierung interner Prozesse unterstützen wir unsere Mandanten dabei, Effizienz und Transparenz zu steigern und so langfristig erhebliche Kostenersparnisse zu erzielen.
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