Ausgliederung von Gesellschaftsanteilen und ihre grunderwerbsteuerliche Relevanz
Die Feststellung des Finanzgerichts Baden-Württemberg bringt für viele Unternehmerinnen und Unternehmer, insbesondere im Mittelstand, eine bedeutsame Klarstellung: Auch eine bloße Verlängerung der Beteiligungskette kann den Tatbestand der Grunderwerbsteuer auslösen. Das Gericht stellte mit Urteil vom 26. April 2024 (Az. 5 K 1696/23) fest, dass selbst dann eine grunderwerbsteuerpflichtige Änderung des Gesellschafterbestands vorliegt, wenn die Anteile einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft aus einem Einzelunternehmen auf eine personenidentische Personengesellschaft übergehen. Damit konkretisiert das Gericht die Reichweite von § 1 Absatz 2b Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes, einer Norm, die für viele Umstrukturierungsvorgänge erhebliche Relevanz besitzt.
Nach dieser Vorschrift gilt ein Änderungsvorgang am Gesellschafterbestand einer Kapitalgesellschaft als grunderwerbsteuerpflichtig, wenn mindestens 90 Prozent der Anteile innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter übergehen. Die Steuerpflicht setzt also keine Übertragung der Grundstücke selbst voraus, sondern knüpft an den Wechsel in der Eigentümerstruktur der Gesellschaft an, die das Grundstück hält. Im entschiedenen Fall führte die Einbringung eines Einzelunternehmens mit sämtlichen Vermögenswerten, darunter die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft, auf eine neu gegründete, jedoch personenidentische Kommanditgesellschaft zur Anwendung dieser Norm.
Bedeutsamkeit des unmittelbaren Gesellschafterwechsels
Das Finanzgericht stellte klar, dass bei einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel die steuerliche Fiktion des § 1 Absatz 2b Satz 1 Grunderwerbsteuergesetz greift, auch wenn sich in wirtschaftlicher Betrachtung an der Person des letztlich wirtschaftlich Berechtigten nichts ändert. Maßgeblich sei allein die zivilrechtliche Änderung der Beteiligung. Werde der bisherige Anteilseigner durch eine andere Gesellschaft ersetzt, so sei der Gesellschafterbestand rechtlich geändert, selbst wenn diese neue Gesellschaft ausschließlich von derselben natürlichen Person gehalten wird. Die wirtschaftliche Identität des Einflusses auf die Gesellschaft sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Dieses Verständnis der Vorschrift folgt der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der die Anknüpfung an das Zivilrecht bei unmittelbaren Änderungen als sachgerecht ansieht. Nur bei mittelbaren Änderungen sei es notwendig, wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, da sich die Beteiligungsverhältnisse dort nicht unmittelbar übertragungsfähig darstellen.
Gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die im Zuge von Nachfolgeregelungen oder organisatorischen Neuordnungen häufig Umstrukturierungen vornehmen, verdeutlicht das Urteil die steuerlichen Risiken formaler Gestaltungsakte. Die vorliegende Entscheidung zeigt, dass auch bei identischen Gesellschaftern die Standardmaßstäbe zur Ermittlung des Gesellschafterwechsels strikt anzuwenden sind. Der steuerliche Tatbestand kann somit auch dann erfüllt sein, wenn wirtschaftlich keine Veränderung eintritt, solange der zivilrechtliche Beteiligungswechsel aufgrund eines nach außen wirksamen Übertragungsvorgangs stattfindet.
Keine Anwendung der Steuerbefreiungen gemäß § 5 und § 6a Grunderwerbsteuergesetz
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Ablehnung einer Steuerbefreiung nach § 5 Grunderwerbsteuergesetz, die grundsätzlich für den Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine sogenannte Gesamthand – etwa eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Kommanditgesellschaft – in Höhe der eigenen Beteiligung des Gesellschafters vorgesehen ist. Das Finanzgericht stellte hierzu fest, dass die Vorschrift im vorliegenden Zusammenhang nicht greife, da der Erwerbsvorgang im Gesetz als fiktiv gilt. Der Übergang der Grundstücke erfolge hier nicht tatsächlich, sondern allein aufgrund der gesetzlichen Fiktion eines Übergangs der Anteile. Somit sei keine Gesamthandsgemeinschaft beteiligt, was die Anwendung der Befreiung ausschließt. Eine analoge Anwendung lehnte das Gericht ab, da der Gesetzgeber bewusst entschieden habe, Kapitalgesellschaften anders als Personengesellschaften zu behandeln und die Steuerbefreiungen auf letztere zu beschränken.
