Einordnung der aktuellen BFH-Entscheidung zur Grunderwerbsteuer
Die Grunderwerbsteuer gehört zu den regelmäßig unterschätzten Steuerarten, die bei Unternehmensumstrukturierungen oder gesellschaftsrechtlichen Neustrukturierungen schnell eine erhebliche finanzielle Bedeutung erlangen können. Besonders relevant wird sie, wenn Grundstücke oder grundbesitzende Gesellschaften Teil der Umgestaltung sind. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 8. Oktober 2025 (Az. II R 33/23) zur Anwendung des § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes entschieden, dass die Einbringung von Anteilen an einer grundbesitzenden Personengesellschaft in eine erst kurz zuvor gegründete Kapitalgesellschaft nicht von der Grunderwerbsteuer befreit ist, wenn der Einbringende nicht bereits innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 95 Prozent an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft beteiligt war.
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass die Steuerbefreiungsvorschrift restriktiv auszulegen ist und insbesondere bei gesellschaftsrechtlichen Neugründungen die Voraussetzungen der Fünfjahresfrist konsequent beachtet werden müssen.
Rechtlicher Hintergrund des § 6a Grunderwerbsteuergesetz
§ 6a des Grunderwerbsteuergesetzes regelt Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bei bestimmten Umstrukturierungen im Konzernverbund. Ziel dieser Vorschrift ist es, konzerninterne Umstrukturierungen wie Verschmelzungen, Spaltungen oder Einbringungen steuerneutral zu stellen, sofern innerhalb des Konzerns keine tatsächlichen Änderungen der wirtschaftlichen Eigentumslage eintreten. Der Gesetzgeber hat hiermit eine sachgerechte Ausnahme für konzerninterne Bewegungen geschaffen, da es sich wirtschaftlich nicht um echte Grundstücksübertragungen an Dritte handelt, sondern lediglich um Verschiebungen innerhalb derselben Unternehmensgruppe.
Voraussetzung für die Anwendung ist allerdings, dass zwischen dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger ein sogenanntes herrschendes und abhängiges Unternehmen besteht. Dieses Konzernverhältnis muss über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren vor und fünf Jahren nach der Umwandlung oder Einbringung ununterbrochen bestehen. Der Bundesfinanzhof hat diese zeitliche Bedingung als zwingend angesehen, um Missbrauchsgestaltungen zu verhindern, die lediglich mit kurzfristigen Gründungen und Übertragungen die Steuerbefreiung auslösen sollten.
Analyse der Entscheidung und ihre praktische Relevanz
Im entschiedenen Fall brachte ein Gesellschafter seine Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft in eine neu gegründete Kapitalgesellschaft ein, an der er ebenfalls beteiligt war. Ziel war es, die Übertragung unter die Steuerbefreiungsvorschrift von § 6a Gründerwerbsteuergesetz zu fassen. Der Bundesfinanzhof hat diesen Ansatz jedoch ausdrücklich abgelehnt, weil der Einbringende die notwendigen Beteiligungsverhältnisse von mindestens 95 Prozent nicht bereits fünf Jahre vor der Übertragung innehatte. Damit stellte das Gericht klar, dass die Neugründung einer Kapitalgesellschaft keine Abkürzung dieser Frist ermöglicht. Maßgeblich sei, dass eine tatsächlich wirtschaftlich längerfristige Verbindung zwischen den Beteiligten besteht.
Der Gerichtshof verweigerte auch eine sogenannte teleologische Reduktion des § 6a, bei der unterstellt wird, dass der Gesetzgeber bei Neugründungen auf die Fünfjahresfrist verzichten wollte. Nach Auffassung der Richter würde eine solche Auslegung dem Zweck der Vorschrift widersprechen, der gezielt missbrauchsanfällige Umwandlungen verhindern soll. Der Zeitpunkt der Gründung einer neuen Gesellschaft markiert daher nicht den Beginn eines begünstigungsfähigen Konzernverhältnisses, solange die wirtschaftliche Verflechtung noch keine historische Substanz aufweist.
Konsequenzen für die Praxis
Für die Praxis bedeutet dies, dass Umstrukturierungen, bei denen neue Gesellschaften gegründet und Anteile an grundbesitzenden Unternehmen eingebracht werden, stets grunderwerbsteuerlich sorgfältig geprüft werden müssen. Unternehmen, insbesondere aus dem Mittelstand, die Immobilien in Betriebsvermögen oder Unternehmensgruppen halten, müssen die Fünfjahresregelung zwingend in ihre Gestaltungsplanung einbeziehen. Wird sie nicht eingehalten, fällt die Grunderwerbsteuer in voller Höhe an, was bei hohem Immobilienbesitz zu erheblichen finanziellen Belastungen führen kann.
Die Entscheidung betrifft nicht nur große Konzernstrukturen, sondern auch kleinere Unternehmensgruppen, beispielsweise Familienunternehmen, Pflegeeinrichtungen, Immobiliengesellschaften und mittelständische Handelsbetriebe, die häufig mehrere Beteiligungsebenen und Immobilienvermögen innerhalb der Unternehmensgruppe strukturieren. Auch bei der Gründung von Holdinggesellschaften ist Vorsicht geboten, da der Wunsch nach steueroptimierter Umstrukturierung leicht mit der zwingenden Voraussetzung des § 6a kollidiert.
Gestaltungsansätze und strategische Überlegungen
Ein praktikabler Weg, um die Belastung mit Grunderwerbsteuer zu vermeiden, besteht darin, langfristig geplante Beteiligungsstrukturen frühzeitig aufzubauen, bevor es zu Umstrukturierungen oder Einbringungen kommt. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten bereits in der Planungsphase prüfen, ob sich durch vorausschauende Gestaltung ein begünstigtes Konzernverhältnis herstellen lässt. Dabei ist die Einhaltung der Mindestbeteiligung von 95 Prozent ebenso entscheidend wie die zeitliche Komponente von fünf Jahren. Die Beurteilung im Einzelfall kann komplex sein, insbesondere wenn Zwischengesellschaften oder mittelbare Beteiligungen bestehen.
Aufgrund der hohen finanziellen Relevanz empfiehlt sich, sämtliche gesellschaftsrechtlichen Schritte mit der steuerlichen Bewertung der grunderwerbsteuerlichen Konsequenzen abzustimmen. Selbst kleine formale Abweichungen – etwa eine unzureichende Dokumentation der Beteiligungsverhältnisse oder eine unklare Bewertung der wirtschaftlichen Einheit – können zum Verlust der Steuerbefreiung führen. Daher ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Steuerberatung, Rechtsberatung und Unternehmensleitung unerlässlich, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Fazit: Steuerliche Planung und Prozessoptimierung entscheiden über den Erfolg
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs verdeutlicht einmal mehr, dass die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes kein Automatismus ist, sondern strategischer Planung bedarf. Unternehmen, die Umstrukturierungen oder gesellschaftsrechtliche Einbringungen planen, sollten die Fünfjahresvoraussetzungen sorgfältig prüfen und gegebenenfalls frühzeitig die notwendigen Beteiligungsverhältnisse schaffen. Dabei zahlt sich eine ganzheitliche, prozessoptimierte Herangehensweise aus, die steuerliche, rechtliche und strategische Aspekte integriert. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung, insbesondere in Fragen mit erheblichem Gestaltungsspielraum und Einsparpotenzial. Durch unsere langjährige Erfahrung in der steuerlichen Prozessanalyse und digitalen Transformation helfen wir Mandanten, ihre Abläufe effizienter zu gestalten und Kosten dauerhaft zu senken.
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