Hintergrund der Entscheidung zur Grunderwerbsteuer
Die Grunderwerbsteuer ist eine Verkehrsteuer, die grundsätzlich beim Erwerb von Grundstücken anfällt. Sie spielt aber nicht nur beim unmittelbaren Kauf von Immobilien eine Rolle, sondern auch bei bestimmten Gesellschaftsanteilsgeschäften. Besonders relevant ist hierbei § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), der eine sogenannte Anteilsvereinigung erfasst. Vereint eine Person mindestens 95 Prozent der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in ihrer Hand, löst dies Grunderwerbsteuer aus. Die Höhe der Steuer richtet sich nach dem Wert des betroffenen Grundbesitzes. Für Unternehmen, insbesondere Kapital- und Personengesellschaften mit erheblichem Immobilienvermögen, ist diese Regelung daher von zentraler Bedeutung.
Der Bundesfinanzhof hatte mit seinem Urteil vom 7. Mai 2025 (Az. II R 26/23) nun einen wichtigen Fall zu entscheiden, in dem es um die Folgen einer erneuten Anteilsvereinigung ging. Streitgegenstand war die Frage, ob eine Steuerbefreiung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG anzuwenden ist, wenn ein vorausgegangener Erwerbsvorgang nicht steuerbar war. Zur Verdeutlichung: Mit § 16 GrEStG wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine bereits entstandene Grunderwerbsteuer entfällt, etwa wenn ein Erwerb rückgängig gemacht wird.
Wesentlicher Inhalt der Entscheidung
Nach Auffassung des Gerichts ist ein erneuter Erwerb von Anteilen, der dazu führt, dass der vorherige Erwerber wieder mindestens 95 Prozent der Gesellschaftsanteile in seiner Hand vereinigt, ebenfalls steuerbar. Dies gilt unabhängig davon, ob der zuvor vollzogene Erwerb selbst der Grunderwerbsteuer unterlegen hat oder nicht. Entscheidend ist allein, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erneut erfüllt werden. Durch diese Klarstellung wird die Praxis für Unternehmensgruppen, die Immobilien über Gesellschaftsstrukturen halten, deutlich verschärft. Ein zwischenzeitlicher Rückgang der Beteiligungsquote unter 95 Prozent genügt, um bei einem späteren Wiedererwerb eine neue Steuerpflicht auszulösen.
Der Bundesfinanzhof verdeutlichte außerdem, dass § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in diesen Fällen nicht uneingeschränkt zur Anwendung gelangen kann. Diese Vorschrift sieht grundsätzlich die Möglichkeit einer Steuerbefreiung vor, wenn der vorausgegangene Erwerb innerhalb von zwei Jahren rückgängig gemacht wird. Ein nicht steuerbarer Erwerbsvorgang kann aber kein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Befreiung sein, weil Grunderwerbsteuer in diesem Moment von vornherein nicht ausgelöst wurde. Das bedeutet: Selbst wenn der erste Anteilsübergang steuerlich irrelevant war, führt ein späterer erneuter Erwerb einer beherrschenden Stellung zur Steuerpflicht.
Praktische Auswirkungen für Unternehmen
Für Unternehmen, die regelmäßig Gesellschaftsanteile an grundbesitzenden Gesellschaften halten oder übertragen, ergeben sich durch diese Entscheidung wesentliche Konsequenzen. Das Urteil betrifft typischerweise Gesellschaftskonstruktionen, die Immobilien halten, wie etwa Beteiligungsgesellschaften mit Immobilienportfolios, Immobilienfonds oder Unternehmensgruppen, die zur Optimierung ihrer Immobilienfinanzierung Tochtergesellschaften gründen. Doch auch kleinere Unternehmen und mittelständische Betriebe mit eigenen Immobilien können betroffen sein, wenn es zu Anteilsübertragungen im Gesellschafterkreis kommt.
Besonders relevant ist die Entscheidung für mittelständische Strukturen, in denen Immobilien in separaten Gesellschaften gehalten werden, um Haftungsrisiken zu minimieren. Schon mittelfristige Änderungen in den Beteiligungsverhältnissen können eine Grunderwerbsteuerpflicht auslösen, selbst wenn der wirtschaftliche Eigentümer weitgehend derselbe bleibt. Damit steigt für Steuerpflichtige die Bedeutung einer vorausschauenden Planung von Anteilstransaktionen. Nur so lassen sich unliebsame Steuerfolgen vermeiden, die schnell in die Millionenhöhe reichen können, wenn es um größere gewerbliche Immobilienbestände geht.
Für Onlinehändler, Pflegeeinrichtungen oder produzierende Betriebe, die ihre Betriebsimmobilien in eigenen Gesellschaften halten, gilt ebenfalls erhöhte Aufmerksamkeit. Sobald im Rahmen von Nachfolgeregelungen, Umstrukturierungen oder Gesellschafterwechseln ein Schwellenwert aus § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG überschritten wird, kann eine neue Steuerbelastung entstehen. Die Entscheidung macht deutlich, dass eine rein formale Reduzierung von Beteiligungen die Steuerpflicht nicht dauerhaft vermeidet.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zeigt, dass Anteilsübertragungen im Zusammenhang mit grundbesitzenden Gesellschaften noch komplexer und risikobehafteter sind, als dies bislang angenommen wurde. Wer Gesellschaftsanteile überträgt oder erwirbt, muss nicht nur die einmalige Überschreitung der Beteiligungsgrenze von 95 Prozent im Blick behalten, sondern auch mögliche spätere Veränderungen berücksichtigen. Damit steigt der Beratungsbedarf für Unternehmer erheblich. Es empfiehlt sich, jede Umstrukturierung sorgfältig steuerlich überprüfen zu lassen und vor Vollzug eine steuerrechtliche Analyse durchzuführen. Eine präzise Dokumentation von Beteiligungsquoten und deren Veränderungen ist unentbehrlich, um Rechts- und Planungssicherheit zu gewährleisten.
Unsere Erfahrung zeigt, dass gerade im Mittelstand erhebliche Potenziale liegen, wenn Gesellschaftsstrukturen frühzeitig auf steuerliche Risiken geprüft werden. Wir begleiten kleine und mittelständische Unternehmen bei der Optimierung ihrer Prozesse, insbesondere im Bereich der Buchhaltung und Digitalisierung, und tragen so dazu bei, langfristig Kosten einzusparen und Risiken effektiv zu minimieren.
Gerichtsentscheidung lesen