Neue Haftungsrisiken für Sportwettenanbieter durch das OLG Frankfurt
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 12. November 2025 (Az. 3 U 88/25) eine Entscheidung getroffen, die erhebliche praktische und wirtschaftliche Bedeutung für Anbieter von Sportwetten und verwandte Glücksspielunternehmen hat. Kern der Entscheidung ist die Feststellung, dass Glücksspielanbieter haftbar sind, wenn sie ihrer rechtlichen Pflicht, eine Spielersperre zu prüfen, nicht nachkommen und dadurch gesperrten Spielern die Teilnahme am Spiel ermöglichen. Der Entscheidung lag der Fall eines Spielers zugrunde, der sich wegen Spielsucht selbst im zentralen Sperrsystem namens OASIS hatte eintragen lassen, dennoch aber ohne Überprüfung seiner Sperrung Wetteinsätze tätigen konnte. Der Kläger verlangte daraufhin die Rückzahlung seiner Verluste in Höhe von rund 5.500 Euro. Die Richter gaben ihm Recht: Der Anbieter hatte seine Pflicht zum Abgleich mit dem Sperrsystem verletzt und damit die Schutzvorschriften missachtet, die dem präventiven Schutz spielsüchtiger Personen dienen.
Rechtlicher Rahmen des Sperrsystems
Die Entscheidung basiert auf § 8 des Glücksspielstaatsvertrags 2021. Diese Vorschrift sieht vor, dass Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen verpflichtet sind, die Identität des Spielers zu überprüfen und einen Abgleich mit dem zentralen Sperrsystem vorzunehmen, sobald dieser am Spiel teilnehmen möchte. Das Sperrsystem OASIS wird von der Glücksspielaufsicht des Landes Hessen betrieben und dient der bundesweiten einheitlichen Sperrung gefährdeter Personen. Eine solche Sperre kann sowohl von Betroffenen selbst als auch von Angehörigen oder den Glücksspielanbietern beantragt werden, wenn Anzeichen für eine Spielsucht vorliegen. Die rechtliche Pflicht, an diesem System teilzunehmen und die Daten regelmäßig abzugleichen, ist eine Grundvoraussetzung für die Erlaubnis zum Veranstalten von Glücksspielen. Der Normzweck, also das Ziel der Vorschrift, liegt im Schutz der Spieler vor existenzbedrohender Spielsucht und der Vermeidung sozialer Folgekosten, die insbesondere auch kleine und mittelständische Unternehmen, die als Betreiber von Wettvermittlungsstellen tätig sind, wirtschaftlich stark betreffen könnten.
Praktische Konsequenzen für Anbieter und Unternehmen
Die Bedeutung der Entscheidung geht weit über den Einzelfall hinaus. Wer Sportwetten oder andere Glücksspielangebote – gleich ob vor Ort in Wettbüros, Spielhallen oder online – bereitstellt, muss sicherstellen, dass der Abgleich mit der Sperrdatei technisch und organisatorisch zuverlässig erfolgt. Eine bloße Absichtserklärung oder unregelmäßige Prüfung reicht ausdrücklich nicht aus. Unternehmen im Glücksspielsektor stehen damit vor der Herausforderung, ihre internen Kontrollprozesse entsprechend auszurichten. Dazu gehört insbesondere, die technische Schnittstelle zum Sperrsystem OASIS korrekt zu implementieren und nachweislich auf dem neuesten Stand zu halten. Auch Dienstleister, die technische Plattformen für Wettanbieter oder Online-Gaming-Betreiber bereitstellen, sollten ihre Compliance-Prozesse überprüfen, da sie im Rahmen von Auftragsverhältnissen ebenfalls haftungsrechtlich eingebunden werden können. Die wirtschaftlichen Risiken bei Verstößen sind erheblich: Neben der möglichen Rückzahlung von Einsätzen drohen auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen bis hin zum Entzug der Konzession. Für kleine Wettvermittlungsstellen und Franchisebetriebe können solche Rückforderungen existenzbedrohend sein, wenn sie wiederholt auftreten oder systematisch Mängel im Prüfverfahren festgestellt werden.
Auswirkungen auf Compliance und Digitalisierung im Glücksspielsektor
Die Entscheidung zeigt, dass die Digitalisierung im Glücksspielwesen nicht nur neue Geschäftsfelder, sondern auch hohe regulatorische Anforderungen mit sich bringt. Die lückenlose technische Anbindung an das Sperrsystem ist dabei ein zentraler Baustein rechtskonformer Geschäftsprozesse. Gerade für mittelständische oder kleinere Glücksspielunternehmen, die keinen eigenen IT-Bereich unterhalten, stellt dies eine erhebliche Herausforderung dar. Es empfiehlt sich daher, betriebswirtschaftliche und rechtliche Kontrollmechanismen in die internen Abläufe zu integrieren, um sowohl die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen als auch betriebliche Effizienz und Rechtssicherheit zu erhöhen. Auch aus juristischer Sicht ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts ein Signal für eine strengere Anwendung des Glücksspielrechts im Interesse des Spielerschutzes. Unternehmensleitungen sollten deshalb prüfen, wie ihre Compliance-Strukturen aufgestellt sind und ob gegebenenfalls Anpassungen erforderlich sind, um Bußgelder oder Rückforderungsansprüche von Spielern zu vermeiden.
Fazit: Verantwortung und Digitalisierung im Glücksspielrecht
Die Frankfurter Entscheidung verdeutlicht, dass Anbieter von Sportwetten und anderen Glücksspielen eine hohe Verantwortung tragen, wenn es um die Umsetzung der gesetzlichen Schutzmaßnahmen geht. Fehlende Prüfprozesse oder technische Unzulänglichkeiten führen unmittelbar zur Haftung für entstandene Verluste gesperrter Spieler. Für die Branche bedeutet dies, dass rechtssichere Digitalisierung, transparente Prozesse und eine sorgfältige Dokumentation der Spielerüberprüfungen unabdingbar geworden sind. Besonders für Betreiber kleinerer Wettstellen und mittelständischer Glücksspielunternehmen kann die vorausschauende Integration solcher Systeme über den Fortbestand des Geschäftsbetriebs entscheiden. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen dabei, ihre Buchhaltungs- und Prozessstrukturen zu digitalisieren und zu optimieren, um rechtliche Risiken zu minimieren und zugleich signifikante Kosteneinsparungen zu erzielen. Wir verfügen über umfangreiche Erfahrung bei der Implementierung effizienter Abläufe und begleiten Betriebe auf ihrem Weg in eine rechtssichere und moderne Unternehmenspraxis.
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