Demografischer Wandel und seine Folgen für kleine und mittlere Unternehmen
Der demografische Wandel stellt die deutsche Wirtschaft vor eine der größten strukturellen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Schon heute wirkt sich der Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung messbar auf die betriebliche Praxis vieler kleiner und mittlerer Unternehmen aus. Prognosen zeigen, dass die Zahl der Erwerbstätigen bis 2035 um rund 9,4 Prozent sinken wird. Diese Entwicklung führt zu Engpässen auf dem Arbeitsmarkt und erhöht den Druck auf die Unternehmen, Strategien für die Fachkräftesicherung zu entwickeln. Besonders betroffen sind Branchen mit körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten wie Bau, Handwerk oder Pflege, in denen der altersbedingte Abgang von Fachkräften kaum kompensiert werden kann. Die Folge ist eine wachsende Konkurrenz um qualifiziertes Personal, die zunehmend auch mittelständische Betriebe trifft, die bislang auf langfristige Personalbindung setzen konnten.
Ein zentraler Lösungsansatz liegt in der stärkeren Integration älterer Arbeitnehmer in das Erwerbsleben. Die Erwerbstätigkeit der 65- bis 69-Jährigen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Zwischen 2014 und 2024 erhöhte sich die Erwerbsquote dieser Gruppe von 14 auf 21 Prozent und liegt damit über dem europäischen Durchschnitt. Diese Entwicklung spiegelt nicht nur den Wunsch vieler Älterer wider, aktiv zu bleiben, sondern zeigt auch das Potenzial für Unternehmen, erfahrene Fachkräfte länger zu beschäftigen und Wissenstransfer sicherzustellen.
Weiterbeschäftigung nach Renteneintritt als strategischer Vorteil
Eine aktuelle Erhebung unter mehr als 10.000 kleinen und mittleren Unternehmen verdeutlicht, dass bereits rund ein Drittel der Betriebe (32,4 Prozent) eine Weiterbeschäftigung nach dem gesetzlichen Renteneintritt anbietet. Die Bandbreite zwischen den Unternehmensgrößen ist dabei beträchtlich. Während sich zwei Drittel der größeren Mittelständler für eine solche Option offen zeigen, liegt der Anteil bei Kleinstbetrieben mit weniger als fünf Beschäftigten bei lediglich rund einem Viertel. Dies hat sowohl strukturelle als auch finanzielle Ursachen, etwa im Hinblick auf flexible Teilzeitmodelle, Anpassungen bei Arbeitsverträgen und die Organisation altersgerechter Arbeitsplätze.
Unternehmen, die ältere Mitarbeitende weiterhin beschäftigen, profitieren vielfach doppelt: Zum einen können sie auf erprobtes Fachwissen und eingespielte Abläufe bauen, zum anderen reduzieren sie ihre Abhängigkeit von externen Rekrutierungsprozessen, die in vielen Branchen sowohl zeit- als auch kostenintensiv sind. Hinzu kommt, dass ältere Beschäftigte häufig eine hohe Loyalität gegenüber ihrem Arbeitgeber zeigen und durch ihre Erfahrung maßgeblich zur Stabilität der Belegschaft beitragen. Damit wird die Weiterbeschäftigung nicht nur zu einem personalpolitischen Instrument, sondern auch zu einem Wettbewerbsfaktor, insbesondere für Betriebe aus dem Handwerk und dem produzierenden Gewerbe.
Aktivrente als Impuls für längere Erwerbstätigkeit
Die geplante Einführung der sogenannten Aktivrente setzt an genau diesem Punkt an. Dieses steuerliche Instrument soll künftig ermöglichen, bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei neben dem regulären Rentenbezug zu verdienen. Ziel ist es, finanzielle Anreize zu schaffen, damit Rentner ihre Tätigkeit freiwillig verlängern oder in einem vereinfachten Modell wiederaufnehmen. Ausgenommen bleiben voraussichtlich Minijobber, Selbstständige, Beamte und Personen im frühen Renteneintritt. Kern des Konzepts ist die Flexibilisierung der Übergänge zwischen Erwerbs- und Rentenphase, um älteren Arbeitnehmern den gleitenden Ausstieg zu erleichtern und gleichzeitig die Arbeitsmarktreserven zu stärken.