Auch eine Steuerfreistellung nach § 6a Grunderwerbsteuergesetz, die bestimmte Umwandlungsvorgänge steuerfrei stellt, kam nach Ansicht des Gerichts nicht in Betracht. Die Vorschrift gilt nur, wenn an der Umwandlung ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und von diesem abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Die in der Entscheidung betroffene Kommanditgesellschaft war jedoch zum Zeitpunkt der Ausgliederung noch nicht hinreichend lange im Eigentum des beherrschenden Gesellschafters, sodass die erforderliche Mindestbeteiligungsdauer von fünf Jahren nicht vorlag. Damit entfällt auch die Anwendung dieser Befreiungsvorschrift. Das Gericht betonte, dass nur in Fällen, in denen eine Einhaltung der Fünfjahresfrist rechtlich unmöglich ist, eine Auslegung zugunsten des Steuerpflichtigen erfolgen könne, was hier jedoch nicht gegeben sei.
Praxisfolgen für Mittelstand, Unternehmensgruppen und Berater
Für mittelständische Unternehmen, die ihre Organisations- oder Beteiligungsstruktur regelmäßig an neue Gegebenheiten anpassen, ist die Entscheidung ein wichtiges Signal. Sie verdeutlicht einmal mehr, dass jede Umstrukturierung mit gesellschaftsrechtlicher Komponente auf ihre steuerlichen Auswirkungen im Hinblick auf die Grunderwerbsteuer zu prüfen ist. Besonders bei der Einbringung von Vermögen in neu gegründete Gesellschaften oder bei konzerninternen Umwandlungen sollten die steuerlichen Folgen einer theoretisch unveränderten wirtschaftlichen Beteiligung nicht unterschätzt werden. Der Tatbestand der Änderung des Gesellschafterbestands kann auch dann ausgelöst werden, wenn die Beteiligten identisch bleiben, sofern eine zivilrechtlich neue Beteiligungskette entsteht. Dies betrifft in der Praxis unter anderem familiengeführte Unternehmen, Unternehmensgruppen im Gesundheitswesen oder auch Onlinehändler, die ihre Rechtsformen im Rahmen der Nachfolgeplanung ändern.
Eine sorgfältige Planung unter Einbeziehung steuerlicher und gesellschaftsrechtlicher Expertise ist daher unverzichtbar. Unternehmen sollten im Vorfeld prüfen, ob strukturell bedingte Gestaltungen, wie Ausgliederungen oder Verschmelzungen, zu steuerlichen Belastungen führen können, und in welchem Umfang eventuelle Freistellungstatbestände tatsächlich greifen. Nur wer diese Abgrenzungen im Detail versteht, kann vermeiden, dass eine formale Gestaltungsmaßnahme zu einer unerwarteten Steuerpflicht führt. Die Entscheidung des Finanzgerichts zeigt eindrucksvoll, dass der Gesetzgeber keine großzügigen Ausnahmen mehr vorsieht und bestehende Privilegien auf Personenhandelsgesellschaften eng begrenzt bleiben.
Fazit: Die Verlängerung einer Beteiligungskette kann eine steuerlich relevante Gesellschafteränderung im Sinne der Grunderwerbsteuer darstellen, auch wenn wirtschaftlich keine Änderung eintritt. Mittelständische Betriebe sollten jede Umstrukturierung vor ihrer Umsetzung einer gründlichen steuerrechtlichen Prüfung unterziehen und bei der Planung berücksichtigen, dass eine Steuerbefreiung nach § 5 oder § 6a Grunderwerbsteuergesetz nicht sicher gegeben ist. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der digitalen Prozessoptimierung ihrer Buchhaltung und der strategischen Ausgestaltung steuerrelevanter Umstrukturierungen. Durch unsere Spezialisierung auf Digitalisierung und effiziente Abläufe tragen wir maßgeblich zur Kostenreduktion und Transparenz in den steuerlichen Unternehmensprozessen bei.
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