Rechtlicher Hintergrund und Ausgangssituation
Die rechtliche Auseinandersetzung um gewerbliche E-Scooter-Touren in den Weinbergen von Bad Dürkheim verdeutlicht, wie komplex das Zusammenspiel zwischen kommunalem Satzungsrecht, straßenverkehrsrechtlichen Regelungen und gewerblicher Nutzung öffentlicher Flächen sein kann. Ein Unternehmer, der bislang Lama-Wanderungen anbot, erweiterte sein Geschäftsmodell um E-Scooter-Touren über Feld- und Waldwege. Die Stadt Bad Dürkheim untersagte diese Nutzung mit sofortiger Wirkung und berief sich auf die örtliche Feld- und Waldwegesatzung. Diese Satzung legt fest, dass die betroffenen Wege primär der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung dienen und für den allgemeinen Fahrzeugverkehr gesperrt sind. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigte in seinem Beschluss vom 2. Dezember 2025 (Az. 7 B 11281/25.OVG) die Rechtmäßigkeit dieser Untersagung.
Zentral ist hierbei die Frage, inwieweit kommunale Satzungen eine gewerbliche Nutzung öffentlicher Einrichtungen beschränken dürfen. Öffentliche Einrichtungen im Sinne des Kommunalrechts sind Anlagen, die von der Gemeinde zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bereitgestellt werden. Ihre Benutzung kann durch Satzung geregelt oder bestimmten Personenkreisen vorbehalten werden. Das Gericht stellte fest, dass der Zweck der Feld- und Waldwege ausschließlich in der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung liege und eine darüber hinausgehende, gewerbliche Nutzung einer ausdrücklichen Genehmigung bedürfe.
Abgrenzung und rechtliche Einordnung von E-Scootern
Der Antragsteller argumentierte, bei seinen Fahrzeugen mit einer maximalen Geschwindigkeit von sechs Kilometern pro Stunde handele es sich um sogenannte Krankenfahrstühle und somit nicht um Fahrzeuge im Sinne der Straßenverkehrsordnung. Nach der Straßenverkehrsordnung dürfen Krankenfahrstühle mit Schrittgeschwindigkeit dort fahren, wo Fußgängerverkehr zulässig ist. Das Oberverwaltungsgericht folgte dieser Argumentation teilweise, machte jedoch deutlich, dass die Einordnung als Krankenfahrstuhl allein nicht ausreiche, um die Nutzung zu legitimieren. Entscheidend sei die kommunale Zweckbestimmung der Wege, die auch für Fahrzeuge gilt, die nach der Straßenverkehrsordnung als zulässig eingestuft sein könnten. Damit stellte das Gericht klar, dass das Straßenverkehrsrecht die kommunalrechtlichen Besitz- und Nutzungsbeschränkungen nicht überlagert.
Diese Abgrenzung ist für zahlreiche Unternehmen von Bedeutung, die innovative Mobilitätskonzepte oder touristische Angebote in naturnahen Gebieten planen. Auch wenn die Fahrzeuge selbst verkehrsrechtlich erlaubt sind, bedarf die Nutzung gemeindeeigener Wege der Zustimmung der Kommune, sofern diese Wege nicht öffentlichen Straßencharakter haben. Insbesondere touristische Anbieter sollten daher vor Aufnahme ihrer Tätigkeit die Satzungen der jeweiligen Gemeinden sorgfältig prüfen und gegebenenfalls eine Ausnahmegenehmigung beantragen, um spätere Betriebsuntersagungen und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Berufs- und Gewerbefreiheit im Spannungsfeld der kommunalen Selbstverwaltung
Besonders praxisrelevant ist die Frage, ob die Untersagung solcher Tätigkeiten einen unzulässigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Artikel 12 des Grundgesetzes darstellt. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz stellte klar, dass die Entscheidung der Stadt Bad Dürkheim keine unzumutbare Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit begründet. Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist nur dann rechtswidrig, wenn er unverhältnismäßig ist oder einer gesetzlichen Grundlage entbehrt. Da dem Unternehmer weiterhin die Möglichkeit verbleibt, andere gewerbliche Aktivitäten wie seine Lama-Wanderungen anzubieten, sah das Gericht kein faktisches Berufsverbot. Zudem steht betroffenen Unternehmern der Weg offen, eine Ausnahmegenehmigung im Rahmen der bestehenden kommunalen Satzung zu beantragen.
Für gewerblich tätige Betriebe, etwa Veranstalter von Tourismusangeboten oder Anbieter von Freizeitaktivitäten, ergibt sich daraus eine klare Handlungslinie: Eine Mehrheit kommunaler Einrichtungen unterliegt besonderen Nutzungszwecken, die nicht ohne weiteres für gewerbliche Zwecke erweitert werden können. Unternehmen müssen sich über die Reichweite des Satzungsrechts bewusst sein und ihre Tätigkeit im Einklang mit kommunalen Bestimmungen planen. Dies gilt insbesondere dann, wenn mehrere rechtliche Regelungsebenen – kommunales Satzungsrecht, Straßenrecht und Gewerberecht – ineinandergreifen.
Praktische Bedeutung und Handlungsempfehlung für Unternehmen
Die Entscheidung aus Rheinland-Pfalz verdeutlicht, dass Kommunen bei der Verwaltung ihrer öffentlichen Einrichtungen über einen erheblichen Gestaltungsspielraum verfügen. Feld- und Waldwege sind nicht automatisch Teil des öffentlichen Straßenverkehrsnetzes, selbst wenn sie faktisch von vielen Nutzenden frequentiert werden. Für Unternehmen aus der Tourismusbranche, aber auch für landwirtschaftliche Betriebe, die Nebenerwerbsmodelle wie Erlebnis- oder Eventführungen anbieten, bleibt die Beachtung kommunaler Satzungen entscheidend für die Rechtssicherheit ihres Geschäftsmodells.
Auch kleine und mittelständische Unternehmen sollten ihre Geschäftskonzepte konsequent hinsichtlich rechtlicher Zulässigkeit überprüfen. Die Praxis zeigt, dass innovative Angebote häufig in rechtliche Graubereiche vorstoßen, in denen bestehende Satzungen noch nicht auf neue Technologien oder Mobilitätsformen vorbereitet sind. Ein frühzeitiger Austausch mit den zuständigen Behörden kann Konflikte vermeiden und eröffnet die Möglichkeit, durch Antrag auf Ausnahmegenehmigungen rechtssicher zu agieren. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen auch aus Unternehmenssicht zu fördern, etwa durch elektronische Antragstellung und digitale Kommunikation mit Kommunen. Dies schafft Effizienz, Transparenz und reduziert Bearbeitungszeiten.
Für kleine und mittelständische Unternehmen, die sich auf nachhaltige oder innovative Dienstleistungen spezialisieren, lohnt sich eine enge Kooperation mit fachkundigen steuerlichen und rechtlichen Beratern, um behördliche Anforderungen frühzeitig zu identifizieren und umzusetzen. Unsere Kanzlei begleitet Mandanten bei der rechtssicheren Gestaltung betrieblicher Prozesse und unterstützt bei der digitalen Optimierung der Buchhaltung. Durch unsere Spezialisierung auf Prozessoptimierung und Digitalisierung im Mittelstand helfen wir Unternehmen aller Branchen, rechtliche Risiken zu minimieren und Kostenstrukturen effizienter zu gestalten.
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