Für kleine und mittlere Unternehmen kann diese Neuregelung erhebliche praktische Vorteile bieten. Sie eröffnet größere Spielräume bei der Einsatzplanung und ermöglicht es, projektbezogene oder saisonal begrenzte Personalengpässe durch erfahrene Arbeitskräfte abzufedern. Besonders Handwerksbetriebe, Pflegeeinrichtungen und Dienstleistungsunternehmen könnten profitieren, da sie häufig auf spezifisches Erfahrungswissen angewiesen sind, das sich nicht kurzfristig ersetzen lässt. Gleichzeitig gewinnen älteren Beschäftigte mehr Handlungsspielräume, etwa bei der Gestaltung von Teilzeitmodellen oder beim Wiedereinstieg nach Renteneintritt. Das Zusammenspiel von aktivem Rentenbezug und Erwerbstätigkeit ist dabei nicht nur aus sozialpolitischer Sicht bedeutsam, sondern auch ein Beitrag zur nachhaltigen Fachkräftesicherung in strukturschwachen Regionen.
Handlungsfelder und betriebliche Umsetzung
Die Einführung der Aktivrente wird allein nicht ausreichen, um dem Fachkräftemangel langfristig zu begegnen. Erfolgreich wird sie nur, wenn Unternehmen altersgerechte Arbeitsbedingungen schaffen und den Wissenstransfer gezielt fördern. Dazu gehören ergonomische Arbeitsplätze, flexible Arbeitszeiten und individuell zugeschnittene Weiterbildungsangebote. Auch die systematische Nachfolgeplanung gewinnt an Bedeutung: Wenn ältere Mitarbeitende länger im Betrieb bleiben, können sie neue Fachkräfte gezielt einarbeiten und deren Qualifikation begleiten. Entscheidend ist, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen – insbesondere zu Arbeitsrecht, Sozialversicherung und Steuerpflicht – korrekt beachtet und frühzeitig in die Personalplanung integriert werden.
Für die betriebliche Praxis bedeutet das, Personalverträge rechtssicher zu gestalten und zugleich die steuerlichen Begünstigungen optimal zu nutzen. Arbeitgeber sollten prüfen, inwieweit Kombinationen aus Teilpension, Altersteilzeit oder Aktivrente sinnvoll sind, um individuelle Bedürfnisse und betriebliche Interessen in Einklang zu bringen. Auch die Kommunikation mit der Belegschaft spielt eine zentrale Rolle. Wenn Unternehmen das Thema Offenheit und Wertschätzung gegenüber älteren Mitarbeitenden aktiv leben, steigt die Bereitschaft der Beschäftigten, über das Rentenalter hinaus engagiert zu bleiben. Damit wird die Weiterbeschäftigung älterer Personen zu einem integralen Bestandteil moderner Personalstrategien.
Fazit: Chancen nutzen und Prozesse zukunftssicher gestalten
Die Weiterbeschäftigung älterer Mitarbeitender ist weit mehr als ein kurzfristiger Lösungsansatz gegen Fachkräftemangel. Sie eröffnet kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeit, Know-how im Betrieb zu halten, Flexibilität zu gewinnen und den demografischen Wandel aktiv zu gestalten. Mit der Aktivrente entsteht zudem ein steuerpolitischer Rahmen, der Anreize schafft und betriebliche Gestaltungsspielräume vergrößert. Wer diesen Wandel frühzeitig annimmt und seine Personal- sowie Finanzprozesse darauf abstimmt, kann langfristig von einer stabilen und erfahrenen Belegschaft profitieren. Unsere Kanzlei unterstützt Unternehmen bei der digitalen Optimierung ihrer Buchhaltungs- und Personalprozesse und zeigt, wie sich durch den Einsatz moderner Lösungen die Verwaltung rund um Beschäftigungsverhältnisse deutlich effizienter gestalten lässt. Wir betreuen kleine und mittelständische Unternehmen verschiedener Branchen und haben uns darauf spezialisiert, durch gezielte Digitalisierung erhebliche Kosten- und Zeitersparnisse zu realisieren.
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