Neue Entwicklungen bei der Besteuerung konzerninterner Anteilsübertragungen
Die Behandlung konzerninterner Anteilsübertragungen im Rahmen der Grunderwerbsteuer hat durch eine aktuelle Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 26. April 2024, 5 K 2022/23, nicht rechtskräftig, Revision beim Bundesfinanzhof unter II R 24/24 anhängig) eine neue Facette erhalten. Gegenstand war die Frage, ob eine bloße Verkürzung einer Beteiligungskette – etwa durch die Übertragung sämtlicher Anteile an einer grundbesitzenden Tochtergesellschaft auf deren Muttergesellschaft – eine Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Absatz 2b Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) auslöst. Das Gericht bejahte dies eindeutig und stellte klar, dass auch eine konzerninterne strukturelle Vereinfachung steuerliche Folgen haben kann.
Nach dem im Jahr 2021 eingefügten § 1 Absatz 2b GrEStG wird der Übergang von mindestens 90 Prozent der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter als rechtsgeschäftlicher Erwerbsvorgang behandelt. Damit fingiert das Gesetz die Übereignung der Grundstücke der Gesellschaft auf eine neue Gesellschaftsstruktur – mit der Folge, dass Grunderwerbsteuer ausgelöst wird.
Der zugrunde liegende Fall und die Auslegung des Tatbestands
Im entschiedenen Fall war eine GmbH Eigentümerin mehrerer inländischer Grundstücke. An dieser Gesellschaft hielt zunächst eine Muttergesellschaft sämtliche Anteile, deren einzige Gesellschafterin wiederum eine Großmuttergesellschaft war. Die Muttergesellschaft übertrug sodann ihre Anteile an der grundbesitzenden Tochtergesellschaft vollumfänglich auf die Großmuttergesellschaft. Die Finanzverwaltung betrachtete diesen Vorgang als steuerbaren Gesellschafterwechsel im Sinne von § 1 Absatz 2b GrEStG. Die betroffene Gesellschaft wandte dagegen ein, dass es sich lediglich um eine Verkürzung der Beteiligungskette handele, da die Großmuttergesellschaft schon zuvor mittelbar wirtschaftlich zu 100 Prozent beteiligt gewesen sei und deshalb keine echten neuen Gesellschafter eingetreten seien.
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Es stellte vorrangig auf den zivilrechtlichen Übergang der Mitgliedschaftsrechte ab. Maßgebend sei die unmittelbare Änderung im Gesellschafterbestand – nicht die wirtschaftliche Betrachtung einer bereits bestehenden mittelbaren Beteiligung. Eine solche unmittelbare Änderung sei tatsächlich eingetreten, da die Großmuttergesellschaft nunmehr direkt Inhaberin sämtlicher Anteile und damit Alleingesellschafterin wurde. Die Verkürzung der Beteiligungskette führe rechtlich zu einem neuen, grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang.
Eine Einschränkung der gesetzlichen Fiktion durch die bloße Tatsache einer bereits bestehenden mittelbaren Beteiligung lehnten die Richter ab. Dies sei mit dem Wortlaut und dem Zweck des § 1 Absatz 2b GrEStG nicht vereinbar, der gerade dazu diene, Umgehungsgestaltungen zu verhindern. Der Gesetzgeber habe bewusst eine umfassende Einbeziehung von Anteilseignerwechseln bei Kapitalgesellschaften vorgesehen, um die Gleichbehandlung mit Personengesellschaften nach § 1 Absatz 2a GrEStG sicherzustellen.
Praktische Auswirkungen für Unternehmensgruppen und Investoren
Für Unternehmensgruppen, insbesondere für Familienunternehmen, Immobiliengesellschaften oder Holdingstrukturen mit umfangreichem Grundbesitz, ergibt sich aus dieser Entscheidung eine erhebliche steuerliche Relevanz. Selbst konzerninterne Umstrukturierungen, die lediglich die Beteiligungsebenen reduzieren, können Grunderwerbsteuerpflichten auslösen. Damit unterliegt auch die interne Neuordnung von Beteiligungsverhältnissen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften einer sorgfältigen steuerlichen Prüfung. Entscheidend ist nicht, ob wirtschaftlich eine neue Eigentümerin der Grundstücke hinzutritt, sondern ob es zivilrechtlich zu einem neuen Gesellschafterbestand kommt.
Gerade kleine und mittelständische Unternehmensgruppen, die ihre Struktur aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder Nachfolgeplanung anpassen wollen, sollten sich dieser steuerlichen Konsequenzen bewusst sein. Die Entscheidung zeigt deutlich, dass die Finanzgerichte die Missbrauchsverhinderungsvorschriften der §§ 1 Absatz 2a und 2b GrEStG strikt anwenden. Dies gilt unabhängig davon, ob durch die Anteilsübertragung eine steuerliche Doppelbelastung entstehen könnte. Nach der Auffassung der Richter liegt keine Regelungslücke vor, da die verschiedenen Anknüpfungstatbestände – insbesondere § 1 Absatz 2b und § 1 Absatz 3 GrEStG – unterschiedliche Vorgänge erfassen. Während § 1 Absatz 3 GrEStG die Vereinigung von Anteilen in einer Hand betrifft, fingiert § 1 Absatz 2b GrEStG einen Übergang der Grundstücke in eine neue Anteilseignerstruktur.
Eine verfassungsrechtliche Problematik sah das Gericht nicht. Der Gleichheitsgrundsatz werde nicht verletzt, da der Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer eine vom Leistungsfähigkeitsprinzip weitgehend losgelöste Betrachtung zugrunde liege. Auch systematische Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften rechtfertigten unterschiedliche Regelungen. Der Bundesfinanzhof wird sich in der anhängigen Revision voraussichtlich mit diesen Abgrenzungsfragen intensiv befassen. Bis zur endgültigen Entscheidung empfiehlt sich jedoch eine konservative Vorgehensweise bei konzerninternen Anteilsübertragungen.
Empfehlungen für die Praxis und Fazit
Unternehmen, insbesondere mit Immobilienbestand, sollten bei strukturellen Anpassungen sorgfältig prüfen, ob die Schwellenwerte des § 1 Absatz 2b GrEStG berührt werden. Dies betrifft nicht nur typische Konzernumstrukturierungen, sondern auch Fälle, in denen Anteile innerhalb eines Familienverbunds oder zwischen verbundenen Gesellschaften übertragen werden. Für Steuerberatende und Finanzabteilungen ergibt sich die praktische Notwendigkeit, jeden Anteilsinhaberwechsel im Zeitraum von zehn Jahren nachzuhalten und steuerlich zu bewerten. Eine Abstimmung mit den Bewertungsstellen des Finanzamts und eine frühzeitige rechtliche Würdigung des Einzelfalls helfen, nachträgliche Steuerforderungen zu vermeiden.
Die Entscheidung des Finanzgerichts zeigt zudem, dass sich durch die Verschärfungen der letzten Jahre das Risiko grunderwerbsteuerlicher Belastungen deutlich erhöht hat. Unternehmen sollten daher alle geplanten Anteilsübertragungen nicht nur gesellschaftsrechtlich, sondern auch aus Sicht der Grunderwerbsteuer systematisch prüfen. Die Inanspruchnahme fachkundiger steuerlicher Beratung ist dabei essenziell, um teure Überraschungen zu vermeiden und Gestaltungsspielräume rechtssicher zu nutzen.
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